Modellmann

Männer halten es nicht so mit der Ehrlichkeit. Und wehe, wenn sie es doch tun.

(Bild: ©Rialto Film AG)

Männer halten es nicht so mit der Ehrlichkeit. Und wehe, wenn sie es doch tun.

Immer zu Sommerende, wenn die modischen Männermodelle aus den Ferien zurückkommen und sich unter die Zurückgebliebenen mischen, wird uns klar: Der Mann, wie wir ihn einst kannten, ist ein Auslaufmodell. Das neueste Modell heisst Ned!

Ned ist ein Vorzeigemodell: lieb, ehrlich, bio und etwas langhaarig. Karriere ist für Ned ein griechisches Fremdwort. Leichtgläubig, wie er ist, schenkt der Gemüsebauer einem Polizisten – weil der ihn herzlich genug bittet – Gras. Und weil der Polizist unbedingt dafür zahlen will, nimmt Ted dafür auch mal Geld und wandert – unbedingt in den Knast. Klar, dass so ein gutmütiger Mensch frühzeitig wegen gutmütiger Führung entlassen wird. Klar aber auch, dass er bei sich zu Hause einen anderen Mann (auch ein neues, weniger gutmütiges Modell) bei seiner Frau vorfindet. Wo soll er jetzt hin?

Seine Mutter und seine drei Schwestern, die sich alle mit kleinen Lebenslügen auf der Karriereleiter festhalten, haben auf so einen Bruder nicht gewartet. Zu sehr sind sie mit sich und ihren Lebenszielen beschäftigt. Von so einem Versager lässt sich keine gern ihre Verhältnisse ins Wanken bringen: Also wird Ned – unter allerlei Vorwänden – erst einmal von Schwester zu Schwester weitergereicht. Doch die drei haben nicht mit Neds entwaffnender Naivität gerechnet.

Ausgerechnet diese ehrliche Haut stellt nun das Leben seiner Schwestern mit seiner Arglosigkeit gründlich auf den Kopf. Wo immer es den drei bisher gelang, mit kleinen Lügen den Alltag zu meistern, entlarvt Neds Blauäugigkeit die Fassaden: Amüsant wird ein Frauenbild entwaffnet und ein Männerbild enthüllt. Zum Schluss darf man debattieren: Ist das jetzt eines dieser Männermodelle, das sich Frauen erträumt haben, als sie all die Männer erzogen haben? Oder bahnt sich bereits die nächste Rückruf-Aktion an, wie wir sie bei neuen Modellen gewohnt sind?

Am Ende zieht sich Ned ganz auf seine Art aus den Affären. Fast ganz ohne Frauen. Der neue Mann lebt offensichtlich am besten allein. Sein bester Freund: ein Hund. Wenn Frau sich nun in der Auffassung bestätigt fühlt, neue Männer passten eben noch lange nicht zur neuen Frau, springt auch schon das allerneueste Frauenmodell herbei: Es lebt auch allein. Und hat auch einen Hund. In welche Komplikationen die beiden Hunde geraten, wenn sie mal läufig sein werden, aber nicht laufen dürfen, ahnen wir bereits.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.08.12

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