Mobiles, Plüschtiere, Trapezkünstler – ein kindliches Sammelsurium? Nein, die neue Ausstellung

Die Fondation Beyeler bringt drei künstlerische Schwergewichte ins Gleichgewicht und stellt Fischli/Weiss und Alexander Calder zusammen aus. Sehenswert.

Eine «Tube» von Fischli/Weiss – wenn sie bloss nicht wegrollt!

(Bild: Keystone / Georgios Kefalas)

Die Fondation Beyeler bringt drei künstlerische Schwergewichte ins Gleichgewicht und stellt Fischli/Weiss und Alexander Calder zusammen aus. Sehenswert.

Das Geständnis muss gleich vorneweg: Ich liebe Fischli/Weiss. Ganz grundsätzlich. Und in den Mobiles von Alexander Calder kann ich mich verlieren. Natürlich jauchzt also mein Herz, wenn die Fondation Beyeler eine Ausstellung ankündigt, die beiden gewidmet ist (oder allen dreien, um ganz korrekt zu sein).

Dann aber kommt auch gleich das grosse Fragezeichen: Wie – bitte – bekommt man diese beiden künstlerischen Positionen unter einen Hut? Ist diese Kombination nicht ein bisschen sehr gesucht?

Die Antwort auf diese Frage kann nur ein Besuch der Ausstellung geben, also los, auf nach Riehen.

Alles schön ausbalanciert

Im Garten der Fondation Beyeler empfängt uns – seit Jahren – ein grosses von Alexander Calders Mobiles: «The Tree». Fast schon ein Markenzeichen des Museums, sicher aber ein Zeichen dafür, dass die Fondation und Calder eine innige Beziehung pflegen: In regelmässigen Abständen wird das Werk des 1976 verstorbenen Amerikaners in Riehen gewürdigt.

In «The Tree» manifestiert sich auch gleich, worum es Calder in seinem Schaffen immer ging: um Bewegung und um Balance. Gleichgewicht – das Zauberwort. Und das, was den Amerikaner und die beiden Schweizer Fischli und Weiss in dieser Ausstellung verbindet.

«Am schönsten ist das Gleichgewicht, kurz bevor’s zusammenbricht.» So lautet das Motto, das Peter Fischli & David Weiss ihrer Fotoserie «Stiller Nachmittag» vorangestellt haben. Ein ganzer Raum hier zeigt diese Bilder, auf denen Alltagsgegenstände in halsbrecherischen Kompositionen so angeordnet wurden, dass es kaum zu glauben ist, dass die fragilen Werke nicht zusammenbrachen, bevor der Auslöser der Fotokamera gedrückt war – egal ob Stuhl, Rüebli oder Zigarette, alles bleibt in Balance. Zumindest für einen Augenblick.



«Der Lauf der Dinge», einmal im Film, einmal als Requisitenüberreste.

«Der Lauf der Dinge», einmal im Film, einmal als Requisitenüberreste. (Bild: Karen N. Gerig)

An Fischli/Weiss‘ Werken verzückt immer wieder dieses spielerische Element. Die vielen kleinen Figürchen aus dem Monsterwerk «Plötzlich diese Übersicht», das sich in der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung befindet (und hier leider nur mit «Mausi hat hoch» vertreten ist), kommen einem in den Sinn, die beiden immer wiederkehrenden kindsgrossen Plüschfiguren «Ratte und Bär», die im Vorraum der Fondation vor sich hin chillen (ganz in die Betrachtung eines Calder-Mobiles versunken), und natürlich der Film «Der Lauf der Dinge».

Diesem ist in der Ausstellung ein ganzer Raum gewidmet, und erstmals überhaupt kann der Film zusammen mit den übriggebliebenen Requisiten gesehen werden, die gesammelt wurden und in einer Vitrine präsentiert sind. Alles muss rollen, nichts darf stehenbleiben, denn Stillstand bedeutet Tod – genauso wie (Achtung, gleich noch ein Plattitüde!) alles aus dem Ruder läuft, wenn das Gleichgewicht zusammenbricht.

Auf dem Hochseil

Man stelle sich letzteres bloss im Zirkus vor! Damit fing bei Alexander Calder alles an: Trapezkünstler hoch oben unter dem Zirkuszeltdach hatten es ihm schon in jungen Jahren angetan – Bewegung und Gleichgewicht kombiniert, schon damals, was gab es Schöneres. Und so entstanden Ende der Zwanzigerjahre Akrobaten aus Draht, ganze Familien und Tänzerinnen wie Josephine Baker.



«The Brass Family» von Alexander Calder: Zirkusartisten in Balance.

«The Brass Family» von Alexander Calder: Zirkusartisten in Balance. (Bild: Keystone / Georgios Kefalas)

Später dann das Hochseil mit den abstrakten Figuren drauf, die hier in der Fondation mit dem Werk «Walls, Corners, Tubes» von Fischli/Weiss gezeigt wird: Tönerne und aus Gummi gegossene Plastiken in Form von Röhren oder Ecken, massiv und trotzdem gefährlich instabil (siehe Artikelbild oben).

Es ist der einzige Raum der ganzen Schau, der Werke der gezeigten Künstler im Dialog zeigt. Selbst der grösste der zwölf Ausstellungsräume ist gänzlich Alexander Calder gewidmet – ein wunderbarer Raum allerdings, ein wahrhaftiger Wald von hängenden und stehenden Mobiles und Stabiles, zwischen denen man herumwandern möchte und den Regungen und Schwingungen zusehen.



Ein ganzer Wald von Calder-Werken – leider stillgelegt.

Ein ganzer Wald von Calder-Werken – leider stillgelegt. (Bild: Keystone / Georgios Kefalas)

Doch leider ist der Weg vorgegeben, ein schmaler Pfad in der Mitte durch, und kein Windzug lässt die Metallplättchen der Mobiles schwingen. Ein toter Wald, grossartig und enttäuschend zugleich.

Wurde hier zu wenig gewagt? Muss man Museumsbesucher derart auf Distanz halten? Sind die rund 70 Jahre alten Werke wirklich so fragil?

Fragen über Fragen, wie sie Fischli Weiss auch gerne haben. Einen Raum weiter sind sie alle versammelt: «Wer zahlt mein Bier?», «Auswandern?», «Schüblig oder Bratwurst?» oder «Wohin führt die Blutspur?» Unzählige banale und tiefsinnige Fragen sind an eine Wand projiziert, grosse und kleine – Antworten erwartet keiner.



Fragen über Fragen: «Fragenprojektion» von Fischli Weiss.

«Fragenprojektion» von Fischli/Weiss. (Bild: Keystone / Georgios Kefalas)

Und da erinnere ich mich an meine eingangs gestellte Frage: «Macht diese Ausstellung Sinn?» Auf dem Rückweg nach Basel halte ich mich an Fischli/Weiss: Who cares? Sie macht Spass und gefällt.

Und das ist die Hauptsache.

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«Alexander Calder & Fischli/Weiss», Fondation Beyeler, Riehen. 29. Mai bis 4. September 2016.

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