«Der Zauberer von Oz» zum Wiedererkennen. Regisseur Niklaus Helbling und Komponist Markus Schönholzer schufen eine reizvolle Musicalversion vom Kinderbuchklassiker «Der Zauberer von Oz», ohne dabei die allgegenwärtige Vorlage der Hollywood-Ikone zu verdrängen.
Was kann das Theater, was die allgegenwärtigen neuen Medien nicht können? Es kann eine leicht diabolisch, aber durch seine hintergründige Ironie nicht unsympathisch wirkende Entertainerfigur aus Fleisch und Blut vor den Vorhang zaubern (ein wunderbarer Auftritt von Silvester von Hösslin), eine Art Zauberer, der eine Kristallkugel in der Hand hält, mit der sich mit der Zukunft, der Vergangenheit und anderen Welten, «besonders mit anderen Welten» reden lässt. «Vergesst eure Handys, vergesst euer Skype, werft weg euer iPad, ist doch alles nur Hype», sagt bzw. singt der Mann in Zylinder und ärmellosem Frack. Und er rennt mit dieser Aufforderung offene Türen ein. Das Publikum dürfte vom ersten Augenblick an tief in die Welt vom «Zauberer von Oz» eingetaucht sein und seine Handys etc. längst vergessen haben.
Nicht ganz vergessen machen kann der Abend aber wohl die heute noch allgegenwärtige, berühmte Verfilmung des Märchenklassikers von L. Frank Baum. Die mit der reizenden Judy Garland in der Hauptrolle, ihren skurrilen Gefährten und der grell-bunt kolorierten Märchenwelt, durch die sie singend und tanzend stapfen. Das wusste offensichtlich auch Regisseur Niklaus Helbling, der zusammen mit Brigitte Helbling auch den Text der Bühnenfassung geschrieben hat. So sieht Judith Strößenreuter als Dorothy beinahe genau so aus wie Garland; sie wirkt auch ganz so reizend und einnehmend wie das Filmvorbild, nur dass ihr die Regie auf der Bühne den einen oder anderen ironischen Ausbruch aus der naiv-rechtschaffenden Mädchenfigur erlaubt (und ihre Singstimme nicht ganz an die von Garland herankommt). Auch ihre drei Gefärten, der Strohmann (Lorenz Nufer), der Blechmann (Jesse Inman) und der Löwe (Dirk Glodde) wirken ein bisschen wie aus der Filmvorlage ausgeschnitten.
Eingängige Musicalmelodien
Es hat wohl keinen Zweck, gegen die berühmte Filmvorlage anzukämpfen, mögen sich die Verantwortlichen also gedacht haben. So haben sie sich dazu entschlossen, mit den eingebrannten Filmbildern zu spielen, ohne sie aber eins zu eins zu kopieren. Nur die Musik von Markus Schönholzer ist eine andere. Aber der routinierte Theatermusiker und Musicalkomponist hat Melodien geschaffen, die sich wohl bewusst an den Charakter des klassischen Hollywood-Musicals anlehnt, auch wenn er ab und zu auch so etwas wie Bluesrock durchklingen lässt. Nur einmal sind ganz leise und kurz ein paar Takte aus «Over the Rainbow» zu hören als ginge es darum, dem Publikum mitzuteilen, «wir wisse ja, dass Ihr alle auf dieses Lied wartet.»
Also sieht man Dorthy und ihre Gefärten durch eine kunterbunte Märchentheaterwelt (Bühne: Alain Rappaport) um den zweigeteilten Orchestergraben herum die bekannte gelbe Ziegelstrasse entlang tanzen und singen bis sie zur Smaragdstadt gelangen, in der der Zauberer von Oz residiert. Und sie begegnen dabei den skurrilen (Chor-)Gruppen der Munchkins, den Grünlingen, Mohnblumenkinder, Flügelaffen und Winkies, deren Aufgabe eigentlich nicht viel mehr enthält, als skurril zu wirken, was sie aber bestens beherrschen. Und sie begegnen der guten Hexe des Südens (Mareike Sedl), die in ihrem rosa-weissn Cowgirl-Outfit (Kostüme: Kathrin Krumbein) wie Miss Texas aussieht, der gefährlich schielenden bösen Hexe des Westens (Katka Kurze), die zwischendurch mal das Publikum in den typischen Märchentheater-Dialog einzubinden versucht, und der leicht überdrehten Concièrge des Zauberschlosses (Zoe Hutmacher).
Märchentheater und nichts als Märchentheater
Nach der doch eher anspruchsvollen Bühnenfassung von Otfried Preißlers «Krabat» im letzten Jahr, darf das Familienstück der Spielzeit 2012/13 nun als absolut unbeschwertes und luftig-leichtes Kindertheater daherkommen. Mit einer netten und bekannten Geschichte, netten und reizenden Figuren sowie mit eingängiger Musik. «Der Zauberer von Oz» ist Märchentheater pur und will auch gar nichts anderes sein. Aber so erfrischend und lustvoll-ironisch inszeniert und gespielt lässt man sich das auch als Erwachsener gerne gefallen. Und erst recht als Kind, wie der begeisterte Schlussapplaus nach der Premiere unmissverständlich bestätigte.
«Der Zauberer von Oz»
Familienstück nach L. Frank Baum (Text: Brigitte und Niklaus Helbling)
Regie: Niklaus Helbling, Musik: Markus Schönholzer, Musikalische Leitung: Henning Brand, Bühne: Alain Rappaport, Kostüme: Kathrin Krumbein
Mit: Silvester von Hösslin, Judith Strößenreuter, Dirk Glodde, Zoe Hutmacher, Jesse Inman, Lorenz Nufer, Mareike Sedl, Katka Kurze u.a.
im Schauspielhaus des Theater Basel (Vorstellungsdaten)