«Mit meinen Stoffpuppen kann man auch kuscheln»

Einst war Yana Ryabenkaya Flugzeug-Ingenieurin. Heute hebt sie mit ihren Puppen ab. Ihre Yana Ray Dolls sind nicht für Kinder, sondern die neuste Mode für Erwachsene.

Yana Ryabenkaya

Einst war Yana Ryabenkaya Flugzeug-Ingenieurin. Heute hebt sie mit ihren Puppen ab. Ihre Yana Ray Dolls sind nicht für Kinder, sondern die neuste Mode für Erwachsene.

Mit dem Klischee einer Puppenmutter hat Yana Ryabenkaya wenig gemein. Elegant gekleidet empfängt die Designerin der Yana Ray Dolls Besucher in ihrem Schneideratelier. Statt Schubladen voller Strampler und Strickjäckchen hängen hier edle Abendkleider und Strapse in Miniature an den Stangen. «Ein Puppe kann auch mal sexy Wäsche tragen», kommentiert Ryabenkaya, «je nach Wunsch der Kunden.»

Sie erkennt darin nichts Anstössiges, auch nicht bei den Puppen in Lebensgrösse. «Ich glaube nicht, dass jemand meine Kreationen mit Gummipuppen verwechselt.» Die Vorstellung solcher Phantasien amüsiert sie mehr, genauso wie der Gedanke an einen Missbrauch ihrer Puppen als Voodoo Dolls. Ihre Kreationen sind für Erwachsene gedacht und dürfen durchaus provozieren oder irritieren.

Während der Art liess Ryabenkaya eine ihrer lebensgrossen Puppen per Rikscha durch Basel kutschieren, trank mit ihr bei Zwischenhalten auf belebten Plätzen Prosecco und dokumentierte die verstörten Reaktionen den Passanten. «Ich würde gerne weiter Richtung Kunst experimentieren», so Ryabenkaya. Ideen dazu hat sie, Interesse von Galerien war auch schon da.

Ein kleines Alter Ego

Beim Puppenmuseum stiess sie mit ihren Kreationen bisher jedoch auf keine Reaktion: «Meine Briefe wurden nicht beantwortet.» Trotzdem sieht man ihre Puppen in immer mehr Städten und auch in Basel zieren sie die Schaufenster, sei es bei Taktil an der Feldbergstrasse oder aktuell bei Ramstein Optik.

Die grossköpfigen Puppen mit Garnfrisur sind ein Blickfang. Die Dolls sind Dekor und stilvoller Ersatz für gewöhnliche Kleiderpuppen aus Plastik. «Je nach Wunsch liefere ich nur den Kopf, mit Büste oder einen kompletten Körper.»

Für ihre kleinen Custom Puppen, die sie auf Wunsch individuell anfertigt, geht sie noch mehr ins Detail. Denn viele Kundinnen wünschen ein kleines Alter Ego. «Da gleiche ich nicht nur den Kleiderstil an. Die Puppen bekommen sogar Tattoos oder Piercings.»



Yana Ryabenkaya

Die Yana Ray Dolls sind keine Frauensache: «Immer mehr Männer wollen eine Puppe.»

Auf dem Laptop zeigt Ryabenkaya die Fülle ihrer Puppenvariationen: Ehepaare im Hochzeitsdress, Bodybuilderin mit Bizeps und Sixpack oder Burschen mit Stoppelbart. «Immer mehr Männer wollen eine Puppe», so Ryabenkaya.

Auch sie selbst hat ihre persönliche Puppe. Sie heisst Coco und begleitet Ryabenkaya, wenn sie unterwegs ist – die inszenierten Abenteuer kann man auf Instagram nachverfolgen. Viele Kundinnen und Kunden tun es ihr gleich. «So habe ich nun ganz viele Kinder verteilt auf der Welt», freut sich Ryabenkaya – also doch eine Puppenmutter.

Natürlich hatte sie schon als Kind ihre Puppe, «aber eine aus Plastik.» Eine grosse emotionale Bindung hatte sie dazu nicht. Dafür wurde ihr die Freude am Schneidern in die Wiege gelegt; die Mutter war Näherin, die Wohnung voll mit Stoffen und Schnittmustern. «Ich blätterte immer in den Burda Katalogen, verstand aber noch kein Deutsch.»

Die Russin versteht Baseldeutsch. Wechselt ein Gesprächspartner auf Hochdeutsch, beleidigt sie das ein wenig.

Aufgewachsen ist Ryabenkaya in Ulyanousk, zwölf Zugstunden süd-östlich von Moskau. Die Stadt wird von der Wolga zweigeteilt. Der Vergleich mit Basel und seinem Rhein bringt sie zum Lachen: «Die Wolga wird bis zu zehn Kilometer breit und auch die Stadt ist einiges grösser.»

Trotzdem wollte sie nichts wie weg. «Russland war in der Krise. Es war nicht lustig.» Mit ihrer Ausbildung als Flugzeug-Ingenieurin fand sie keinen Job und half ihrem Vater beim Verkauf von Lederaccessoires. Da reifte der Traum, selber etwas mit Mode zu machen.

2004 kam sie deshalb nach Basel. Hier stellte sie ihr Leben nochmals komplett um, brachte sich selbst Deutsch bei – wie sie stolz erzählt. «Auch Baseldeutsch verstehe ich ohne Probleme.» Wechselt ein Gesprächspartner auf Hochdeutsch, beleidigt sie das ein wenig.

Ihr Ehrgeiz wurde auch offenbar, als Ryabenkaya im Jahr ihrer Ankunft hier gleich die Aufnahmeprüfung für Textildesign an der damaligen Mode HGK schaffte. Im Anschluss machte sie die Modefachklasse. «In der Studienzeit lernte ich nicht nur viel Fachliches. Ich konnte endlich reisen, lernte Städte wie Paris und andere Länder kennen.» Heimweh hatte sie nie.

Ein Spitzenkleid für Jaël

Ein klein wenig Russland steckt dennoch in ihrer Arbeit. Bei den Kollektionen, die sie nach Praktikas bei international bekannten Modelabels für ihr eigenes Label Yana Rey schneiderte, finden sich Anleihen an den Kleiderstil ihrer Heimat. Etwa die hohen Taillen ihrer Röcke oder die oftmals selbst entworfenen Blumen- und Tupfenmuster – «und, dass es bei aller Eleganz auch sexy ist.»

Damit traf sie auch den Geschmack der ehemaligen Lunik-Sängerin Jaël. Die Bernerin tanzte in einem Videoclip im rückenfreien Spitzenkleid von Yana Ray. Ryabenkaya hatte es dafür extra nachgeschneidert, denn seit 2015 produziert sie nur noch in Puppengrössen. «Dank dem zeitlosen Design werden noch heute Teile meiner Frauen-Kollektionen bestellt.»

Für Jaël arbeitete Ryabenkaya besonders gerne. Sie mag Sängerinnen. Ihre ersten Puppen waren glamouröse Popstars wie Rihanna, Rita Ora oder Pharrell Williams. «Diese Menschen haben einen ausgefallenen Stil, der mich zu kreativen Umsetzungen inspiriert.»

Geschlossene Augen

Weil die meisten Leute gegenüber ausgefallenen spielerischen Elementen zurückhaltend sind, macht ihr das Entwerfen von und für Puppen mehr Spass. Dabei muss das Material nicht unbedingt Stoff sein. Letzten Herbst entwarf sie für die Musica Fiorita beim Klang Basel Festival opulente Barockkleider aus Papier.

Für den kitschigen Bling-Bling der Barbies hat die Puppendesignerin nur Verachtung übrig, da die Plastikdinger nur steif stakeln können und trotz geschürzten Lippen und Rehblick irgendwie böse wirken. «Mit meinen Stoffpuppen will und kann man auch kuscheln. Sie verströmen mehr Wärme, trotz geschlossenen Augen.»

Die geschlossenen Augen sind das Markenzeichen ihrer Dolls. Ansonsten variieren die Puppen in Grösse, Farbe und natürlich auch Kleidung. Ihre Puppenfamilie lebt über der ganzen Welt verstreut. Ryabenkaya hofft, ihren Kreationen irgendwann in ihrer eigenen Boutique eine Heimat zu bieten. Dort wären nebst Puppen auch die passenden Kollektionen erhältlich, damit die Dolls am Ball wie am Strand die passende Garderobe haben.

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