Das Volkshaus Basel startet mit Curtis Stigers in seinen Konzertherbst. In Sachen Grosskonzerte überholt es mit dem neuen Programm die Kaserne, inhaltlich setzt Musikchef Lukas Wyniger die Akzente vorerst auf Mainstream-Pop, Indierock und Blues – und auf viele nationale Künstler.
Als Lukas Wyniger 2011 die Leitung der Musik & Kultur im Basler Volkshaus übernahm, konnte er seine bisherige Tätigkeit gleich mit seiner neuen Aufgabe verknüpfen: Der Basler, der als Produktmanager bei Warner Music internationale Künstler betreut hatte, verpflichtete Archive – eine britische Band, die bei seinem früheren Arbeitgeber unter Vertrag stand und grosse Säle füllen kann, wie Wyniger wusste. So kam es, dass deren Basler Gastspiel im November 2011 – obschon kaum beworben – ausverkauft war: 1300 Leute füllten den Festsaal. Ein Traumstart für Wyniger, zumal er wenige Tage zuvor ein erstes Highlight erleben konnte: die Begegnung mit Jogi Löw, dem deutschen Fussballnationaltrainer, der eigens für das Gastspiel von Schlagerfritte Dieter Thomas Kuhn nach Basel gekommen war.
Kuhn wurde wie auch die holländische Funkologin Candy Dulfer von Act Entertainment gebucht. Damit zeigten die neuen Volkshausbetreiber, dass sie es ernst meinten, als sie im letzten Jahr bekanntgaben, sie möchten die Türen auch für externe Veranstalter offenhalten – so auch für die traditionelle Morgestraich-Party mit BBC-Reggae-Legende David Rodigan, die in Kooperation mit Nic Plésels Flamingofarm durchgeführt wurde.
Lukas Wyniger sagt selber, dass er sich zunächst in seine neue Aufgabe einarbeiten musste: Er brachte zwar Erfahrungen aus der Tonträgerbranche mit und hat als langjähriger Reggae-DJ fundiertes Wissen in der Partyszene gesammelt: Doch mit Agenturen zu verhandeln war für ihn eine neue Erfahrung, für die ihm mit Heinz Darr (ex-Kaserne, ex-Volkshaus) ein Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung zur Seite steht.
Ein Programm mit vielen Gesichtern
So war Wyniger in den ersten Monaten primär damit beschäftigt, Kontakte zu knüpfen und Konzepte zu erstellen. Gilt es doch nicht nur, den grossen Festsaal zu bespielen, sondern das gesamte Volkshaus neu zu beleben. Im März wurden die umgebaute Bar und Brasserie eröffnet, worin Wyniger jetzt Donnerstags eine Afterwork-Reihe (Apre5), eine Samstagnachmittag- Party oder einen Jazzbrunch installiert hat. Mit Erfolg, so habe sich bisher doch etwa gezeigt, dass die «Saturday Afternoon Party» sensationell ankomme: «Viele Gäste schätzen die Möglichkeit, schon nach dem Samstagseinkauf zu feiern und zu tanzen. Nicht alle Leute mögen und können die Nacht durchmachen», sagt Wyniger.
Auch was eine regelmässige Bespielung des grossen Festsaals angeht, wird der Mittdreissiger jetzt erste Früchte ernten: «Ich habe mich zunehmend einbringen und dem Programm ein Gesicht geben können», sagt er.
Das Gesicht trägt verschiedene Züge, wie man mit Blick auf die Affiche feststellt: Heute Abend tritt mit Curtis Stigers ein Schmuse-Soulsänger im Unionsaal auf. Eine Fremdveranstaltung. Diese machen rund die Hälfte des Programms aus und sollen dazu beitragen, auf die jährlich erwünschten und prognostizierten 90 Anlässe zu kommen (zu denen wie bisher auch die Vorfasnachtsveranstaltung Charivari gehört).
Zahlreiche Kooperationspartner
Act Entertainment, die sich seinerzeit selber um die Übernahme des Volkshauses beworben hatten, ergänzen das Inhouse-Booking ebenso wie «Blues Now!» und die Zürcher Agentur «allblues» – letztere bringen im November so unterschiedliche Künstler wie die Alternative-Countryband Calexico (USA), den österreichischen Neo-Folkloristen Hubert von Goisern und den Aargauer Soulsänger Seven nach Basel.
Was auffällt: Die hohe Dichte an nationalen Künstlern. Wyniger und Darr engagierten die Lovebugs, Bonaparte, 77 Bombay Street, Stress und Phenomden. Hinzu kommen externe Bookings mit Bands wie Patent Ochsner und Lunik. «Schaue ich mir das an, dann fehlen nur noch Stephan Eicher und ZüriWest – und wir hätten alle zugkräftigen Schweizer Namen in einer Saison auf der Bühne», sagt Wyniger – und man merkt: Diese zwei CH-Acts wären noch eine Herzensangelegenheit.
Was das Gesamtprogramm angeht, so räumt er ein, dass nicht alle Engagements seinem persönlichen Geschmack entsprechen. Doch im Unterschied zur Kaserne muss das Volkshaus ohne Subventionen auskommen, spielen wirtschaftliche Überlegungen eine vordergründigere Rolle: Am auffälligsten manifestiert sich das am 27. Oktober. Dann findet im Volkshaus die Seat Music Session statt. Prominenter als im Veranstaltungsnamen kann ein Sponsor nicht platziert werden, wie wir von der gleichzeitig stattfindenden AVO Session wissen.
Gegen diese muss sich das Volkshaus ebenso behaupten wie gegen die Konzertfabrik Z7 in Pratteln, die ebenfalls im Kapazitätenbereich des Festsaals mitspielt. Der Kaserne wiederum wird dadurch der Druck genommen, Erwartungen zu erfüllen und Grosskonzerte veranstalten zu müssen. Sie kann sich musikalisch auf den Schwerpunkt Clubkonzerte konzentrieren. Was nicht heisst, dass hin und wieder nicht doch um den gleichen Künstler gefeilscht wird.
Seilziehen um Stress
So gab es in Basel nicht zum ersten Mal ein Seilziehen um Stress. Der welsche Rapper, der in der Vergangenheit an beiden Orten aufgetreten war, hat sich fürs Volkshaus entschieden. Nicht nur die Gage war entscheidend, sondern auch der direkte Draht von Wyniger, der Stress seit den 90er-Jahren persönlich kennt. Andere Mainstream-Acts wie 77 Bombay Street wurden gebucht, um den Saal zu füllen – der Vorverkauf deutet an, dass das schon im Vorfeld gelingt – oder um inhaltliche Farbtupfer zu setzen (etwa die musikalischen Indie-Gaukler von Bonaparte). «Wir wollen ein breit gefächertes Programm bieten, ohne beliebig zu wirken», sagt Wyniger.
Und er will und soll auch zunehmend Synergien zwischen den einzelnen Bausteinen des Volkshauses schaffen. Wer ein Konzert besucht und zuvor in der Brasserie diniert, erhält einen Apéro offeriert. Nach Konzerten soll es auch mal mit einer Aftershow-Party weitergehen (eine Novität fürs Volkshaus). Und in drei Jahren soll man nach einer rauschhaften Nacht in den Lokalen des Volkshauses auch im eigenen Hotel ausschlafen können.
Offene Türen für regionale Künstler
Bleibt noch die Frage, wie es um die Anbindung an die regionale Musikszene steht? «Auch da sind wir dran», sagt Wyniger. «Zum einen buchen wir regionale Musiker ins Vorprogramm und geben ihnen so die Möglichkeit für Auftritte im Festsaal. Zum anderen kooperieren wir nicht nur mit BScene sondern neu auch mit dem RFV: Gemeinsam präsentieren wir im Unionsaal die Gewinner des Regio Sound Credit.» Den Anfang macht am 26. Oktober James Gruntz.