Mathieu Boisadan: Ganz selbstverständlich Maler

Eine Dossier-Eingabe für die diesjährige «Regionale» konnte der französische Maler Mathieu Boisadan nicht machen: Im Juli hat ein Feuer in seinem Atelier fast alle seine Werke zerstört. Trotzdem – oder gerade deshalb – wurde er von Kurator Clément Stehlin in die Fabrikculture Hégenheim eingeladen.

Eine Dossier-Eingabe für die diesjährige «Regionale» konnte der französische Maler Mathieu Boisadan nicht machen: Im Juli hat ein Feuer in seinem Atelier in Strassburg fast alle seine Werke zerstört. Trotzdem – oder gerade deshalb – wurde er von Kurator Clément Stehlin in die Fabrikculture Hégenheim eingeladen.

Rückblickend kann Mathieu Boisadan dem Brand, der im Juli in seinem Atelier wütete und manch ein Werk vernichtete, das ihm am Herzen lag, auch Positives abgewinnen: Eine reinigende Wirkung, die Entscheide und einen Neuanfang erzwingt. Die grossformatige Arbeit auf Papier «Le grand saut» («Der grosse Sprung»), die unbeschadet blieb, mag da einen durchaus sinnigen Titel tragen. Dabei hat der Künstler schon vor zwei Jahren einen grossen Schritt gemacht, als die Farbe Einzug in seine Ölgemälde hielt.

Damals empfand der Franzose die über acht Jahre selbstauferlegte und für ihn lange stimmige Beschränkung auf Schwarz und Weiss als unnatürliche Begrenzung. Obwohl er sich als Maler, der ausschliesslich in Schwarz und Weiss malte, einen Namen gemacht hat, erscheint der Pinselgriff zur Farbe heute als stimmige und bereichernde Fortsetzung in seinem Werk.

Zwei Seelen

Mathieu Boisadan ist als Pendler zwischen Frankreich und der Schweiz aufgewachsen. Geboren 1977 in Dijon, besuchte er den Kindergarten in Neuenburg, die Primarschule in Frankreich. Die Jahre der Sekundarschule verbrachte er wiederum in der Schweiz und sein Studium der Philosophie begann er in Strassburg, wo er auch heute lebt. Allerdings liebäugelt er gerade mit einem Umzug in die Schweiz, wie er im Gespräch erwähnt.



Ein Teil des Diptychons «Le feu dans les profondeurs de la chair».

Ein Teil des Diptychons «Le feu dans les profondeurs de la chair». (Bild: Mathieu Boisadan)

Die beiden grossformatigen Ölgemälde des Diptychons «Le feu dans les profondeurs de la chair» zeigen exemplarisch Motive und Technik, mit denen Boisadan sich seit Langem beschäftigt. Die menschliche Figur und die Darstellung der Natur sind wiederkehrende und immer wieder aufs Neue befragte Sujets. Boisadan verhandelt in seinem Werk immer wieder verschiedenste Dichotomien. Der bewegte Stillstand in Gemälden von Bergen und Wasser etwa und das Verstörte und Verstörende (die französischen Wörter «perturbé» und «perturbant» fassen dies noch treffender) seiner Figuren sind eindrückliche Aussagen über die «condition humaine». Gerade im erwähnten Diptychon – dessen erster Teil übrigens im Feuer zerstört worden war und für die aktuelle Ausstellung neu gemalt wurde – scheinen auch die französische und schweizerische Seelen des Künstlers auf.

Malerei und Philosophie

Boisadan brach nach ein paar Semestern sein Philosophiestudium ab, um sich ausschliesslich der Malerei zu widmen. Wie der Künstler betont, sei «die Malerei schon immer da» gewesen. Doch auch die Philosophie ist geblieben. Der Künstler gibt Friedrich Nietzsche als bevorzugte Lektüre während seines Studiums an und tatsächlich meint man das Antipodische des Apollinischen und Dionysischen, welches Nietzsche in «Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik» beschrieben hat, aufflackern zu sehen.

Die Kunstausbildung ist spätestens seit Bologna stark akademisiert. Wer keinen Bachelor vorweisen kann, fühlt sich oft mit einem Makel behaftet. Ein solches Unbehagen sickert auch im Gespräch mit Mathieu Boisadan durch, und dies, obwohl der 37-Jährige ein beachtenswertes Portfolio vorlegt, an der HEAR (Haute école des arts du Rhin, Mulhouse – Strasbourg) Malerei unterrichtet, zudem als Kurator tätig ist und zusammen mit Sophie Kaufenstein den «accélérateur de particules» in Strassburg leitet.

Auch wenn Boisadan sich als Maler bezeichnet, arbeitet er immer wieder fotografisch und filmisch. Fotoapparat und Filmkamera begleiten ihn auf seinen Reisen nach Berlin, Sarajevo oder New York und dienen als eine Art Tagebuch-Medium. Das in der Fabrikculture gezeigte Video «Hurricane Nightmare» wurde 2011 an der äusseren Spitze Manhattans aufgenommen, am Tag nach dem Durchzug des Orkans Irene. In der ehemaligen Fabrikhalle wird es als kleine Bodenprojektion gezeigt. Aus einer Vogelperspektive heraus liegen uns so bewegtes Wasser und Wellenberge zu Füssen.

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Regionale 15, bis 10. Januar 2015. Diverse Orte, Detailinfos unter www.regionale.org.
Mathieu Boisadan stellt in der Fabrikculture in Hégenheim aus. 
Vernissage: Sonntag, 30. November, 11 h. Mit einer Performance von Léandre Thiévent.

Die TagesWoche porträtiert während der Ausstellungsdauer der Regionale 14 mehrere Künstler und Künstlerinnen.

Im Fokus: «Regionale»-Porträts

An der «Regionale» zeigen Künstler und Künstlerinnen aus dem Dreiländereck ihre Werke. Einige davon porträtieren wir im Laufe der Ausstellung bis Ende Januar 2015. Alle Artikel finden Sie im Dossier.

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