Magst a Zine? – Acht erlesene Zeitschriftentipps für die Sommerferien

Sommerzeit ist Bücherzeit? Muss nicht sein. Wie wärs mal mit ein paar Magazinen?

Sommerzeit ist Bücherzeit? Muss nicht sein. Wie wärs mal mit ein paar Magazinen? Die sind kompakter, schöner und in einer Woche auch tatsächlich gelesen. Achtmal Lesefutter für jeden Ferientyp.

1. Für verschlafene Dörfchen-Erkunder: Das Buch als Magazin




Der Titel sagt eigentlich schon alles: Das Buch als Magazin ist ein Buch als Magazin. In der ersten Hälfte ist ein klassischer Text abgedruckt, zum Beispiel die «Traumnovelle», «Woyzeck» oder – wie in der gegenwärtigen Ausgabe – «Faust». Im zweiten Teil gibt es Essays, Reportagen und sonstige Beiträge, die zum Text passen, ihn thematisieren oder ergänzen. Beispiel aktuelle Ausgabe: Faust trifft Geschichte über Mann, der zum Mars will, trifft junges Paar, das sich für ein schwerstbehindertes Kind entscheidet, trifft sich als Groschenroman in «Landarzt Doktor Faust». Grossartiges Konzept, grossartiges Magazin, grossartige Ferienlektüre, für Menschen mit Zeit.

12 Euro, gekauft in Berlin, hierzulande wohl am besten online

2. Für Strandlümmler: Mare




Auch hier: Der Name ist Programm. In Mare findet sich alles, was auch nur annähernd mit Meer und Wasser zu tun hat. Von wissenschaftlichen Beiträgen über die Zerstörungskraft von Tsunamis oder die Ökonomie des Surfens, Porträts grosser Meermänner, wie Jacques Cousteau oder Papst Alexander VI. (wirklich? wirklich), bis hin zur Kulturgeschichte der Venus. Mare gibt es seit fast zwanzig Jahren und die Themen sind so unerschöpflich wie die Weltmeere (not).

16.50 Franken, gekauft am Kiosk am Fischmarkt

3. Für Badi-Enthusiastinnen mit Gala-Überdruss: Barbara




Das mit den Frauenzeitschriften ist so eine Sache. Man liebt und hasst sie, hasst, dass man sie liebt, und liebt, dass man sie hasst. Oder? Also wenn nicht, dann darf ungeniert weiter in der Gala geblättert werden. Aber wenn doch, passt womöglich Barbara besser: Das Magazin von Ulknudel Barbara Schöneberger (die übrigens vom Cover jeder Ausgabe strahlt), das sich als «kein normales Magazin für Frauen» bezeichnet und trotzdem so Sachen sagt wie: «Solange wir nackig vor dem Spiegel nicht aussehen wie die uneheliche Tochter des Michelin-Männchens, ist doch alles in Sahne!»

Ginge auch anders, ist aber irgendwie herzig. Und immer noch besser als zum vierten Mal über «Mager-Alarm!»-Olivia Palermo und «Jo-Jo-Falle!»-Christina Aguilera zu lesen. Netter Nebeneffekt: Der Umschlag muss nicht mehr mühselig verdeckt werden in der Badi. 

6.10 Franken, gekauft am Kiosk an der Rheingasse

4. Für Abenteurer: Reportagen




Reportagen ist eigentlich eher ein Buch als ein Magazin – dafür wirds nur alle zwei Monate geliefert. Reportagen wurde 2011 in der Schweiz ins Leben gerufen, mit dem Versprechen, «Weltgeschehen im Kleinformat» abzubilden. Es wird seinem Credo bis heute auf jeder Seite gerecht: Packende Reportagen aus allen Ecken der Welt, zurzeit über sterbende Olivenbäume in Süditalien, Sex vor der Ehe im Iran, Amateurpolizisten in der Ukraine und Spielsucht in Deutschland.

20 Franken, gekauft am Kiosk am Fischmarkt

5. Für Metropolenhopper: Boat




Tipp von einem, der weiss was gut ist: Simon Krebs hat kürzlich den Basler Kulturförderpreis gewonnen und führt zusammen mit Franca Schaad, Anna Weber und Camilla Wüthrich den Bücherladen «Kosmos» im Kleinbasel. Sein Tipp: Boat, ein unabhängiges Reisemagazin aus Amerika. Für jede Ausgabe zieht die Redaktion für ein paar Wochen in eine Stadt und spürt Geschichten auf. So entsteht alle paar Monate eine Publikation, die wohltuend fernab des üblichen Reisemagazin-Gedrösels ist, mit Interviews, Features, Kunst und Prosa und eindrücklichen Fotostrecken. Must-Read. 

18.60 Franken, gekauft bei «Kosmos» an der Klybeckstrasse

6. Für Craftbeer-Trinker vor der Szenebeiz in der Szenestadt (im besten Sinne): Dummy




Dummy ist wie Neon, nur ohne übersaturierte Fotostrecken und redundantes Quarterlife-Bla. Also eigentlich so, wie wir uns Neon wünschen würden. Wenn es Dummy nicht gäbe. Gibt es aber glücklicherweise. Und so können wir Neon den Junghipstern überlassen und uns diesem fantastischen Heft widmen, das zwar nur alle drei Monate erscheint, dafür aber richtig gute Artikel zu richtig guten Themen hat. Aktuell zu Geschwistern – unter anderem mit Plädoyer für Einzelkinder, Artikel über die Kennedy-Familie und Reportage aus dem Kloster der kiffenden Ordensschwestern.

12.50 Franken, gekauft am Kiosk neben dem Globus 

7. Für Balkonier: Beef!




Sie finden es zu Hause am schönsten, tragen Flip-Flops zur Küchenschürze, wissen, was ein «Smoker» ist, und verabscheuen insgeheim Vegetarier? Dann ist Beef! das Richtige für Sie. Für «Männer mit Geschmack», die für 20 Franken (weil Männer mit Geschmack sind auch Männer mit Geld) wissen wollen, wie man aus einem halben Lamm in einem Erdloch Haute Cuisine zaubert und mit welchem Tierblut «Bloody Mary with a twist» am besten schmeckt. Klingt bekloppt? Na wenn es die Barbara geben darf, dann hat auch das Rind als Magazin eine Daseinsberechtigung.

20 Franken, gekauft im Kiosk des Unispitals

8. Für «Ferien? Kenn ich nicht»: Brand eins




Brand eins schafft das Unschaffbare: Es wählt extrem unsexy Wirtschaftsthemen – wie Führung, Handel, Geld – und beackert sie dermassen gut, dass aus ihnen fantastische Reportagen, Meinungsartikel und Essays spriessen. Beispiel: Immobilien. Erst mal unglaublich dröge. Brand eins aber packt das Thema genau da an, wos interessant wird: bei der Veränderung. Wie entwickelt sich Wohnraum? Was sagt er über unsere Gesellschaft aus? Wer sitzt an den Steuerhebeln, wer wird benachteiligt? Brand eins fängt mit einem kulturhistorischen Zeitstrahl an, hängt Besuche in Hochhaussiedlungen an, stellt Ansätze zur Unterbringung von Asylsuchenden vor, besucht eine südkoreanische Retortenstadt, geht dem Verkehrsproblem in Los Angeles auf den Grund und entwirrt das Problem Makler vs. Immobilienportal. Zugegeben: Entspannend ist das nicht. Aber Ihr Hirn wird es Ihnen danken. 

12 Franken, gekauft im Press & Books in der Bahnhofs-Passerelle

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