«Mutige Sponsoren sind leider Mangelware»

Seit 2001 leitet Sabine Schaschl das Kunsthaus Baselland. Nun zieht sie nach Zürich und erzählt, was sie vermissen wird – und was nicht.

(Bild: Romeo Ruesch)

Seit 2001 leitet Sabine Schaschl das Kunsthaus Baselland. Nun zieht sie nach Zürich und erzählt, was sie vermissen wird – und was nicht.

Sabine Schaschl hat ihr Büro ­geräumt. Elf Jahre lang leitete die Österreicherin das Kunsthaus Baselland. Unter ihrer Führung wurde das Haus an der Birs, direkt hinter dem St.-Jakob-Park, zu einem der führenden Häuser der Region. Jetzt zieht es die 46-Jährige nach Zürich: ans Haus Konstruktiv, einem der bekanntesten Ausstellungshäuser der Limmatstadt mit einem Akzent auf konstruktiver und konkreter sowie Konzeptkunst.

Vernissage der Ausstellungen Christopher Orr, Laurent Grasso und Manuel Graf im Kunsthaus Baselland sowie Abschiedsfest für Sabine Schaschl mit einer Rede von Kunstvereins-Präsident Anthony Vischer: Freitag, 19. April, 19 Uhr.

Schaschl verlässt das Kunsthaus Baselland in einem Moment, in dem dessen Zukunft unklar ist. Seit Jahren denkt der Trägerverein, der Kunstverein Baselland, über einen Standortwechsel nach. Im Visier steht das Dreispitzareal, wo ein Neubau geplant war, der aber aus finanziellen Gründen nicht zustande kam. Nun sucht man dort nach einem geeigneten Gebäude, das man umbauen könnte. Schaschl stand einem Umzug nicht nur wohlgesinnt gegenüber. Uns erklärt sie unter anderem, weshalb.

Frau Schaschl, im Kunsthaus Baselland wird gerade einiges neu: Es hat markante Wechsel im kleinen Team gegeben, der Umzug auf den Dreispitz ist in Planung – und nun gehen Sie. Zufall? Oder aus Frust?

Nach elf Jahren ist es gut zu gehen. Mein Team und ich haben das Kunsthaus mit vereinten Kräften ­dahin gebracht, wo es heute ist. Oft musste ich hart durchgreifen und so manche abstruse Idee von aussen abwehren. Aber das war ­notwendig, um der Institution ein starkes Profil zu geben und um klarzustellen, dass der einzige Schwerpunkt des Kunsthauses die Kunst ist. Und nicht das Abhalten von ­Partys und Vermietungen aller Art – auch wenn wir dies auch gemacht haben. Aber diese mussten sich immer der Kunst unterordnen und mit ihr in Abstimmung stehen und nicht umgekehrt.

«Effizientes Denken nebst kuratorischer Leidenschaft ist ­sicherlich weiterhin gefragt.»

Sie kamen 2001 hierher, als das Kunsthaus erst wenige Jahre alt war. Sie haben dem Haus das Profil gegeben, aber auch sich selber. Inzwischen identifiziert man das Kunsthaus quasi mit Ihnen. Wird es für einen Nachfolger nicht schwer, in Ihre Fussstapfen zu treten?

Ja und nein. Es ist nicht schwer, weil das Haus sehr gut eingeführt ist und international einen guten Ruf geniesst. Schwer wird es sicherlich weiterhin sein, mit dem kleinen ­Budget und den grossen Räumen zu arbeiten. Effizientes Denken nebst kuratorischer Leidenschaft ist sicherlich weiterhin gefragt.

Der angedachte Umzug auf den Dreispitz bringt auch andere ­Voraussetzungen. Vielleicht reizt genau diese Herausforderung die Nachfolge. Wieso haben Sie sich einst beworben?

Ich war damals noch in Frauenfeld im Shed im Eisenwerk tätig und wurde als Gastkuratorin für die ­Ausstellung «Tabu» im Kunsthaus angefragt. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich das erste Mal vor dem Gebäude stand und mir dachte, was das für ein unauffälliges Haus ist – und dann stand ich drin und dachte, wow, was ist denn das für ein tolles Haus! Solche Räume gibt es selten. Glücklicherweise hat man mich aufgefordert, mich zu bewerben. Ich habe das nie bereut.

Die Räume – ein grosser Tageslichtsaal, eine Shedhalle im Untergeschoss sowie kleinere Galerieräume – sind aber nicht einfach zu bespielen …

Wahrscheinlich nicht, für mich aber inzwischen schon. Meine häufig vorgenommene Aufteilung in drei Einzelausstellungen hat sich aus der Arbeit und den Bedürfnissen der Kunst heraus ergeben. Es gibt nur wenige Künstler, die sich das Kunsthaus finanziell leisten kann, die mit 1200 Quadratmetern umgehen können. Das bräuchte ein riesiges Produktions- und Architekturbudget, und das haben wir nicht.

«Ich habe immer gesagt, Dreispitz ja, aber auf keinen Fall um jeden Preis.»

Sie taten sich zeitweise sehr schwer mit dem Gedanken an ­einen Umzug. Hat das mit Ihrer Liebe für die Räume hier zu tun?

Ich habe immer gesagt, Dreispitz ja, aber auf keinen Fall um jeden Preis. Man muss sich überlegen: Was hat man hier, was kriegt man dort. Den Neubau-Entwurf der Deplazes ­Architekten habe ich sehr gut gefunden, und ich habe im Geiste schon mit einem neuen Kunsthaus geplant. Leider war dessen Umsetzung nicht finanzierbar. Als man mir andere Räume zeigte, die sich in erster Linie durch eine überdimensionale Anzahl an Säulen und eine niedrige Raumhöhe auszeichneten, stand ich mit meiner kritischen Einstellung alleine da. Viele unserer Ausstellungen wären darin nicht möglich gewesen. Aber der Vorstand sucht nun weiter, und ich kann mir gut vorstellen, dass die Zukunft des Kunsthauses Baselland am Dreispitz liegt.

Das Kunsthaus liegt im ­Moment an einem Unort, an der Grenze zwischen Baselland und Basel-Stadt. War dieser Standort für Sie je ein Problem?

Anfangs vielleicht. Als ich kam, wurde gerade das Stadion eröffnet. Und für viele Basler ist das Stadion nicht weit weg – also war auch plötzlich das Kunsthaus nicht mehr weit weg. Trotzdem habe ich die ersten paar Jahre öfter gehört, dass das Kunsthaus so weit weg sei. Diese Vorstellung hatte etwas mit dem Wort ­«Baselland» zu tun. Seit Jahren aber durfte ich erfahren, dass diese «Distanz im Kopf» immer kleiner wurde.

Sie haben mit Ihrem Programm immer mehr in Richtung des ­urbanen Basel geschaut als ins Land hinaus …

Ja, meine Ausrichtung war immer: zuerst die Kunst, dann die Region, dann international. Die regionale Kunstszene wurde mit den regelmäs­sigen Ausstellungen sehr stark gefördert. Ich fand immer, ein Haus ist nur so gut, wie es sich auch mit der Stadt, mit der Umgebung vernetzt. Und das Haus steht nun mal nicht in New York oder Miami, sondern es steht in Muttenz, und Muttenz ist ganz nahe an Basel, in Basel leben zahlreiche Künstler, und deshalb muss sich diese Institution zuerst mit Basel vernetzen.

Haben Sie sich kulturpolitisch nie in der Zwickmühle gefühlt?

Die einzige Zwickmühle war wohl die, dass ich immer versucht habe, mehr Geld für das Kunsthaus zu bekommen. Das war sehr schwierig und hatte auch damit zu tun, dass der Kanton Baselland in seiner Förderpolitik einen stärkeren Akzent auf Theater und Musik legt – die bildende Kunst steht da nur sehr selten im Fokus.

«Ich habe das historische Arbeiten oft vermisst.»

Gleichzeitig ist das Kunsthaus Baselland das führende Haus für Kunst im Kanton. Nun führt Sie Ihr Weg nach Zürich, ins Haus Konstruktiv, das nur ein Player unter vielen ist. Sind Sie gespannt, wie das funktioniert?

Ich bin sehr gespannt. Das Haus Konstruktiv ist ein wichtiger Player. Für mich verkörpert es ein zukünf­tiges Modell von Kunstinstitution überhaupt: eine Institution, wo Zeitgenössisches mit Kunstgeschichte verbunden wird. Man hat das historische Erbe der Moderne mit der konkreten, konstruktiven und, ganz wichtig, der konzeptuellen Kunst. Vor allem Letztere bildet die Brücke für zeitgenössische Ausstellungen. Es ist also nicht nur Museum oder nur Kunsthalle, sondern beides. Es wird darum gehen, beides geschickt miteinander zu verbinden.

Sie haben dem Kunsthaus ein Profil gegeben, machten Ausstellungen, in denen Ihr eigener Geschmack wichtig war. Dazu gehörte viel sinnliche Kunst, die man nicht unbedingt mit der Strenge der konkreten Kunst verbindet. Wird das nun zur Herausforderung?

Definitiv. Es ist aber auch eine Rückkehr zu den Wurzeln, zum Kunstgeschichtsstudium und zu meinen Anfängen im Museum. Ich habe das historische Arbeiten oft vermisst. Manche meiner Ausstellungen hätte man auch durchaus im Haus Kon­struktiv zeigen können, und nicht ­zuletzt konnten auch einige der Künstler, welche ich schon sehr früh gezeigt habe, später im Haus Kon­struktiv ausstellen – wie kürzlich ­Kilian Rüthemann.

Haben Sie schon konkrete Projekte fürs neue Haus?

Ich hatte schnell ganz viele Ideen. Aber noch ist nicht der Zeitpunkt, sie zu nennen, sie müssen erst fixiert werden. Ich übernehme anderthalb Jahre Programm, wobei ich dort und da ergänzend ins bestehende Programm hineinarbeiten werde.

«Dem Kunsthaus wäre oft mit ver­hältnismässig wenig Geld schon geholfen gewesen.»

Gibt es etwas, was Sie ­vermissen werden?

Ich werde sicherlich mein Team vermissen, aber ich freue mich bereits auf die Zusammenarbeit mit meinem neuen Team. Aber vor allem das ­Publikum. Mit einer Leitungsstelle solch einer Institution baut man auch eine Beziehung zu einer Stadt auf. Ich habe mich in Basel immer sehr willkommen und wohl gefühlt und hoffe, dass mich mein Publikum auch nach Zürich begleitet.

Und was werden Sie gar nicht vermissen?

Im Nachhinein wird wohl so einiges schöner, was vielleicht im Moment nicht so toll war … (lacht). Nicht vermissen werde ich sicherlich den oft absurden Kampf um Ausstellungs­unterstützungen – aus der Perspek­tive Kunsthaus Baselland. Ich fand es immer schwer zu verstehen, dass eine der grössten Stiftungen der Schweiz, die Christoph Merian Stiftung, per Statuten nichts im Kanton Baselland fördert, aber dennoch dort ihr Vermögen ausbaut – nicht zuletzt am Dreispitz. Es wird nie für die Sache gekämpft, die Kunst an sich interessiert sie nicht. Diskrepanzen dieser Art werde ich nicht vermissen.

Sie haben mit dem Kunsthaus Baselland einige Preise bekommen, zum Beispiel den Eidgenössischen Preis für Kunsträume des Bundesamtes für Kultur – wurmt Sie auch, dass dies nicht honoriert wird?

Ich glaube, Sponsoren schauen nicht auf solche Preise, obwohl mich das auch etwas erstaunt hat. Mutige Sponsoren sind leider Mangelware. Dem Kunsthaus wäre oft mit ver­hältnismässig wenig Geld schon geholfen gewesen. Das wäre auch für die Sponsoren eine gute Chance gewesen, am permanent gestiegenen Erfolg des Kunsthauses zu partizipieren.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.04.13

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