Museen, Moneten und Mäzene – die Geschichte des Museumsbooms in Basel auf einen Blick

Am verlängerten Wochenende vom 15. bis 18. April blickt die Kunstwelt nach Basel: Dann eröffnet das Kunstmuseum seinen Erweiterungsbau. Es ist der Höhepunkt eines weltweit wohl einzigartigen Museumsbooms in Basel.

Der Neubau von Christ & Gantenbein.

(Bild: Kunstmuseum Basel, Julian Salinas)

Am verlängerten Wochenende vom 15. bis 18. April blickt die Kunstwelt nach Basel: Dann eröffnet das Kunstmuseum seinen Erweiterungsbau. Es ist der Höhepunkt eines weltweit wohl einzigartigen Museumsbooms in Basel.


20 Jahre Museumsboom gebündelt in einer interaktiven Grafik: Realisierungsjahr, Kosten, Finanzierung, Schwerpunkte und Besucherstatistik – durchklicken und entdecken. (Sollte die Grafik nicht richtig angezeigt werden – hier funktioniert’s bestimmt).

Einer Trutzburg gleich steht der Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel da, unübersehbar und umrauscht vom Verkehr, der sich vom Aeschenplatz herkommend auf die Wettsteinbrücke ergiesst. Dieses Wochenende werden sich alle Augen der Kunstwelt auf diesen Monolith am Kopf der Wettsteinbrücke richten, der feierlich eröffnet wird.

Der Neubau – wie er offiziell heisst – ist das aktuellste unter den bemerkenswerten Kapiteln in der Geschichte der Museumsstadt Basel. Der konkrete Anstoss dazu erfolgte im Jahr 2008. Damals griff  Maja Oeri etwas forsch, aber wirkungsvoll in die Diskussion über den Mangel an Ausstellungsfläche im Kunstmuseum Basel ein.

Die Kunstmäzenin schenkte dem Flaggschiff der Kunststadt die Liegenschaft «Burghof». Die Schenkung war verbunden mit der Verpflichtung, auf dem Areal einen Erweiterungsbau für das Kunstmuseum zu erstellen. Geschätzter Wert des Grundstücks: 20 Millionen Franken. 

Auf das geschenkte Land folgte das Geld für den Bau

Die Regierung zeigte sich gewillt, die Hälfte der Baukosten von 100 Millionen Franken aus der Staatskasse beizutragen. Für die andere Hälfte sollten nach bewährter Public-Private-Partnership-Manier private Geldgeber aufkommen. Weil die Sammlung der Gelder aber nur schleppend anlief, griff Maja Oeri nochmals ins Portemonnaie und übernahm den privaten Kostenanteil gleich ganz. Dies aber wiederum unter der Bedingung, dass das Bauprojekt alle politischen Hürden bis Ende 2010 überwindet, was denn auch problemlos geschah.

Das wirklich Aussergewöhnliche daran ist, dass die Geschichte für Basel gar nicht so aussergewöhnlich ist. Ende der 1990er-Jahre führte eine Spende der Mäzenin Jenny von Lerber-Sarasin zur Einrichtung des Museums für Musik im Lohnhof. Die Projektkosten für diesen Erweiterungsbau des staatlichen Historischen Museums Basel in der Höhe von acht Millionen Franken wurden ausschliesslich aus privaten Kassen beglichen.

Und als dritter entsprechender Streich innerhalb der letzten zwanzig Jahre folgten der Umbau und die Erweiterung des ebenfalls staatlichen Museums der Kulturen, das 2011 neu eröffnet wurde. Auch hier stand eine – dieses Mal anonyme – Millionenspende am Anfang des Bauprojekts.

Das sind nur drei Beispiele von vielen, die für einen beispiellosen Museumsboom stehen, den Basel und das nähere Umland in den vergangenen 20 Jahren erlebte:

  • 1996 eröffnete der Pharmamulti Hoffmann-La Roche zu seinem 100-Jahr-Jubiläum das Museum Tinguely, das nach wie vor zu 100 Prozent durch die Firma finanziert wird.
  • 1997 öffnete in Riehen die Fondation Beyeler ihre Tore, die bald schon zum erfolgreichsten Kunstmuseum der Schweiz avancierte. Das Museum wird zwar staatlich subventioniert, grösstenteils aber finanziert die private Trägerstiftung unter anderem mit finanzkräftiger Hilfe des Berner Milliardärs Hansjörg Wyss den Museumsbetrieb.
  • 1998 führte Gigi Oeri ihre Puppenhaus-Sammlung samt dazugekaufter Teddybären-Sammlung in ihr neues Puppenhaus-Museum über, das seit einigen Jahren den Namen Spielzeug Welten Museum trägt.
  • 2000 konnte das Historische Museum Basel im Zellentrakt des ehemaligen Lohnhof-Gefängnisses sein Musikmuseum (heute: Museum für Musik) eröffnen. Der Bau wurde ausschliesslich mit privaten Geldern finanziert.
  • 2001 wurde die neue Ägyptenabteilung des Antikenmuseums Basel und Sammlung Ludwig eröffnet. Die Baukosten von 4,1 Millionen Franken hatte die Grossbank UBS bezahlt.
  • 2003 wurde in Münchenstein das Schaulager eröffnet. Die Institution, die von Maja Oeri beziehungsweise ihrer Laurenz-Stiftung finanziert wird, nennt sich zwar explizit nicht Museum, öffnet sich dem Publikum aber in regelmässigen Abständen mit Ausstellungen.
  • 2011 wurde das umfassend umgebaute und erweiterte Museum der Kulturen eröffnet.
  • 2014 bezog das Haus der elektronischen Künste sein neues Domizil auf dem Dreispitzareal. Der Neubau wurde von der Christoph Merian Stiftung massgeblich mitfinanziert.
  • Am verlängerten Wochenende vom 15. bis 18. April wird unter den Augen der Kunstwelt der Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel feierlich eröffnet.

Damit ist der Reigen der Neueröffnungen und Erweiterungen noch nicht abgeschlossen. Es geht im ähnlichen Rhythmus weiter:

  • Im Juni 2016 wird das private Vitra Design Museum in Weil am Rhein sein neues Schaudepot für ihre Sammlung an Möbelstücken eröffnen. Entworfen wurde der Bau von Herzog & de Meuron.
  • Die Fondation Beyeler will im benachbarten Iselin-Weber-Park ebenfalls einen Erweiterungsbau realisieren. Die Baukosten von rund 50 Millionen Franken sind durch Spenden des Berner Milliardärs Hansjörg Wyss und der Daros-Collection des Zürcher Industriellen Stephan Schmidheiny mehr oder weniger bereits gedeckt. Ein Realisierungstermin steht zwar noch nicht fest, aber elf bekannte nationale und internationale Architekturbüros wurden bereits mit einem Studienauftrag für den Erweiterungsbau betraut.
  • Bis 2022/23 will der Kanton Basel-Stadt beim Bahnhof St. Johann einen Neubau für das Naturhistorische Museum Basel und das Staatsarchiv erstellen. Die Kosten von geschätzten 190 Millionen Franken würde der Kanton, falls sie die politischen Hürden überwinden, für einmal ohne private Hilfe tragen. Die heutigen Räumlichkeiten im Basler Ur-Museum an der Augustinergasse würden dann frei und könnten, so die Absicht der Regierung, vom Antikenmuseum und der ihr angegliederten Skulpturhalle besetzt werden.

Ein Dutzend neuer Museen für die Museumsstadt

Die Basler Museumslandschaft wurde in den vergangenen zwanzig Jahren also um rund ein Dutzend neuer Museen oder Erweiterungsbauten ergänzt. Darunter befinden sich international so vielbeachtete Kunsthäuser wie die Fondation Beyeler, das Museum Tinguely und auch das Kunstmuseum Basel, das von der Londoner «Times» 2013 als weltweit fünftwichtigstes Kunstmuseum eingestuft wurde.

Besteht da die Gefahr einer Übersättigung? Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur von Basel-Stadt, hegt diese Befürchung nicht. «Neue Museen brauchen starke Inhalte, dann sind sie zu rechtfertigen.» Und diese seien gegeben. «Eine Vielzahl an guten, inhaltlich qualifizierten Museen ist sichtlich ein Gewinn für Basel und sein Kulturangebot.»

Das Publikum zieht mit und an

Bischof stellt fest, dass die Koexistenz und Kooperation zwischen den verschiedenen Häusern gut funktioniere und «tatsächlich viel mehr anspornt als zu einer Übersättigung führt». Ein Blick in die Besucherstatistiken bestätigt diesen Eindruck: 1995, also vor der Gründung der neuen grossen privaten Kunsthäuser Museum Tinguely und Fondation Beyeler, zogen die Basler Museen insgesamt 560’000 Besucherinnen und Besucher an. 2015 waren es 1,34 Millionen, fast zweieinhalbmal so viele.

Allerdings schwanken die Besucherzahlen stark (siehe separaten Artikel). Das Museum Tinguely zum Beispiel vermochte im ersten Jahr stattliche 265’000 Besucherinnen und Besucher anzulocken. Seit 2002 bewegen sich in diesem Haus die Zahlen in der Grössenordnung von rund 120’000. Am erfolgreichsten ist die Fondation Beyeler mit Besucherzahlen zwischen 300’000 und über 400’000 pro Jahr.

An der oberen Grenze

Damit lässt der Riehener Tempel der Klassischen Moderne das Kunstmuseum Basel in der Publikumsgunst hinter sich. Das staatliche Kunstmuseum bewegt sich bei den Besucherzahlen im Bereich von 200’000 bis 260’000 (das Van-Gogh-Jahr 2009 mit 665’000 Besucherinnen und Besuchern nicht mitgerechnet).

Die neu gegründeten Privatmuseen haben aber zu keinem Einbruch der Besucherzahlen im Kunstmuseum geführt – im Gegenteil. Und wie der kaufmännische Direktor Stefan Charles gegenüber der «Basler Zeitung» sagte, rechnet das Haus nach der Eröffnung des Erweiterungsbaus mit 300’000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr.

Beim Museumsschwerpunkt Bildende Kunst hat Basel aber inzwischen eine «obere Grenze» erreicht, gibt Kultur-Leiter Bischof zu bedenken: «Mit dem erweiterten Kunstmuseum und den Erweiterungsplänen der Privatmuseen gilt es, die Entwicklung der verschiedenen Profile im Auge zu behalten.»

Zweimal Calder und Fischli/Weiss

Nicht immer klappt die Kooperation und die Abgrenzug der Profile aber so gut, wie Bischof dies beschreibt. Dies zeigt ein Blick auf das aktuelle Ausstellungsprogramm. Das Kunstmuseum eröffnet seinen Erweiterungsbau mit einem Blick auf das plastische Schaffen in der Kunst vom Zweiten Weltkrieg bis heute. Zu sehen sein werden in der Aussstellung «Sculpture on the Move» auch Werke von Alexander Calder sowie von Peter Fischli und David Weiss.

Ende Mai wird die Fondation Beyeler eine neue, nach eigener Einschätzung «bahnbrechende» Ausstellung mit Werken eben dieser Künstler eröffnen (Titel der Ausstellung: «Alexander Calder & Fischli/Weiss»). «Diese Überschneidung ist reiner Zufall», sagt die Kommunikationschefin der Fondation Beyeler, Elena DelCarlo. Sie sei schon seit langer Zeit geplant. Ein Anlass zur Sorge sei dies aber nicht, sagt sie beschwichtigend: «Das Publikum kann sich auf einen anregenden Ausstellungssommer freuen.»

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