Musik aus Island: Es muss nicht immer Björk sein

Am Festival Culturescapes in Basel geben sich isländische Musiker aus Jazz, Rock, Pop und dem Experimentalbereich die Klinke in die Hand. Bevor die Kaserne ein Popfinale der Konzertreihe bietet, ist das Bird’s Eye Epizentrum des nordischen Geschehens.

Eine der besten Poetinnen und Sängerinnen Islands: Olöf Arnalds.

Am Festival Culturescapes in Basel geben sich isländische Musiker aus Jazz, Rock, Pop und dem Experimentalbereich die Klinke in die Hand. Bevor die Kaserne ein Popfinale der Konzertreihe bietet, ist das Bird’s Eye Epizentrum des nordischen Geschehens.

«Verglichen mit Wien, Sevilla oder New Orleans hat Reykjavik eine ganz andere Musikgeschichte», sagt Skúli Sverrisson. «Was das intuitive und kreative Schaffen angeht, gibt es hier eine sehr motivierende Atmosphäre. Gerade das Fehlen von Traditionen ist meiner Meinung nach nützlich, um einen fruchtbaren Rahmen zu schaffen.» Sverrisson ist ein 49-jähriger Bassist, der im Bird’s Eye Basel gleich in drei Formationen auftreten wird. Und er ist eine der zentralen Persönlichkeiten des aktuellen isländischen Musikschaffens.

Seine Sozialisierung erfuhr er erst, indem er den «Spirit und die Komplexität» des Jazz als Schlüssel zum Verständnis von Musik wahrnahm. Sein grosses Vorbild: Jaco Pastorius. In Boston und New York spielte Sverrisson mit Grössen wie Laurie Anderson, John Lurie oder Wolfgang Muthspiel, entwickelte elektronische Soundscapes, meditative, minimalistische Klangbilder, beherrscht aber auch den Kontext des Worldjazz oder des Folk.

Musikexperimente: eine isländische Qualität

«In den letzten Jahren haben sich manche isländische Musiker von den traditionelleren Formen des Jazz wegbewegt. Es gibt mehr Raum für Experimente. Das ist eine Qualität, die ich durchaus als typisch isländisch ansehen würde.» Sverrisson selbst stellt am Festival Culturescapes seine Arbeit mit der Songwriterin Ólöf Arnalds vor. Mit ihr zusammen hat er in Reykjavik kürzlich auch den Club Mengi gegründet, um die zeitgenössische Kunstszene der Stadt abzubilden und ausländische Stars einzuladen. Im vierköpfigen Ensemble spielen sie mit fragilen Songstrukturen, die sich weniger dem Jazz als dem Folk annähern und tatsächlich auch auf traditionellem isländischen Liedgut aufbauen.


Wer die leiseren Töne der Rockband Sigúr Ros mag, dürfte hier auf seine Kosten kommen. «Ólöfs Musik ist zeitlos, sie ist eine der besten Poetinnen und Sängerinnen Islands», begeistert sich Sverrisson für seine Kollegin. «Ihr Background in klassischer Musik und im Folk macht es schwierig genau zu bestimmen, wo ihre Musik herkommt. Für mich ist sie etwas sehr Eigenes.»

Jazz-kompatibler ist Sverrissons Duo mit dem Saxophonisten Óskar Guđjónsson, das von einem sehr ungewöhnlichen Aspekt lebt: Sverrisson behandelt in den meditativen Klangbildern seinen Bass oft akkordisch, macht aus ihm quasi eine tiefergelegte Gitarre, bezieht sich auch zurück auf die Laute der Renaissance und des Barock.

Lyrischer Ton und Geräuschhaftes

Den Auftakt der Island-Reihe im Bird’s Eye macht Sunna Gunnlaugs mit ihrem Trio: Die Pianistin von der Seltjarnarnes-Halbinsel vor Reykjavik stieg mit der Kirchenorgel in die Musik ein. In den Neunzigern formte sie ihre Sprache auf den Tasten an Bill Evans und Keith Jarrett, dank ihres langjährigen New-York-Aufenthalts ist sie stark der amerikanischen Schule verpflichtet. Gunnlaugs‘ Stil ist von lyrischem Ton geprägt, den sie gelegentlich mit Geräuschhaftem, Latinfarben und Einflüssen aus Islands Volksliedern bereichert.


Das junge deutsch-schweizerisch-isländische Quintett, das sich Monoglot nennt, ist ein Regio-Gewächs, schlägt die Brücke in den Norden aber mit dem Gitarristen Kristinn Smári Kristinsson. Ihre Textur, die ausserdem zwei Tenorsaxophone, Bass und Schlagzeug beherbergt, offenbart neben dem rockigen bis punkigen Drive auch humoreske Free-Einschübe oder schwenkt dann und wann in träumerische Stimmungen ein. «Indie Jazz» nennen die Musiker das selbst, und in seinen Kompositionen zieht Kristinsson sowohl vor dem isländischen Tondichter Jón Leifs als auch vor dem Nationalgetränk mit der verheerenden Wirkung, dem Brennivín-Schnaps, den Hut. 

Liedhafte Melancholie

Das zweite Trio, das im Bird’s Eye am Start ist, zeigt Kristinssón in einem ganz anderen Kontext: Minua erzählen ihre Geschichten mit der ungewöhnlichen Besetzung Bassklarinette und zwei Gitarren, arbeiten dabei mit repetitiven Verzahnungen, verknüpfen fast liedhafte Melancholie mit Minimalismen, es gibt aber auch Passagen mit schreienden Klangexplosionen. Zu den jungen Musikern gesellt sich als Gast Skúli Sverrisson. Schliesslich ist auch – mit Óskar Guđjónsson am Sax – die Formation ADHD am Kohlenberg zu hören. Das Quartett, dessen Sound zwischen Art Rock, experimentellem Jazz und Blues changiert, zählt auch im deutschsprachigen Raum viele Fans, ihre Platten erscheinen auf dem Label des deutschen Trompeters Sebastian Studnitzky.

Für den Mainstream zu sperrig

Naturgemäss poppiger geht es in der Kaserne zu, die mit den Elektronica-Stars GusGus und der Sängerin Sóley ein isländisches Doppelpaket geschnürt haben. Während GusGus bereits vor zwei Jahren am Open Air Basel aufgetreten sind, dürfte Sóley eine Entdeckung sein: Ihren brüchigen bis hauchenden Sopran setzt sie in versponnenen Klanggebilden ein, die unheimlich bis schlafwandlerisch sind und für den Mainstreampop eine Spur zu sperrig.

Glaubt man Skúli Sverrisson, werden wir in unseren Breiten in den nächsten Jahren noch einiges von isländischen Künstlern hören. «Ich bin nach langer Zeit in New York nach Reykjavik zurückgekehrt», bekennt er. «Denn ich spüre, was es gerade für einen Aufbruch gibt, gerade was die Experimental- und Improvisationsszene angeht. Und ausserdem ist die Natur in meiner Heimat sehr inspirierend für mich.»

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Bird’s Eye Basel: Sunna Gunnlaugs Trio 17.+ 18.11., Monoglot 19.11.
Skúli Sverrisson – Ólöf Arnalds Group 20.+ 21.11., Minua 24.+ 25.11.
Skúli Sverrisson + Óskar Guđjónsson 26.11., ADHD 27.+ 28.11.

Kaserne Basel: GusGus & Sóley 27.11.

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