Sex im Film geht meist so: nackte Menschen, Stöhnen, Schwitzen, Reibung. Oder so: Ein Teenager, im Rausch der Hormone, vergeht sich an einem Apfelkuchen. Auch: Schwerreicher Mann dirigiert devote Gespielin durch verschiedene Stationen des Schmerzes.
Weniger plakativ dafür differenziert werden die Themen Sexualität, sexuelle Ausrichtung, Geschlecht und Körper am Filmfestival Luststreifen verhandelt. Ursprünglich von «habs queer Basel» ins Leben gerufen, um LGBT-Themen eine Plattform zu geben, hat sich das Festival in den vergangenen zehn Jahren zum internationalen Szenetreff entwickelt.
Pony Play und Velo-Gang
Auf dem Programm stehen Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme. Viele davon werden zum ersten Mal in der Schweiz gezeigt.
«Bar Bahar» zeigt, wie drei Frauen in Tel Aviv an den gesellschaftlichen Verhältnissen rütteln, ganz einfach dadurch, dass sie zusammen in einer Wohngenossenschaft leben.
Im Dokumentarfilm «Être Cheval» geht es um ein erotischen Rollenspiel namens Pony Play. Der Film begleitet die Transfrau Karen dabei, wie sie sich von einem amerikanischen Cowboy zum Pferdewesen ausbilden lässt.
Die «Ovarian Psycos» sind eine Velo-Gang. Mit ihren Fahrraddemos setzen sie sich in Los Angeles für queer-feministische Themen ein.
Egal ob «Penis Poetry», das Porträt einer jungen Frau, die sich an BDSM wagt, oder ein mystisch-schwuler Heimatporno, die «Liquid Porn Shorts», versprechen einen expliziten Abend, wie ihn das Kultkino noch selten gesehen hat.
Wer sich nicht alleine mit dem Schauen von Filmen zufrieden geben will, kann das Festival auch dazu nutzen, seine Sehgewohnheiten aktiv über den Haufen zu werfen.
Diese Möglichkeit bieten die beiden Künstlerinnen Katja Lell und Riikka Tauriainen mit ihrem Workshop «In/Out of Cadrage». Lell und Tauriainen wollen die Darstellung von Körper und Geschlecht in einem performativen Setting zum Thema machen.
«Wie werden Körper gefilmt? Wie wird mein Blick als Zuschauer gelenkt? Was befindet sich eigentlich ausserhalb des Ausschnittes, den mir der Regisseur da präsentiert?» Es sind diese Fragen, die Lell mit den Teilnehmern des Workshops diskutieren und praktisch erforschen will.
Die Unsichtbarkeit austricksen
Dazu werden die beiden Künstlerinnen über den Köpfen eine Kamera aufhängen, die auf den Boden gerichtet ist. «Die klassische Aufnahme eines Menschen als Talking Head ist so zum Beispiel gar nicht möglich oder müsste explizit nachgestellt werden.» Auch der scheinbare Zwang, Gesichter zeigen zu müssen, werde durch diese Kamerapositionierung unterwandert. Das Aufbrechen der gewohnten Perspektive macht diese erst wahrnehmbar. «Normalität ist immer unsichtbar», sagt Lell.
Diese Unsichtbarkeit gilt es auszutricksen. Wie steht es etwa um die filmische Darstellung von Frauen? Sind sie bloss attraktive Staffage im Gefolge eines männlichen Helden oder kommt ihnen eine eigenständige Rolle zu?
«Es gibt den sogenannten Bechdel-Test, der untersucht, welchen Status Frauen in einem Film haben», sagt Lell. Er fragt etwa, welche weibliche Rollen es gibt. Oder ob sich diese Frauen über etwas anderes als Männer unterhalten. Es gibt erschreckend wenige Filme, die diese Kriterien erfüllen.
Eine weitere «Normalität», die in diesem Workshop reflektiert werden soll, ist die der Zweigeschlechtlichkeit. «Wie schaffen es Filme durch Kameraführung, Schnitt und Sound Körper herzustellen, die entweder als männlich oder weiblich identifiziert werden müssen?», fragt Lell.
In ihrem Workshop wollen Lell und Tauriainen den Teilnehmern einige Werkzeuge an die Hand geben, um mit ihren Sehgewohnheiten zu brechen. Der Workshop richte sich nicht ausschliesslich an Filmschaffende, sagt Lell, sondern an alle, die gewillt seien, aus dem reinen Zuschauerblick rauszuzoomen.
Und das an einem Filmfestival.
Luststreifen – Queer Film Festival Basel, 28.9. bis 1.10.2017 im Neuen Kino und im Kultkino Camera