Im Schaufenster des «dock»-Archivraums an der Klybeckstrasse ist zurzeit Malerei ausgestellt, die keine ist: Die Werke des Freiburger Künstlers Alexander Bledowski entstammen keinem Pinsel, sondern seiner Computermaus.
«Was ist ein Original?» fragte Antonia Brand am Donnerstag in die Runde. Die Leute im Halbkreis schauten erwartungsvoll, wer sich nicht zurecht fand in der kurzen Stille, führte noch einmal den Weissweinbecher an die Lippen. Die Studentin des Kunsthistorischen Seminars Basel lächelte. Die Stille war beabsichtigt.
Originalität von Bildern ist eines der Themen, die der Freiburger Künstler Alexander Bledowski in seinem Werk hinterfragt. Aktuell zeigt der Archivraum «dock» in der Ausstellung «Die Brennnesseln sind sehr wach» seine Malereien aus der Maus – aus der Maus, und nicht aus dem Pinsel, denn Bledowski malt mit «Paint», dem vorsintflutlichen Malprogramm von Microsoft. Das mag für die einen nach Steinzeit klingen, für die anderen nach blasphemischer Auflehnung gegen die klassische Malerei. Fest steht: Der Künstler macht sich ein digitales Medium zum Komplizen – er und ein Algorithmus sind die Autoren der Farbflächen, die am Bildschirm und später ausgedruckt in den grossen Schaufenstern des «dock» hängen.
Das Bild im Bild
Die Frage nach dem Autor und der entsprechenden Originalität ist damit aber noch nicht beantwortet. Denn Bledowski geht einen Schritt weiter: Er schafft imaginäre Künstlerinnen, die seine Werke geschaffen haben sollen und die mit einer Plakette im Bild unter der Paint-Malerei vertreten sind. Mit diesem Bild im Bild wird der Künstler zum Kuratoren und künstlerischen Assistenten, zum kleinen Element in einem grossen Gefüge, wo virtuelle und reale Wirklichkeit ineinanderfliessen.
Dieser Ansatz generiert viele Autoren, oder gar keinen, oder solche, die gar nicht existieren. «Wenn ich ein Bild ausstelle, dann setze ich es frei», sagt der Künstler. Wo es vor der Ausstellung noch abhängig von Bledwoski und seinem Computer war, ist es in der Ausstellung freigegeben. Jeder kann damit umgehen, wie er will: «Die Betrachter formen das Bild weiter mit ihren Gedanken und Interpretationen.» Künstlerisches Open Source, sozusagen.
In Anlehnung an diesen Gedanken gestalteten die beiden Projektverantwortlichen Fabian Frei und Katharina Good die Eröffnung: Sie luden drei Studenten des Kunsthistorischen Seminars ein, die vor der Vernissage kurz gebrieft wurden und dann ohne grosse Vorbereitung in einer «Speed Speech» ihre Gedanken zum Ausgestellten formulierten.
Die alten Fragen neu gestellt
Eine tolle Idee, die ruhig auch etwas mutiger hätte ausfallen dürfen: Anstatt sich vor Ort mit wilden Assoziationen durch die durchaus dafür geeigneten Bilder hindurch zu plaudern, blieben die Studenten brav an Ort und Stelle und referierten in staubigem Kunsthistoriker-Jargon über «imaginative Kapazitäten» und «obsolete Medienapparate».
Trotz trockener Darbietung war Platz für interessante Einsichten. Was ist es den nun, dieses Original? Ist es, was wir am Bildschirm sehen oder was als Datei auf dem Computer gespeichert ist? Oder ist es der Druck, der in der Ausstellung hängt? Hängt es vom Autor ab, der in den Bildern Bledowskis nirgends und überall zu finden ist? Auch Brand konnte es nicht eindeutig beantworten. Aber es sind Fragen, die es sich immer wieder zu stellen lohnt, insbesondere dann, wenn nach der Frage zunächst erwartungsvolle Stille herrscht. Und insbesondere jetzt, wo im «dock» diese sehenswerte Ausstellung die alten Fragen der Kunstgeschichte mit digitaler, «indirekter» Malerei wieder neu stellt.