Mehr Zuschauer, mehr Premieren: Das Flutlichtfestival stand im Zeichen der Migration

Das Flutlicht Filmfestival kann auch im Jahr drei seinen Erfolg bestätigen. Am Samstag Abend standen mit einem Dokumentarfilm «Foot et Immigration» und dem «Einwurf» des Fussballmagazin «Zwölf» ernste und leichtere Kost auf dem Programm.

(Bild: Daniela Radic)

Das Flutlicht Filmfestival kann auch im Jahr drei seinen Erfolg bestätigen. Am Samstag Abend standen mit einem Dokumentarfilm «Foot et Immigration» und dem «Einwurf» des Fussballmagazin «Zwölf» ernste und leichtere Kost auf dem Programm.

Die Primetime der diesjährigen Ausgabe des Fussballfilmfestivals «Flutlicht» wurde von einem ganz speziellen, weil brandaktuellen Thema besetzt: «Foot et Immigration» ist ein Dokumentarfilm der französischen Regisseure Eric Cantona und Gilles Perez, die das Publikum mitnehmen auf eine Reise quer durch die topo- und demografische Landkarte Frankreichs. Sie portraitieren vier ehemalige Nationalspieler, die allesamt unter einfachsten Bedingungen mit Migrationshintergrund aufwuchsen.

Es sind dies die berühmten Zinedine Zidane und Michel Platini, sowie die mittlerweile bereits etwas in Vergessenheit geratenen Basile Boli, Raymond Kopa und Louis Fernandez. Ihre Familien stammen aus Algerien, Italien, Spanien, der Elfenbeinküste und Polen. Cantona, der selbst 45 Spiele für «les bleus» absolviert hatte, kommt im Film auch zu Wort, er ist der Sohn eines italienischstämmigen Vaters und einer katalanischen Mutter.

Pathosfreier Blick auf die Vergangenheit

Ohne Pathos erzählt der Film die Geschichten junger Männer, die auf den Fussballplätzen ihrer Dörfer oder Quartiere fanden, was ihnen das Leben sonst verwehrte: Wertschätzung und das Gefühl, etwas zu erreichen. Beeindruckend, wie die mittlerweile gealterten Herren ausnahmslos ihren damaligen Trainer huldigen, die ihnen eine Türen aufmachten. «Die Trainer in den Banlieus sind die wertvollsten Sozialarbeiter des Landes», sagt Boli einmal, «ohne sie stünde es schlimm um die Kids auf den Strassen.»




Basile Boli, 1978 von der Elfenbeinküste nach Frankreich emigriert, absolvierte 45 Spiele für «les Bleus». (Bild: Daniela Radic)

Aber Cantona und Perez zeigen den Szenen aus einer Zeit, in der die Integrität der Nationalspieler noch nicht an ihrer Inbrunst beim Singen der Nationalhymne gemessen wurde. «In den 1970-er und 1980-er Jahren sang niemand die Nationalhymne, das kam erst später», sagt Platini. Was zählte, war die Leistung. Punkt.

Wobei sich Fernandez da nicht so sicher ist: «Hätte ich den entscheidenden letzten Penalty gegen Brasilien im WM-Viertelfinale gegen Brasilien nicht versenkt, wären Stimmen laut geworden, denen der spanische Name auf meinem Trikot plötzlich auffiel.»

Das schöne an «Foot et Immigration» ist seine mehrdimensionale Lesart. Man kann diesen Film genauso gut als Dokumentation über die französische Immigration sehen, die eben auch ein paar zukünftige Fussballstars ins Land spülte, wie als Film über berühmte Fussballer mit Migrationshintergrund. Schade ist das Ausklammern der anderen Perspektive: Ausser einem Soziologen und Philosophen kommen keine französischstämmigen Einheimischen zu Wort, die ihre Perspektive auf die einigende oder vielleicht doch konfliktfördernde Kraft des Fussballs hätten schildern können.

Aufwärmprogramm mit dem «Zwölf»-Magazin

Die Aufwärmphase zu dieser dennoch sehr gelungenen Schweizer Premiere bestritten am Samstag Abend Martin «Mämä» Sykora und Sascha Török mit ihrem cineastischen Einwurf «Zwölf-Spezial». Die Macher des gleichnamigen Fussballmagazins hatten in Archiven befreundeter Blogger und Journalisten gegraben und herrliche Perlen aus der helvetischen Fussballgeschichte ans Licht gebracht.




Das waren noch Zeiten. Sykora und Török zeigen Bilder aus der Vorbereitung der Schweizer Fussballnati auf die WM in Chile. (Bild: Daniela Radic)

Unter anderem Szenen zum legendären Cupfinal zwischen Aarau und Xamax 1985, der wie gewohnt von allerlei Vorgeplänkel begleitet wurde. Sykora nahm mit Erstaunen zur Kenntnis, das sich das Personal bei der Interviewrunde im Fernsehen seit damals nicht gross verändert hat, aber sehen sie selbst:

Überrascht waren die beiden «Experten für Fankultur» (NZZ) auch vom damaligen Bundespräsident Kurt Furgler, der sich nicht in heute üblichen Floskeln wie «möge der bessere gewinnen» erging, sondern eine beachtlich feinziselierte Analyse des Spielgeschehens absonderte. Grossartig:

Als «grossartig» beschreibt auch Flutlicht-Initiant Philipp Grünenfelder das Interesse am diesjährigen Festival. «Wir konnten die Publikumszahlen nochmals steigern.» Das Feedback sei ausgesprochen positiv und mache bereits Lust auf eine vierte Ausgabe. Ob die allerdings mit den selben Mitteln über die Bühne gehen kann, ist noch ungewiss: Der Beitrag der Christoph Merian Stiftung entfällt nach drei Jahren zum ersten mal und hinterlässt ein Loch in der Festivalkasse.

Zu wünschen wäre nicht nur den Machern, sondern auch dem Publikum, dass das Flutlicht an bleibt. Eine ähnliche Dichte hochklassiger Fussballfime sucht man in der Schweiz sonst vergeblich.




Der Publikumsaufmarsch am «Flutlicht»-Festival konnte im Vergleich zum letzten Jahr nochmals gesteigert werden. (Bild: Daniela Radic)

Nächster Artikel