Melonen als Köpfe und Zeitungen als Häuser: Edit Oderbolz im Kunsthaus Baselland

Es ist ein Weilchen her, dass Edit Oderbolz in der Region Basel in einer Einzelpräsentation zu sehen war. Jetzt stellt sie im Kunsthaus Baselland neue grossformatige Arbeiten aus.

Legt gerne selber Hand an: Edit Oderbolz vor ihrer 18-Meter-Installation «Pose».

(Bild: Donata Ettlin)

Es ist ein Weilchen her, dass Edit Oderbolz in der Region Basel in einer Einzelpräsentation zu sehen war. Jetzt stellt sie im Kunsthaus Baselland neue grossformatige Arbeiten aus.

Der Aufbau von Edit Oderbolz‘ Ausstellung im Kunsthaus Baselland begann mit einer Panne. Der Lieferwagen, der die Arbeiten der Künstlerin im Atelier abholen sollte, stellte sich als zu klein heraus. «Da hatte scheinbar jemand etwas falsch berechnet», sagt Kunsthaus-Direktorin Ines Goldbach mit einem Lachen. Tragisch wars nicht, der Aufbau wurde trotzdem termingerecht beendet.

Und wer nach dieser kleinen Episode dachte, hier sei tonnenweise Material herangekarrt worden, der merkt nun vor dem fertigen Werk, dass er eine falsche Vorstellung hatte.

Denn Edit Oderbolz hat zwar die zwei grossen Shedhallen im Untergeschoss des Hauses an der Birs beinahe raumfüllend bespielt – die Installationen aber sind so luftig, dass man meint, das verwendete Material in zwei Kisten quetschen zu können.

Und natürlich irrt man sich wieder. 

Das Hauptmaterial in den beiden Arbeiten sind Armierungseisen. Für alle, die sich darunter nichts vorstellen können: Das sind diese gerippten Eisenstangen, die wir von Baustellen kennen. Für das Werk «Pose» hat Oderbolz sie zu einer architektonischen Struktur zusammengeschweisst, die sich über mehr als 18 Meter zieht, bei 2,5 Metern Höhe. Das wiederum erklärt, warum der Lieferwagen zu klein war.

Homebase Basel

Edit Oderbolz mag solch grosse Installationen. Und sie mag es, diese in Ausstellungen zu sehen: «Diese Räume hier sind für mich Ausgangspunkt, um gross zu arbeiten. Eine Gelegenheit.»




18 Meter lang: «Pose» in der Shedhalle des Kunsthaus Baselland. (Bild: Gina Folly)

Ihr Atelier hat Oderbolz im Bollag-Atelierhaus an der Gärtnerstrasse – seit 16 Jahren, seit es diese Ateliers gibt. «Ich fühle mich wohl da», sagt sie. Eine Aussage, die man auch auf Basel überhaupt beziehen könne. Denn obwohl die 50-Jährige viel gereist ist in den letzten Jahren, und dank mehreren Atelierstipendien für Monate in Berlin, London, Rotterdam oder Australien weilte oder eine Zeitlang jobbedingt in Lateinamerika unterwegs war, bleibt Basel ihre Homebase.

Hierher ist sie in den Neunzigerjahren gezogen, um in der Fachklasse für Bildende Kunst bei Jürg Stäuble und Muda Mathis zu studieren. Seither arbeitet sie immer dreidimensional, immer unter Einbezug des Raumes, immer geprägt durch eine handwerkliche Handschrift und immer mit dem Material im Fokus. Die Ausstellung im Kunsthaus Baselland ist allerdings ihre erste grössere Präsentation in der Region seit der Gestaltung der Rückwand der Kunsthalle Basel 2009 und seit ihrer letzten Einzelausstellung 2004 im Museum für Gegenwartskunst im Rahmen der Verleihung des Manor-Kunstpreises.

Leichte Eisenskulptur

Für Ines Goldbach war diese lange Abstinenz mit ein Grund, weshalb sie Oderbolz eine Plattform bieten wollte. In einer Einzelschau – was die Künstlerin natürlich äusserst freut, denn die Räume im Untergeschoss, die haben was: viel Platz fürs Anrichten mit der grossen Kelle vor allem.

In der Shedhalle liess sie die Trennwand rausnehmen, um den Raum in seiner vollen Grösse bespielen zu können. Dort schlängelt sich nun die 18-Meter-Installation «Pose». Die schwarze Eisenskulptur wirkt seltsam leicht, als handelte es sich um eine schlichte geometrische Zeichnung auf weissem Grund. Beim Umrunden der Arbeit verschiebt sich die Perspektive, tun sich immer neue Bilder auf. «Der Betrachter soll sich bewegen, das ist mir wichtig», sagt Oderbolz. «Nur so kann man sich auf das Werk einlassen, die Arbeit und den Raum wahrnehmen. Es ist ein Angebot, um eine Erfahrung zu machen.»

Die Struktur, die Oderbolz mit den Armierungseisen geformt hat, orientiert sich an Architekturen, die wir aus grossen Städten kennen. Unpersönliche Blocks, einst als Vision entworfen, heute idealer Nährgrund für Ghettoisierung. Oderbolz hat sich in letzter Zeit viel mit der Architektur der Postmoderne auseinandergesetzt: «Mir gefällt die positive Aufbruchstimmung, die sich darin findet, der Wille, etwas verändern zu wollen – auch wenn die Ideen oftmals dann gescheitert sind.»

Poetische Zelte

Auch die zweite Arbeit im Kunsthaus Baselland steht exemplarisch für diese Haltung. Sie geht aus von einem Zitat des Architekten Bernard Rudofsky, der den Beginn von Architektur in einer kleinen Geste findet: In der gefalteten Zeitung, die sich ein Mann zum Schutz vor der Sonne über den Kopf zieht. Dutzende Zeitungen bilden auf dem Kunsthausboden nun kleine Zelte, kleine private Räume. «Das hat etwas Poetisches, finde ich: Dass man aus einer Fläche mit nur einem Falt einen Raum schaffen kann», sagt Oderbolz.




Der Mensch und sein Raum, aufs Wesentliche reduziert. (Bild: Gina Folly)

Zwischen den Zeitungen liegen Wassermelonen. Köpfe. «Das mit den Wassermelonen war eine spontane Idee», erklärt Oderbolz. «Ich war in London und suchte etwas in der Grösse eines Kopfes – doch da war nur mein Kopf, und den konnte ich nicht verwenden. Und dann fand ich die Wassermelonen.» Und dabei blieb es, die grün-gelben Früchte bilden nun den organischen Kontrapunkt zu der von menschlicher Hand geschaffenen Architektur. Und sie zeigen etwas, was in Oderbolz‘ Schaffen auch keinesfalls fehlen darf: eine Prise spielerischen Witz.

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Edit Oderbolz, Kunsthaus Baselland, 31. August bis 6. November; Vernissage am Dienstag, 30. August, 18 Uhr.

Im Oktober erscheint bei argobooks eine Monografie zu den Arbeiten von Edit Oderbolz, herausgegegben vom Kunsthaus Baselland und dem Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft.

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