Miet Warlop: «Meine Arbeit ist ein Magen»

Am Theaterfestival 2014 hat Miet Warlop die Bühne in bunte Farben getaucht und vor allem in Stücke zerlegt. Mit ihrer neuen Arbeit «Dragging the Bone» macht sie das gleiche solo und in Schwarzweiss. Was ist da los? Wir haben sie getroffen.

(Bild: © Miet Warlop)

Am Theaterfestival 2014 hat Miet Warlop die Bühne in bunte Farben getaucht und vor allem in Stücke zerlegt. Mit ihrer neuen Arbeit «Dragging the Bone» macht sie das gleiche solo und in Schwarzweiss. Was ist da los? Wir haben sie getroffen.

Mit Miet Warlop kann man Pferde stehlen. Zu unserem Treffen in der Kabar kommt sie zu spät, dafür hat sie den ganzen Abend Zeit. Nach dem zweiten Drink flachst sie: «Nur weil ich heute Abend nichts zu tun habe, sitze ich immer noch hier.» Zur Strafe dafür muss sie die zweite Runde zahlen, was sie auch tut.

Das Gute ist: Miet Warlop kann man alles fragen. Warum bei ihrer letzten Arbeit, «Mystery Magnet», alles farbig war und bei der jetzigen, «Dragging the Bone», alles Schwarzweiss. Oder warum sie so gerne Gegenstände auf der Bühne zerkloppt (sie hat eigens ein mobiles Atelier dabei, um nach jeder Aufführung die zerhauenen Gipsfiguren wieder nachzubauen). Miet Warlop könnte auch sagen: Schauen Sie das Stück und denken Sie sich was! So, wie der Autor Peter Handke auf die Frage, was er mit seinen Büchern zu sagen habe, als Antwort gab: «Ich habe nichts zu sagen, ich habe was zu schreiben.»

Findet sie Quatsch, sagt Miet Warlop, darauf angesprochen, solche Leute sollen nicht so tun. Jeder Künstler mache sich Gedanken über seine Arbeit, also könne man auch darüber reden. Bei ihr sei es umgekehrt, sagt sie, sie habe manchmal Furcht, die Leute mit ihren Überlegungen zu überhäufen.

Message zum Mitschreiben

Auch mit dem Wort «message» hat sie kein Problem. Was sie dazu sagt, geht erst einmal im Gespräch unter, aber später sagt sie einen Satz, den sie wahrscheinlich schon oft gesagt hat, aber er beschreibe nun mal, was sie mache. «Schreiben Sie das auf», befiehlt sie, der Schreiber macht das dann natürlich auch und der Satz geht so: «Es gibt immer einen Weg, die Dinge leicht zu sagen.»

Ob das auch für den Alltag gilt? Also zum Beispiel, wenn man jemanden gerne mag, aber nicht so gern, dass man mit dem Menschen auf seine Anfrage hin ein Bier trinken will? «Klar», sagt Miet Warlop, «dann sagt man: Weisst du, ich mag Tiger! Aber ich will nicht in ihre Nähe kommen. Man sieht sich, Tiger!»

Aber im Ernst. In ihren Arbeiten kommt Chaos vor, Gewalt, Zerstörung, Figuren, die sich verlieren. Und trotzdem lacht das Publikum die ganze Zeit. Weil es bunt ist, was man sieht, poppig, absurd. Humor ist für Miet Warlop die wichtigste Kulturleistung, als Technik, die Dinge in den Griff zu kriegen («to handle things»).

Die 37-jährige Belgierin hat zunächt in Gent Visual Arts studiert. Ihre Diplomarbeit hat Aufsehen erregt und wurde ausgezeichnet. Seit einiger Zeit ist sie mit ihren Stücken und Aktionen quer durch Europa unterwegs, in Basel war 2014 «Mystery Magnet» zu sehen (wir haben berichtet).

Als wir über ihr Alter reden, sagt Miet Warlop etwas, was dazu passt, dass sie in und nach dem Studium so durchgestartet ist. «Ich hatte nie die Phase, in der ich dachte, die Welt wartet auf mich und ich zeige ihr jetzt, wie es geht.» Gymnasiastenarroganz in den Jahren um die Zwanzig ging ihr ab, sie war immer eine Unsichere und eine Fragende. Ging zu erfahrenen Leuten und wollte wissen, wie man die Dinge macht.

Deshalb ist sie auch nicht in der Pose gelandet, scheinbar war sie immer eine Macherin. Aufschlussreich ist dazu die Anekdote, die sie aus Berlin erzählt. Hier hat sie in drei relativ zurückgezogenen Jahren die Performance «Mystery Magnet» vorbereitet. «In Berlin», sagt sie, «ist jeder ein Künstler, aber kaum jemand am Arbeiten.»

Proben? Zu aufwendig

Ihre neue Performance beginnt dort, wo die alte aufhört. Wo eine Gruppe war, ist sie nun allein auf der Bühne, das Farbige ist schwarzweiss geworden. Ein Ende zu finden sei nicht ihre Stärke, sagt sie, es gehe immer irgendwie weiter. Vor Kurzem sei ihr auch klar geworden: Aus den beiden zusammenhängenden Stücken werde eine Trilogie werden. Eines werden sie wohl alle gemeinsam haben: «Clear beginning, wasted ending.» Denn auch wenn ihre letzten beiden Stücke nur ein provisorisches Ende haben: Die Bühne ist jeweils verwüstet. Proben tut Miet Warlop deswegen kaum, zu aufwendig.

Auf die Frage, warum sie so gerne zerstört, reagiert Miet Warlop jedoch irritiert. Sie zerstöre doch gar nicht so viel! Beziehungsweise, sagt sie, sei Zerstörung für sie keine Vernichtung, sondern eine Umwandlung in etwas anderes. Bewegung: immer wichtig. In dem Hotelzimmer, das sie in Basel zur Zeit bewohnt, hat sie übrigens als erstes alle Möbel umgestellt. Zu Aneignungszwecken. Man muss die Dinge an die Hand nehmen, sie sich zurechtlegen. Oder, wie Miet Warlop über ihre Arbeit sagt: «Meine Performances sind das Ergebnis von zweijährigen Verdauungen von Eindrücken. Meine Arbeit ist eigentlich ein Magen.»

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«Dragging the Bone»: 26. bis 28. März, jeweils 20 Uhr, Kaserne Basel, Klybeckstrasse 1b.

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