Meyer meldet sich zurück

«Die Aussteller» sind wieder da: Nach vier Jahren Pause zeigt der Galerist Martin Meyer in der Ausstellung «Auf Augenhöhe» erneut Künstler neben Schaffenden der Kreativwerkstatt Basel. Heute Abend ist Vernissage.

Zufriedener «Aussteller»: Martin Meyer in den ehemaligen Werkstätten des Hochbauamts an der Maiengasse 7. (Bild: Alexander Preobrajenski)

«Die Aussteller» sind wieder da: Nach vier Jahren Pause zeigt der Galerist Martin Meyer in der Ausstellung «Auf Augenhöhe» erneut Künstler neben Schaffenden der Kreativwerkstatt Basel. Heute Abend ist Vernissage.

Auf den ersten Blick sieht es in der Maiengasse 7 aus wie in einem gewöhnlichen Basler Hinterhof: Ein paar alte Velos, Holzplatten und allerhand Gerümpel liegen herum. Doch hinter den unauffälligen Wänden der ehemaligen Hochbauamt-Werkstätten tut sich zurzeit einiges.

Im vorderen Gebäude waren bis Donnerstag die Offspace-Nomaden von Deuxpiece mit einer sehenswerten Ausstellung zu Gast. Und pünktlich nach deren Finissage kommt bereits der nächste Zwischennutzer – und die nächste Generation. «Jetzt lösen wir die Jungen ab», sagt Martin Meyer schmunzelnd. Der sympathische ältere Herr steht im Schopf schräg vis-à-vis im ersten Stock und schaut sich zufrieden die Ausstellung an, die er in Eigenregie nach vier Jahren Pause auf die Beine gestellt hat.

Keine Galerie, dafür Ausstellungen

Meyer gehört in Basel sozusagen zu den alten Hasen im Ausstellungsbetrieb. Seit 1999 organisierte er regelmässig mit seinem ehemaligen Pfadifreund und damaligen Geschäftspartner, dem Architekten Rolf Voellmin, Ausstellungen am Heuberg und später in der St. Alban-Vorstadt. Das Projekt nannte sich «Die Aussteller» – ein Name, den die kunstinteressierten Männer entsprechend ihrem Selbstverständnis gewählt hatten. «Ganz zu Beginn hatten wir fast kein Netzwerk, wir kannten nur wenige Leute in der Szene. Also haben wir uns gesagt: Wir können keine Galerie sein, aber ausstellen, das können wir.»

Und genau das taten sie auch. Meyer und Voellmin schauten sich um, fragten Künstler an, die ihnen gefielen, und führten Ausstellungen durch.

Sie hatten Erfolg. Nach einer Weile ergänzten sie «Die Aussteller» mit der Bezeichnung «Galerie». Eine zentrale Qualität ihrer Werkschauen war stets die Einbindung von Künstlern aus der Kreativwerkstatt des Bürgerspitals Basel. Seit den Anfängen integrierten Meyer und Voellmin Behinderte in ihre Liste von Künstlern. 

Angenehme Zusammenarbeit mit der Kreativwerkstatt

Eine grosse Herausforderung? «Die Zusammenarbeit war immer sehr angenehm, obwohl man natürlich gewisse Faktoren berücksichtigen muss, die bei nichtbehinderten Künstlern kein Problem sind», meint Meyer. Zum Beispiel müsse man immer mehrere Künstler ausstellen, sonst sei der Missmut untereinander zu gross. 

Nach ein paar Jahren trennten sich die beiden Freunde, und Meyer machte alleine weiter. 2010 beschloss er dann auch, mit dem Ausstellen aufzuhören: «Es war dann einfach mal genug.» Den Kontakt zu den Künstler aber behielt er, viele waren mit der Zeit auch Freunde geworden. So war es auch ein befreundeter Künstler, der ihn vor einiger Zeit wieder überzeugte, doch noch einmal eine Ausstellung ins Leben zu rufen.




(Bild: Alexander Preobrajenski)

Ausstellen in einer Zwischennutzung – angenehm unbürokratisch

Also fragte Meyer herum, entschied sich für 15 der 60 Künstler, die im Laufe der Jahre bei den Ausstellern vertreten waren, und bekam durch den Verein «Unterdessen» die Liegenschaft in der Maiengasse 7 zugespielt. «Ein Glücksfall», freut er sich, «alles hat wunderbar unbürokratisch geklappt.» 

Die Freude von Meyer überträgt sich auch auf die letzten Tage vor der Ausstellung. Die Atmosphäre ist freundlich entspannt, ein paar Künstler legen letzte Hand an, Meyer läuft herum und steht mit Rat und Tat zur Seite.

Im hinteren Teil des Raumes sind die Bilder der Kreativwerkstatt ausgestellt. Vielerorts wird diese Art von Kunst als  «Behindertenkunst» bezeichnet – ein Ausdruck, der Meyer missfällt. «Ich will keinen Unterschied machen. Wie der französische Maler Jean Dubuffet einst sagte: Es gibt ja auch keine Kunst der Magenkranken.» Die Bezeichnung sei unangebracht, schliesslich gehe es in erster Linie um die Bilder.

Einblick in wundersame Gedankenwelten

Und die sind, wie der Titel der Ausstellung bereits vorwegnimmt, auf einer Augenhöhe mit dem Rest der ausgestellten Werke. Die abstrakten Landkarten Markus Buchsers, die wuchtigen, fast basquiat-esken Malereien des verstorbenen Bruno Hofers oder die grossformatigen Bilder Sebastian Kaesers sind von beeindruckender Intensität und lassen in wundersame Gedankenwelten blicken.

Auch die Bilder der nichtbehinderten Künstler sind von bemerkenswerter Eindringlichkeit und grosser Vielfalt. Die angelegten kabinenartigen Ausstellungsabschnitte zeigen unter anderem Urban Saxer mit Bildern aus seiner neuen «Selfies»-Serie. Die Bilder des Aarauers bestechen durch reduzierte Darstellungen von Kleidern an Kleiderbügeln. Es ist sein Kommentar zur allgegenwärtigen Selbstinszenierungswelle, die die Welt seit Facebook & Co. heimsucht.

Transparenz in dicken Schichten

Eine andere Art von Inszenierung wählt der Basler Eric Marchal, dessen Aufmerksamkeit spiegelnden Oberflächen und transparenten Materialien gilt. Seit einiger Zeit malt er nur noch Gläser ab, in dicken Schichten ist ihr Abbild aufs Papier aufgetragen. Auch hier findet eine Einsicht in eine andere Welt statt: Marchal wohnt seit einiger Zeit im Blindenheim.

Die Welt von Suzanne Daetwyler ist weniger transparent. «Es herrscht Chaos – und Chaos ist die Regel. Ich male die Ausnahme.» Daetwyler steht im Ausstellungsraum und bespricht mit Martin Meyer die Hängung der Bilder. Ihre sorgfältig arrangierten geometrischen Farbflächen zeigen Zahlenharmonien und magische Quadrate. Sie bringen Ordnung – in die Welt und auf die Leinwand.

Gegenüber von Daetwyler ist «der jüngste Trübel im Bunde!», wie Meyer ruft: Michel Kapelli, vertreten mit einer Auswahl an Werken, allen voran grossformatige Fotogramme, die die Schwingung von Unterwassertönen und die Bewegung von Wasser visualisieren. Die eindrücklichen Bilder wurden sogar bereits vom «Institute of Science in Society» in London als Veranschaulichungsmaterial für Studien zu Wasserstatik genutzt:

Weitere Arbeiten sind poetische Tonskulpturen von Zsuzsa Füzesi Heierli, Siebdrucke der St. Gallerin Verena Jeck-Zweifel, Werke der Brüder Leo und Hans Remond, Erich Münchs Ornamente und Metamorphosen und Arbeiten von Lyriker und Maler Werner Lutz.

Junge Künstler sucht man in der Ausstellung allerdings vergebens. Gibts ein Generationenproblem?

Martin Meyer lacht: «Nein. Es sind halt nur Künstler dabei, die ich schon einmal ausgestellt habe.» Ein Generationenproblem gäbe es höchstens beim Internetauftritt der älteren Künstler. «Viele haben keine Webseite», sagt Meyer. «Das ist schade, denn heute gehen die Leute eher erstmal ins Internet anstatt an die Ausstellung.» Er selber habe eine, Urban Saxer hat sie für ihn eingerichtet. 

Generationenfrage hin oder her – für ihn, so Meyer, sei diese Ausstellung ein Geschenk: «Sogar ein Riesengeschenk. Und am Freitag wird es ausgepackt. Genau so können Sie es in die Zeitung schreiben.»

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«Auf Augenhöhe» – eine Ausstellung von «Die Aussteller», Maiengasse 7, 29. August bis 20. September (mit Konzertprogramm). Vernissage: Freitag, 29. August, 18 Uhr,

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