Myrta Kuni schreibt ein Stück Arisdörfer Dorfgeschichte

Was geschieht, wenn man Wahrheit und Fiktion zu einer Geschichte vereint? Myrtha Kuni hat sich daran gewagt. Dabei ist nicht einfach ein Buch entstanden. Das Verweben von tatsächlichen Begebenheiten, Skandalen und Gräueltaten aus dem Arisdorf der 1920er Jahre mit Kunis Fantasie ergibt eine spannungsvolle Mischung aus Liebesgeschichte, Drama und Thriller.

Myrta Kuni, die Quereinsteigerin.

(Bild: Lucas Huber)

Was geschieht, wenn man Wahrheit und Fiktion zu einer Geschichte vereint? Myrtha Kuni hat sich daran gewagt. Dabei ist nicht einfach ein Buch entstanden. Das Verweben von tatsächlichen Begebenheiten, Skandalen und Gräueltaten aus dem Arisdorf der 1920er Jahre mit Kunis Fantasie ergibt eine spannungsvolle Mischung aus Liebesgeschichte, Drama und Thriller.

Träumer? Aufklärer? Rebell? Fritz Martin ist ein Bauernbub, Fettflecken auf der Hose, Stallgeruch im Haar. Wir schreiben das Jahr 1920, der Krieg steckt Europa in den Gliedern, die Schweiz ist ein Agrarland, und in Arisdorf trägt sich Tragisches zu. Mittendrin strampelt sich besagter Fritz Martin an der Engherzigkeit seiner Zeit ab. Fritz, der es gut mit Tieren kann, aber viel lieber Kunstmaler wäre.

So beginnt das Verhängnis in Myrtha Kunis Erstling «Septemberträume», der Ende August im Johannes Petri Verlag Basel erschienen ist. Mit ihrer Geschichte rund um Glück und Schmerz, um Traditionsglaube, Freiheitsdrang und Wut, öffnet die Arisdörfer Autorin eine Tür in eine neue Dimension.

Akribische Kleinarbeit

Myrtha Kuni, 71 und eine bislang Unbekannte in der Gilde der Schreibenden, ist Quereinsteigerin. Bis zur Pensionierung arbeitete sie als Direktionsassistentin, zuletzt im Feldschlösschen in Rheinfelden. Sie nimmt tatsächliche Geschehnisse aus dem Arisdorf der 1920er Jahre als Basis für ihren Roman.

In akribischer Kleinarbeit hat sie sich im Staatsarchiv des Kantons durch Wuste von Tageszeitungen zwischen 1920 und 1924 gearbeitet. Sie hat fast hundertjährige Gemeinderatsprotokolle gesichtet und die wahren Begebenheiten von damals zu einer tragischen Liebesgeschichte und den Ausbruch aus den Zwängen und Konventionen, die damals herrschten, verwebt. «70 Prozent des Buches fussen auf Tatsachen», sagt die Autorin, die es versteht, die Leser in einer eigenen, der damaligen Zeit angepassten Sprache zu entführen.

Frau Kuni, hatten Sie Kontakt zu den «echten» Protagonisten?

Ich habe tatsächlich mit gewissen Menschen gesprochen, die involviert waren oder die Ereignisse miterlebt haben. Bei anderen weiss man nicht genau, wer dahintersteckt, allerdings habe ich Vermutungen. Ich wurde richtiggehend hineingezogen in die einstigen Verstrickungen und lernte viel über die Zeit von damals.

Diese Art der Aufarbeitung von Dorfgeschichte trifft den Nerv eines Dorfes, das viel auf seine Gemeinschaft hält. In Arisdorf, wo «Septemberträume» spielt und wo Kuni aufgewachsen ist und immer noch lebt, tanzt der Bär, wenn man so will, die Einwohner bilden ein homogenes Kollektiv, aus Hauseinweihungen werden Dorffeste, und beim Schulhausneubau gibt es nicht nur den Spatenstich, sondern auch die Grundsteinlegung.

Es ist ein Kollektiv, das in Kunis Roman noch in weiter Ferne liegt. Hier reüssiert Fritzens dem Alkohol verfallener Vater, Menschen sterben und es grassiert die Maul- und Klauchenseuche, wie sie das tatsächlich tat, damals, 1920.

Frau Kuni, wie kamen Sie auf die Idee, Ihre fiktive Geschichte auf Wahrem aufzubauen?

Ich bin ja bei der Theatermühle, dem Theaterverein Arisdorfs. Vor Jahren besuchten wir eine Aufführung in Möhlin, in der historische Nachrichten aus dem Dorf in ein Theaterstück verpackt wurden. Ich war hin und weg, ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Danach recherchierte ich, um ein entsprechendes Stück für Arisdorf zu schreiben. Das wurde zwar noch nie aufgeführt, bildete aber die Grundlage für «Septemberträume». Das Buch ist die exakte Romanadaption meines Theaterstücks.

Rückblickend sind Myrtha Kuni besonders jene Einfälle in Erinnerung, die ihr hoch zu Ross kamen. Dann eilte die passionierte Reiterin nach Hause an den Computer, um zu tippen, was ihr auf dem Rücken ihres Pferds als Geistesblitz erschienen war.

Rund ein Jahr hat sie am Roman gearbeitet. Ende des vergangenen Jahres sandte sie das Manuskript schliesslich an vier Verlage, wissentlich, dass sie eine von vielen wäre und die Chancen auf eine Veröffentlichung gering.

Doch der Verlag Johannes Petri in Basel nahm das Werk nicht nur in sein Programm auf; er nominierte es als einen seiner zwei Beiträge für den Schweizer Buchpreis. Myrtha Kuni grinst und winkt ab, wenn man sie nach den Siegchancen fragt. «Doch allein die Tatsache, mit einem Lukas Hartmann oder einem Pedro Lenz genannt zu werden, ist eine ungemeine Ehre für mich.»

Bunter Hund
Myrtha Kuni, 71, ist bekannt in ihrer Heimatgemeinde Arisdorf wie ein bunter Hund. Sie wurde als erste Frau des Kantons in einen Bürgerrat gewählt. Kuni ist pensioniert. Sie arbeitete in verschiedenen Unternehmen in der Region als Direktionsassistentin, zuletzt bei Feldschlösschen in Rheinfelden.

_
Buchvernissage und Lesung mit anschliessendem Apéro: Donnerstag, 10. September 2015, 19.30 Uhr Gemeindesaal (altes Schulhaus) Arisdorf. Das Buch ist im Fachhandel und via www.schwabe.ch erhältlich.

Myrtha Kuni
: «Septemberträume. Dorfgeschichte(n) von anno 1920», 2015. 211 Seiten, 3 Abbildungen. Gebunden.
 
ISBN 978-3-03784-069-6

Nächster Artikel