Die Fondation Beyeler kündigt pünktlich zur Art Basel eine Ausstellung mit Werken des grossen Provokateurs Maurizio Cattelan an. Zu sehen sind jetzt aber lediglich fünf Pferde, die mit dem Kopf durch die Wand wollen.
Wer sich als Ausstellungsmacher auf Maurizio Cattelan einlässt, weiss nie so richtig, was ihm letztlich blüht. Der 1960 in Padua geborene Künstler hat sich einen Namen gemacht als Regelbrecher, Provokateur, aber auch Spieler mit Wahrnehmungen, intelligenter Kunstclown und Generator mit überraschenden und oftmals auch verwirrenden Ideen.
So provozierte er 1993, als er seine Ausstellungsfläche an der Biennale in Venedig an eine PR-Firma vermietete, die dort für ein kommerzielles Produkt warb. Im Jahr 2000 überraschte er das Publikum im Zürcher Migros Museum für Gegenwartskunst mit leergeräumten Hallen. Als wahrnehmbares Kunstwerk war lediglich eine kleine Wachsfigur im Beuys’schen Filzanzug und mit Cattelans Gesichtszügen zu entdecken, die hilflos an der Garderobe hing. Und ein anderes Mal liess er die Türe einer Galerie, in der eine Cattelan-Ausstellung angekündigt war, gar zumauern.
Fünf Pferde mit dem Kopf in der Wand
Ganz so radikal verweigert er sich anlässlich der aktuellen Ausstellung in der Fondation Beyeler nicht. Dort sind tatsächlich Werke von ihm in einem gängigen musealen Rahmen zu sehen. Doch genau genommen ist es nur ein Werk, die Plastik «Untitled» aus dem Jahr 2007: Ein präpariertes braunes Pferd, das mit dem Kopf hoch oben in der Museumswand steckt und dessen muskulöser Körper hilflos und jämmerlich herunter hängt. Es scheint so, als ob das Pferd ungestüm in die Wand gesprungen und dort hängen geblieben sei.
Jetzt kann man, wenn man die Ausstellung besucht hat oder das Bild dieses Artikels betrachtet, einwenden, dass es sich ja um fünf Pferde handelt. Das stimmt. Und doch handelt es sich um ein einziges Werk, das Cattelan als Edition in fünf Ausführungen hat präparieren lassen (selber legt er ja offenbar die Hand kaum je an). Drei Exemplare befinden sich im Besitz von verschiedenen internationalen Privatsammlungen, zwei sind Ausstellungskopien.
Bruch mit der Regel
Damit bricht Cattelan einmal mehr mit einer Regel im Kunstbetrieb, nämlich dass Ausstellungskopien und «Originale» eigentlich niemals zur selben Zeit am selben Ort gezeigt werden. Dies, weil damit die Aura des Originals beeinträchtigt wird. Maurizio Cattelan wäre aber nicht er selbst, wenn er sich an diese Regel halten würde. Das wissen natürlich auch die Besitzer seiner Originale. Und tatsächlich vereinigen sich die fünf Kopien eines alten Werks in der Fondation Beyeler nun zu einer neuen Werkgruppe auf Zeit. Dabei ist aber schwierig zu sagen, ob nun ein einzelnes Pferd mit dem Kopf in der Wand einen nachhaltigeren Eidruck hinterlässt als gleich deren fünf, sauber nebeneinander aufgereiht.
Auch Fondation-Direktor Sam Keller schien diese Frage während der Medienkonferenz nicht wirklich beantworten zu können. Über Funkmikrofon und -kopfhörer mit den zahlreich anwesenden Medienvertretern verbunden, sagte er nur: «Es ist ihre Aufgabe, sich Gedanken darüber zu machen». Einer, der sich sehr viele Gedanken darüber gemacht hat, ist Francesco Bonami, ein langjähriger Weggefährte Cattelans und nach eigenen Angaben der «arme Kurator» der Ausstellung. Für das Saalblatt hat er einen langen Text über die Stellung des Pferdes in der Kunst- und Literaturgeschichte und speziell in Cattelans Schaffen verfasst. Dieser Text bewahrt einen aber nicht davor, sich seine eigenen Gedanken zu machen.
Eine zurückhaltende Renaissance
Vor zwei Jahren hat sich Maurizio Cattelan mit einer gross angelegten Retrospektive mit dem Titel «All» im New Yorker Guggenheim-Museum vom Kunstbetrieb verabschiedet. Natürlich glaubte ihm das niemand so richtig. Aber es muss sich um eine ausgesprochen spektakuläre Abschiedsausstellung gehandelt haben mit 130 seiner Werke, die allesamt wie ein riesiges Mobile von der Decke des Museums hingen. Darunter Cattelans bekanntesten Arbeiten, wie etwa der Papst, der von einem Meteoriten zu Boden geworfen wurde (1999 erstmals in der Kunsthalle Basel zu sehen) oder die nicht weniger bekannte betende Hitlerfigur.
Dass Cattelan nun in der Fondation Beyeler so etwas wie seinen Wiedereinstieg oder gar eine Renaissance feiern sollte, schürte die Erwartungen natürlich. «Sein Projekt in der Fondation Beyeler, das vom 8. Juni bis 6. Oktober 2013 zu sehen ist, wird nicht zuletzt deshalb mit grosser Spannung erwartet», schrieb das Museum in einer Vorankündigung, in der kein konkretes Wort über den Inhalt der Ausstellung zu lesen war. Das Resultat enttäuscht aber ein bisschen. Gewiss, die fünf kopflosen Pferde geben ein eindrückliches Bild ab, regen tatsächlich dazu an, sich eigene Gedanken zu machen. Aber besonders provokativ und überraschend ist dieser Auftritt nicht. Er wäre es vielleicht gewesen, wenn die Fondation wie einst das Migros Museum sonst leergeräumt worden wäre. Aber soweit wollte offenbar der Künstler, wollte die Fondation nicht gehen.
- Maurizio Cattelan: bis 6. Oktober 2013 in der Fondation Beyeler