Das Antikenmuseum Basel stellt in einer Ausstellung den antiken griechischen Mann auf die Probe. Und richtet die Frage, was ein Mann sei, damit auch an uns. Die Antike spitzt scheinbar das allzu vertraute Ideal des machoiden Alleskönners noch zu. Doch irgendwas war anders.
Zunächst die schlechte Nachricht: Es gibt aus der Antike nichts Neues. Mit dem Titel «Wann ist man ein Mann?» bietet die Ausstellung im Antikenmuseum Basel und in der Skulpturenhalle an, unsere Konzepte von Männlichkeit zu überdenken – wie haben die’s damals gemacht? Etwas Zustupf für die Diskussion können wir tatsächlich gebrauchen.
Wir haben androgyne Models und die gleichgeschlechtliche Ehe, wir haben engagierte Väter und Prominente ohne dickes Auto, wir haben David Bowie und Bradley Manning. Das mag wohl sein, aber das Bild des muskulösen, erfolgreichen, unabhängigen Mannes ist dadurch nicht getrübt. Und die Griechen? Viel mehr noch! Ein Mann musste schön sein, sportlich, intellektuell und sich am besten noch Ruhm erkämpfen. So der erste Eindruck.
Homoerotik angesehen und erwünscht
Die Ausstellung führt das Leben eines griechischen Mannes vor, wie er es im 6. bis 4. Jahrhundert vor Christus idealerweise durchlaufen hat. Durch Skulpturen und bemalte Vasen werden die Stationen seines Weges erzählt: Sowie er kein Kleinkind mehr ist, folgt der griechische Racker anderen Bestimmungen als seine Schwestern. Schon jetzt hat er ungleich mehr Freiheiten, doch auch mehr Anforderungen werden an ihn gestellt. Der Bub lernt Musik machen, schreiben, rechnen (Schwesterchen lernt derweil haushalten) und treibt im gymnasion Sport.
Dies geschah damals nackt und eignete sich daher als Jagdgrund: Erwachsene Bürger schauten sich auf den Sportplätzen nach Jünglingen um und boten sich ihnen als Liebhaber und Mentoren an. Diese Form der Homoerotik war in der Antike angesehen und erwünscht. Ohne vorhergehendes Liebesspiel, so war man überzeugt, kommt die Lehre nicht weit.
Was uns abgeht: das Sinngefüge
Der Kenner bringt dieses Wissen mit. Schemenhaft gehört es auch zur Allgemeinbildung. In der Ausstellung ist man allerdings weitgehend seinen Eindrücken überlassen. Kurze Übersichtstexte führen in die jeweilige Lebenslage des Mannes ein. Doch die Beschriftungen der Exponate nehmen sich viel Freiheit und sind wenig informativ, dafür charmant.
Eine Silbermünze mit eingeprägtem Pferdegespann wird zum Beispiel so erläutert: «Auf dem 4-Ps-Boliden zum Sieg». Lovely. Als Ergänzung bekommt der Besucher aber ein Buch mitgegeben, das die Exponate erläutert und sich als prägnante Kulturgeschichte der alten Griechen entpuppt. Der Band ist so toll und kompetent gemacht, man will ihn auf dem Sofa lesen und danach aufbewahren.
Kampf und Ruhm
Beim Lesen zeigen sich die Bezüge, die zwischen den mannigfaltigen Anforderungen an den werdenden Mann bestehen. Damit entsteht ein umfassendes Sinngefüge. Liebe und Lehre hängen zusammen aber auch Liebe und Kampf. Kampf ist die höchste Tätigkeit und Ruhm das höchste Gut. Doch die ethischen Skills als Bürger zählen nicht weniger und genauso die politische Arbeit an der Gemeinschaft.
Die Bildung des Geistes ist wertlos ohne die Bildung des wohlgestalten Körpers – aber auch umgekehrt. In dieser Durchdringung der Werte findet sich wieder, was Westeuropa seit der Renaissance in Atem gehalten hat: Mass, Balance, Gemeinschaft. Dieser umfassende Blick ist der Neuzeit abhanden gekommen. Wir teilen die Werte der Antike, doch uns fehlt das Gefüge. Wir sind Spezialisten und wissen nicht warum.
Gegenwartsbezug etwas holzschnittartig
Die Verherrlichung der Antike, aber auch ihre Vertrautheit haben sich verflüchtigt. Die Auseinandersetzung mit ihr ist in den akademischen Raum abgewandert und hat dort Staub angesetzt. Andrea Bignasca ist seit einem Jahr Direktor im Antikenmuseum Basel und hat sich vorgenommen, die klassische Ausstellungskultur aufzumischen. Er will die Antike als Geschichte erzählen und damit Fragen an die Gegenwart richten.
Zugegeben: Der Versuch der Ausstellenden, den Bezug zur heutigen Männlichkeit herzustellen, ist etwas platt. In sterilen Vitrinen stehen Giletterasierer neben Viagrapackungen. Staubsauger und Windel veranschaulichen den weichen und verantwortungsvollen Mann von heute. Na gut. Sein Vorhaben ist dem Rektor und seinen Kuratoren (federführend Ella van der Meijden) trotzdem gelungen: Sie erzählen die Antike als Geschichte der Männlichkeit.
Das kommt auch den Kunstwerken zugute: Man betrachtet sie nicht als Kunst, sondern taucht durch sie in eine Lebenswelt ein. Klafter werden ihnen damit von den Schultern genommen. Und nebenbei bemerkt man, was für ein fantastisches Stück man gerade vor Augen hat.
Die Basler sitzen auf einem Schatz: Der Sammlung des Antikenmuseums und der Sammlung Ludwig. Da dies den Baslern weniger bewusst sei, als dem Museum lieb ist – so der Direktor Andrea Bignasca – stehe die Sammlung erneut im Zentrum der Ausstellung «Wann ist man ein Mann? Das starke Geschlecht in der Antike».
Die Ausstellung erstreckt sich ausserdem auf die Skulpturenhalle, wo sie auf ein zentrales Thema der Männlichkeit fokussiert, nämlich auf «Athlet und Wettkampf in der Antike». Hierfür konnte die bedeutende Sammlung des Italieners Carlo-Maria Fallani gewonnen werden.
Das Museum hat ein liebevolles Begleitprogramm erdacht. Bis 30. März 2014.