Nach dem Après-Ski

Der Österreicher Lois Hechenblaikner (54) zeigt, was von Winterpisten im Sommer übrig bleibt und wie die Berge zur Spasslandschaft umfunktioniert werden. Eine Begegnung mit einem unbequemen Zeitgenossen. 

Lois Hechenblaikner bei einer Führung in Bern. (Bild: Stefan Boss)

Der Österreicher Lois Hechenblaikner (54) zeigt, was von Winterpisten im Sommer übrig bleibt und wie die Berge zur Spasslandschaft umfunktioniert werden. Eine Begegnung mit einem unbequemen Zeitgenossen. 

Er ist nicht nur ein begnadeter Fotograf, sondern auch einer, der gerne über seine Werke spricht und packend zu erzählen weiss: Deshalb hat er die 50-60 Personen schnell für sich gewonnen, die an der Führung durch seine Ausstellung «Intensivstationen» im Alpinen Museum Bern teilnehmen.

Gleich zu Beginn des Rundgangs versperren fünf Tonnen Skimüll dem Besucher den Weg. So gross sei die Ernte eines Tales in einer Saison, sagt der gebürtige Tiroler Lois Hechenblaikner. Darüber hinaus sind Fotos und Videos zu sehen mit Bergwäldern, die durch Pisten zerschnittenen werden; mit Türmen von leeren Bierharassen bei Saisonschluss; sowie mit Alkoholleichen, die im schmelzenden Schnee liegen.

Herr Hechenblaikner, Sie zeigen in Ihren Werken , welche Zerstörungen der Skitourismus anrichtet. Haben Sie etwas gegen Skifahrer? 

Ich? Überhaupt nicht (lacht). Ich bin selber Skifahrer, meine Kinder fahren Ski. Bei uns im Tirol und in Salzburg hat der Skitourismus aber zu Exzessen geführt. Diese versuche ich in meinen Arbeiten zu dokumentieren. 

Gab es in ihrem Werdegang ein Schlüsselerlebnis?

Ja, ich wurde in den neunziger Jahren angefragt, ein Buch über meine Heimat zu machen, das Alpbachtal. Auf 145 Seiten wollte ich idyllische Aufnahmen zeigen, auf einer ein kritisches Foto mit einem Holzwagen und Souvenirs, die bei uns verkauft wurden: Es handelte sich um Importschrott aus Hongkong. Dies hat bei den Auftraggebern des Buches zu Krisensitzungen geführt. Zwar kam das Bild dann trotzdem rein. Der ganze Wirbel stimmte mich jedoch sehr nachdenklich, und seither beschäftige ich mich intensiv damit, wie die Berge zur Spasskulisse und Eventbühne gemacht werden. 

Tourismusmanager zeigen ja mit Vorliebe die schönen Seiten der Landschaft. Und Sie konzentrieren sich auf die Schattenseiten? 

Ich sehe mich als fotografisches Korrektiv der Bilder, welche die Tourismusindustrie produziert. Die betreibt Schönfärberei, sie produziert einen Schleier. Ich versuche, diesen Schleier herunterzureissen, ich zeige die Realität. Die Leute machen ja immer kürzer Urlaub, und sie bezahlen immer mehr. Da hat eine ungeheure Urlaubsverdichtung stattgefunden.  

Haben Sie auch schon die Hinterbühnen der Schweizer Wintersportorte ausgeleuchtet?

Ich war in Crans-Montana, dort war ich schockiert über die Dichte der Zweitwohnungen. Dort könnte ich zum Beispiel Tausende verschlossene Fenster fotografieren. Ich denke aber, dass in der Schweiz die Berge noch nicht in diesem Grad wie in Österreich zur Spassbühne degradiert werden. Im Ötztal hat man für das Event «Hannibal» lebendige Elefanten auf einen Gletscher gebracht und Hunderte von Litern Öl verbrannt, so dass eine riesige schwarze Wolke über dem weissen Berg thronte. Inzwischen wurden die Elefanten zwar durch Pistenfahrzeuge ersetzt, die über Schnee und Eis donnern, das macht die Sache aber auch nicht viel besser. 

Sind Sie ein Ökofanatiker? 

Nein, ich bin weder ein grüner Soldat noch ein Heimatschützer.  Ich bin zum Beispiel mit dem Auto für die Führung hier nach Bern gefahren. Mein Anliegen ist es, auf gewisse Exzesse aufmerksam zu machen. Ich habe gute Kontakte zu Tourismusverantwortlichen und will, dass ich in diesen Kreisen ernst genommen werde. 

In der Publikumsführung erzählten Sie sehr lebendig, wie Sie arbeiten. Dabei machten sie auch ein paar Sprüche über die Tiroler.  Ist es nicht billig, sich in der Schweiz über die Österreicher lustig zu machen? 

Ich versuche, den Volkscharakter herauszuschälen. Ich bin immer wieder im Maschinenraum der Tourismusindustrie und habe dort viel bauernschlaue Schlitzohrigkeit erlebt. Wenn das zum Lachen ist, dann ist es halt so. Bei der Eröffnung der Ausstellung in Bern war ein Mann da, der hat geweint angesichts der Zerstörung vieler Alpenlandschaften.

Sie zeigen drastische Bilder und verwenden manchmal drastische Worte. Kann man in der Mediengesellschaft nur so noch Aufmerksamkeit erregen? 

Die Leute nehmen mehr mit, wenn sie in einer Führung etwas gut präsentiert kriegen. Die Aufgabe des Aphorismus ist es ja, etwas zu verdichten.  Ich möchte, dass die Besucher etwas nach Hause nehmen und die Ausstellung weiterempfehlen. 

Fotografieren Sie auch im Sommer? 

Die Bautätigkeit für die Winterindustrie erfolgt ja im Sommer. In dieser Jahreszeit fotografiere ich Pisten und gehe auf Baustellen. Dann ragen die Elektrokabel noch aus dem Boden und wir sehen die Bagger, die aus Naturlandschaften Freizeitlandschaften bauen. Daneben beschäftige ich mich seit Jahren intensiv mit dem Thema Volksmusik – dazu könnte ich auch eine Ausstellung machen. 

Weshalb arbeiten Sie mit einer Grossbildkamera?

Ich mag die Verlangsamung: Es braucht 20 Minuten, bis man das Stativ aufgestellt hat und ein Bild gemacht hat. Zudem entstehen Bilder in einer sehr hohen Auflösung, die man als Grossformate zeigen kann. 

Gibt es noch Augenblicke, in denen Sie die mehr oder weniger unberührte Natur in den Bergen geniessen können?

Ja, sicher. Es gibt ja nach wie vor viele unberührte Orte. Zahlreiche Menschen heute sind aber unheimlich ängstlich und gehen auf vorgetretenen Pfaden. 

Die Ausstellung «Intensivstationen» im Alpinen Museum Bern, die ohne erklärende Texte auskommt (dafür bekommen die Besuchenden einen «Pistenplan» in die Hand gedrückt), dauert noch bis zum 24. März.

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