Mehr Beats für die Klassik

Heute Samstag steigt im Basler Sudhaus die erste ynight: Minimalmusik, DJ-Sound, Klangvisualisierungen und Partylaune sollen klassische Musik ohne steife Konzertatmosphäre erlebbar machen.

In der Zürcher Laborbar bereits etabliert, kommt die ynight nun auch nach Basel.

Am Samstag steigt im Basler Sudhaus die erste ynight: Minimalmusik, DJ-Sound, Klangvisualisierungen und Partylaune sollen klassische Musik ohne steife Konzertatmosphäre erlebbar machen.

Feldbergstrasse, Kleinbasel, an einem Montag um 23 Uhr. Durch die Wohnküche des Gemeinschaftsateliers geht es die Treppe hinab in den Keller, durch verwinkelte Gänge vorbei an Regalen mit unzähligen Vinylplatten. In der hinterletzten Ecke sind wir endlich angekommen: Hier ist das Atelier von DJ Yaniv Oron. Auf gerade einmal drei Quadratmetern probt er mit dem Cellisten Christoph Dangel ein Set für die ynight.

Klassische Musik ohne steifes Tenue

«ynight» heisst eines der immer zahlreicher werdenden neuen Pflänzchen im Grenzgebiet zwischen Klassik und Pop, zwischen Elektro und Indie, zwischen konzentrierter Konzertatmosphäre und ausgelassener Partystimmung. Hier soll die klassische Musik ohne steifes Tenue, ohne strenge Rituale präsentiert werden, soll ein junges Publikum für die Klänge von Dowland und Brahms begeistert werden. Die Lokation spielt dabei eine besondere Rolle: in Zürich wurde die ynight schon mehrmals in der Laborbar präsentiert; nun kommt sie erstmals nach Basel: ins Sud.

Aufhebung gängiger Konzertrituale

Doch bei der ynight geht es nicht nur um Klassik in einem Teil des Abends und tanzbaren Elektrosounds in einem anderen Teil – wie zum Beispiel bei der Zürcher Tonhalle-Late, wo nach einem einstündigen reinen Klassik-Programm die Tonhalle in eine Tanzfläche mit Clubatmosphäre verwandelt. Oder bei den Cube Sessions des Sinfonieorchesters Basels, bei dem die Musiker den konzertanten Teil in der üblich feinen Abendkleidung absolvieren.

Bei der ynight geht es um die Aufhebung aller gängiger Konzertrituale, aber auch dezidiert um Experimente klanglicher Art. Oron und Dangel erproben von Grund auf, wie sich ein klassisches Instrument mit elektronischer Musik verbinden lässt. «Der obertonreiche Celloklang passt nicht ideal zu Electrosounds», sagt Oron. «Deshalb haben wir für meine Mixes erst einmal eine eigene Soundkartei mit Celloklängen angelegt.»

Motive, Geräusche, ein- und mehrtönige Klänge wurden isoliert aufgenommen, nun wird mit dieser Soundkartei improvisiert. Oron speist einen Grundbeat und verschiedene Geräusche ein und scratcht sie mit seinen Vinylplatten, bearbeitet sie live auf dem Kaoss-Pad. Dangel improvisiert dazu auf dem Cello, spielt zarte Melodien, geheimnisvolle Flageolettakkorde, harsche Schläge mit dem Bogen, sanftes Pizzicato. 

Goldfinger Brother trifft Kammerorchesterianer

Immer wieder unterbrechen sie einander, fragen nach, was anders gehen könnte, und was nicht. «Wir sind beide Idioten auf dem Gebiet des anderen», lacht Oron. Dass sie aus gänzlich unterschiedlichen Gegenden der Musiklandschaft stammen – Oron ist Teil des DJ-Duos Goldfinger Brothers; Dangel ist Mitglied des Kammerorchesters Basel und der Camerata Variabile – erleben sie als äusserst fruchtbar. Gemeinsam überlegen sie sich eine Grunddramaturgie, damit über zwanzig Minuten ein Spannungsbogen entsteht. Doch mit welchen Mitteln man Dramatik oder Melancholie ausdrücken kann, muss immer wieder ausprobiert und ausgehandelt werden.

«Wir versuchen, nicht in die Fusion-Ecke zu gehen, nicht das Klischee zu bedienen und einfach die Klassik mit Electrobeats zu unterlegen», erklärt Dangel den aufwändigen Probenprozess, «sondern es soll ein gleichberechtigtes Zusammenspiel zwischen Elementen der klassischen und der elektronischen Musik entstehen.»

Studierende der Musikakademie sind auch involviert

Auch die anderen Sets für die ynight werden intensiv vorbereitet. Etienne Abelin, Geiger, Dirigent und Mitbegründer der ynight, probt dafür mit einem Ensemble von 12 jungen Musikern. Erstmals sind Studierende der Musikakademie Basel mit dabei. Die Initiative dazu kam von Akademie-Leiter Stefan Schmidt. Ihm ist es ein Anliegen, dass die manchmal recht konservativ eingestellten Studierenden alternative Konzertformate kennenlernen.

Für die ynight hat Abelin «Gnarly Buttons» von John Adams ausgewählt, ein grooviges Stück Minimalmusic, das mit seinen verrückten Rhythmen unweigerlich in seinen Bann zieht. Klassische, zeitgenössische Musik also. «Mich interessieren Werke, die eine Position beziehen, die post-tonal, post-minimalistisch, vom Rhythmus getrieben sind – und die die Grenzen der Musikgenres sprengen. Das ist zur Zeit noch meist amerikanische Musik, die man hier selten hört», so Abelin.

Doch damit nicht genug: Abelin hat den Visualkünstler Stephen Malinowski entdeckt, der mit seinen Klangvisualisierungen mehrere Millionen Viewer bei youtube generiert.


Für die ynight hat er neu das zweite Streichquartett von Minimalkomponist Philip Glass visualisiert; die Bilder werden dabei live erzeugt und gezeigt.

Vom Spass, als Streichmusiker zu grooven

Aber es geht nicht um die Musik allein, sondern auch um den Raum: «Das Ambiente beeinflusst, wonach wir in der Musik suchen», ist Abelin überzeugt. «In einem gediegenen Konzertsaal suche ich eher nach Schönklang; in einem Club mit rauen Wänden und Stahlträgern hebe ich ganz andere Aspekte der Musik hervor, schärfe den Ton, die Beats.»

Die Clubumgebung sei dabei nur eine Möglichkeit, den Raum zu verändern; Konzerte in der freien Natur oder in Berghütten, wie sie in den Schweizer Sommerfestivals vermehrt anzutreffen sind, lassen die Musik ebenfalls von einer neuen Seite her wirken. Weshalb Abelin aber in den Club geht, hängt mit seinen ganz persönlichen Vorlieben zusammen: «Das ist meine Lebenswelt, in der ich atme, in der ich bin», sagt er. Natürlich sei auch die klassische Musik seine Lebenswelt – er ist unter anderem Mitglied im legendären Lucerne Festival Orchestra –, doch der soziale Kontext des herkömmlichen Konzertbetriebs sage ihm einfach nicht zu. «Es macht einfach mehr Spass, in bequemen Lieblingsklamotten auf der Bühne zu grooven!», lacht Abelin. «Das entspricht meinem Lebensgefühl.» 

Was ist das denn für ein Lebensgefühl? «Urban, casual, neugierig, weltoffen, grenzüberschreitend – typisch Schweiz halt», lacht Abelin. Und fügt mit Anspielung auf die Masseneinwanderungsinitiative hinzu: «Es braucht eine zweite Schweiz; eine, die für etwas anderes steht.»
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ynight, Samstag,
 22. März, 20 bis 4.30 Uhr.
SUD, Burgweg 7, 4058 Basel.

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