Mit «Dr. Strange» erreicht Marvel den Olymp

Wird endlich mal eine Marvel-Comicverfilmung floppen? Gut möglich. «Dr. Strange» sollte aber (und wird) nicht dieser Film sein. Dafür sind Besetzung und Special Effects zu gut.

Benedict Cumberbatch in einer Paraderolle: Dr. Strange ist ihm wie auf den Leib geschneidert.

(Bild: ©Disney)

Wird endlich mal eine Marvel-Comicverfilmung floppen? Gut möglich. «Dr. Strange» sollte aber (und wird) nicht dieser Film sein. Dafür sind Besetzung und Special Effects zu gut.

Was kommt dabei heraus, wenn Sherlock Holmes die rote Pille aus «Matrix» schluckt?

Dr. Strange. Zumindest in der Verfilmung von Scott Derrickson (bitte, wer?), die derzeit unsere Kinos erreicht.

Darin glänzt Benedict Cumberbatch als titelgebender Held Dr. Stephen Strange, egozentrischer Neurochirurg und mächtigster Zauberer im Marvel-Universum. Doch «Sherlock» klebt am britischen Schauspieler, trotz ausgezeichneter Rollenwahl, die ihn weit weg von der Bakerstreet gebracht hat – auf fremde Sterne in «Star Trek: Into Darkness» oder in die Haut eines Drachen für den «Hobbit».

Das Wissenschaftlich-Analytische, das Holmes wie Strange verinnerlicht haben, scheint Cumberbatch in die Gesichtszüge eingraviert, und auch die Holmes’sche Arroganz findet sich bei Dr. Strange wieder. Während aber Sherlock sich zur Lösung des Falles auf reale Drogen-Trips begibt, findet Stephen Strange nach einer Lebens- und Sinnkrise das Rezept zur Heilung in mystischen Universen – die allerdings einem LSD-Trip nicht unähnlich sind.

Auf die Reise dorthin wird Dr. Strange von der Einsiedlerin The Ancient One geschickt – einer jugendlichen, wenn auch kahlköpfigen Erscheinung, die nicht besser besetzt hätte werden können als mit Tilda Swinton. Fragil, kraftvoll und gewohnt androgyn spielt sie ein altersloses Wesen, das nicht von dieser Welt zu stammen scheint.




The Ancient One (Tilda Swinton) gibt dem Astralkörper von Dr. Strange einen Schubs. (Bild: ©Disney)

Um die Top-Besetzung komplett zu machen, schwingt Mads Mikkelsen als Kaecilius – ehemaliger Schüler der Ancient One, der sich zum Bösen gewandt hat – das Zauberschwert. Und dann noch Rachel McAdams und Chiwetel Eijofor, was wollen Männlein und Weiblein mehr …

Mit diesem Cast hat uns Marvel eigentlich schon im Kinosaal. Wer da noch denkt, nun ja, jeder Schauspieler erlaubt sich mal einen Fehltritt, dem sei gesagt: Sorry, dieser ist es nicht.

Go 3D!

«Dr. Strange» mag ein paar dramaturgische Schwächen aufweisen (das Ende scheint doch etwas zu simpel) und die Story nicht preisverdächtig sein. Dafür lohnt sich für einmal das Aufsetzen der 3D-Brille: Wenn The Ancient One oder Kaecilius die Erde aus den Fugen bringen, wird der Kinosessel zum Wagen auf der Achterbahn. Und wer auch immer für die Kampf- und Actionszenen verantwortlich war, er hat bei der «Matrix» gelernt und deren Tricks nach 2016 transportiert.




Wo ist oben, wo ist unten? Zauberer können die Welt nach ihrem Gusto formen (Hallo «Matrix»!). (Bild: ©Disney)

Was sagt uns all das nun? Ist Marvel dort angelangt, wo alle Filmstudios hinwollen – auf dem Olymp? Sind Comicverfilmungen so trendy geworden, dass das Mitspielen keineswegs mehr als Tolggen im CV angesehen wird? Und können die Marvel Studios gar nicht mehr anders als blockbustern?

Marvel singt Halleluja

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet das Unternehmen daran, seine Marke zu stärken. Und immer wieder denkt man, nun ist aber Schluss, mehr Helden verträgt dieser Comic-Himmel nicht mehr, Thor hat seinen Hammer oft genug geschwungen und Captain America wird jetzt wirklich zu langweilig. Dann aber kamen der zappelige Ant-Man und der splatterige Deadpool, und nun kommt der strange Dr. Strange. Das Universum wird merkwürdiger, es wird grösser, es wird stärker. Und mit ihm die Namen, die sich darin engagieren.

Für «Iron Man» setzte Marvel ganz zu Beginn der Erfolgsstory noch auf einen ehemaligen Star, der damals gerade sehr tief unten war: Robert Downey Jr. «Thor» besetzte man kurz darauf mit einem Schauspieler, den kein Schwein kannte: Chris Hemsworth. Und für Captain America ging man dann gar so weit, mit Chris Evans einen Schauspieler zu casten, der bereits in der Rolle eines anderen Marvel-Helden in der ersten, grausam gefloppten «Fantastic Four»-Reihe mitgespielt hatte – und dort offensichtlich keinem aufgefallen war.

Sie alle gelangten mit den Marvel-Filmen zu Weltruhm (wieder, im Falle von Downey Jr.). Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden: Die Stars stehen Schlange, um in einer Comicverfilmung einen Helden oder Bösewicht verkörpern zu können. Sie machen Marvel noch berühmter, als die Franchise eh schon ist.

Für die Marvel Studios heisst das: Halleluja, unser Konzept ist aufgegangen!

Und für die Kritiker und Kinobesucher: Das wird nicht der letzte Marvel-Film gewesen sein. Noch lange nicht. (Was das angeht, ein kleiner Tipp: bleiben Sie bis nach dem Abspann im Sessel sitzen!)

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«Dr. Strange» läuft ab Donnerstag, 27. Oktober, in den Basler Kinos.

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