Eine Konstante im Ausstellungsprogramm der Fondation Beyeler ist die Gegenüberstellung der Werke von zwei Künstlern mit dem Ziel, einen Strang der Gemeinsamkeit herauszukristallisieren. Das funktionierte zum Beispiel bei Calder und Miró sowie bei Brancusi und Serra ganz gut.
Jetzt steht ein Pas de deux zweier Künstler an, die man auf den ersten Blick niemals in dieselbe Schublade stecken würde: den Schweizer Alberto Giacometti (1901–1966), ein Bildhauer, der auch malte, und den Iren Francis Bacon (1909–1992), ein Maler, der nur malte.
Auf der einen Seite steht das einzigartige Werk Giacomettis mit seinen dürr-durchfurchten und in die Länge gezogenen Figuren, die vornehmlich in Grautönen gehalten sind. Auf der anderen Seite die speckigen und überaus farbintensiven Malereien Bacons, der die abgebildeten Körper und Gesichter zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Hier die Figuren Giacomettis, die allesamt in einer inneren Ruhe erstarrt zu sein scheinen, dort die bewegten expressiven Darstellungen schreiender und sich windender Menschen, wie sie Bacon geschaffen hat.
Wo, fragt man sich also, findet sich eine Verwandtschaft? Die Ausstellungsmacher der Fondation Beyeler verkünden: «So unterschiedlich ihr Schaffen auf den ersten Blick erscheint, werden durch diese überraschende Gegenüberstellung erstaunliche Gemeinsamkeiten offenbar.»
Gemeinsamkeit mit grossem Unterschied
Diese zeigen sich tatsächlich – zumindest zu Beginn des Ausstellungsrundgangs: So zeigt Bacons Werk «Marching Figures» von 1952 eine Gruppe dürrer stilisierter Figuren, die durch einen Stahlrahmen marschieren, auf dem ein Eisbär thront. Dieses Bild könnte durchaus von Giacomettis Figurenwelt beeinflusst sein. Ihm gegenüber steht unter anderem Giacomettis Gruppe «Trois hommes qui marchent» (1948).
Bei dieser Gegenüberstellung offenbart sich aber ein grosser Unterschied: Während Bacons Figuren alle uniform in dieselbe Richtung marschieren, gehen die drei bei Giacometti in unterschiedliche Richtungen aneinander vorbei.
Gemeinsamkeiten finden dafür in der Person der Malerin Isabel Rawsthorne. Sie diente beiden Künstlern als Muse und wurde von beiden porträtiert. Freilich auf höchst unterschiedliche Art: Schuf Giacometti eine kleine Gipsbüste (1937–39), die trotz der zerfurchten Oberfläche als realistisches Abbild verstanden werden kann, deformierte Bacon 1967 die Gesichtszüge der Porträtierten ins Groteske.
Das Erstaunliche an dieser Gegenüberstellung: Die Porträtierte wirkt auf Bacons Bild jünger als in der Arbeit Giacomettis, obwohl Letzterer seine Büste 30 Jahre früher geschaffen hat.
Beide hatten eine Sauordnung
Weiter Gemeinsamkeiten: Beide Künstler arbeiteten in Ateliers, in denen eine chaotische Unordnung herrschte – eine faszinierende Videoinstallation erlaubt Einblicke in die Ateliers. Beide blieben (mehr oder weniger) beim figurativen Schaffen, beiden kann eine Nähe zum Surrealismus nachgesagt werden.
Und sie haben sich persönlich kennengelernt. Eine riesige Fotografie im Foyer der Fondation zeugt von einer dieser Begegnungen. Doch wie sich die beiden Künstler darauf präsentieren, erzählt wiederum von einer spürbaren Distanz: Sie kommen sich nicht zu nahe und aus ihren Blicken lässt sich nicht zwingend Freundschaft oder kollegiale Nähe herauslesen.
Dass die Fondation hier trotzdem von «Freunden und Rivalen gleichermassen» spricht, scheint etwas arg weit hergeholt. Giacomettis Künstlerfreunde hiessen Picasso, Matisse und André Breton. Bacon war unter anderem mit Lucian Freud befreundet. Dass sich zwei zu Lebzeiten hochgehandelte Künstler in den 1960er-Jahren irgendwann irgendwo über den Weg laufen, ist nicht aussergewöhnlich.
Und so wirken die Gemeinsamkeiten gesuchter, je länger der Ausstellungsrundgang dauert. Bacons Figuren lösen sich mit der Zeit immer mehr auf, als wären sie in ein Säurebad geworfen worden. Giacomettis Figuren verändern sich mit der Zeit nicht gross, der Mensch bleibt Mensch und bei den Porträts sind die individuellen Merkmale stets sichtbar.
Mission misslungen, könnte man den Ausstellungsmachern nun nachrufen, die sich bis zum Schluss redlich Mühe geben, doch noch Gemeinsamkeiten zu deklarieren. Dabei verhehlen sie aber auch das Konträre im Schaffen der beiden nicht. Und hier liegt denn schliesslich auch der Reiz der Ausstellung: Zu entdecken ist, wie zwei herausragende, figurativ tätige Künstler im 20. Jahrhundert so unterschiedliche Wege eingeschlagen haben.
Und ganz banal lässt sich feststellen: Die Fondation Beyeler hat es geschafft, wichtige Schlüsselwerke von Bacon und Giacometti zu vereinigen, die zu sehen sich absolut lohnt. Man muss nicht unbedingt Gemeinsamkeiten suchen, um diese Ausstellung geniessen zu können.
Fondation Beyeler: «Bacon – Giacometti». Bis 2. September 2018