Navel: Stein für Stein zur stabilen Mauer

Navel haben sich Zeit gelassen, ihr Album «Songs of Woe» zu taufen. Jetzt ist es soweit. Am kommenden Samstag tritt das Quartett die Kasernen-Bühne zum Heimspiel an. Zur Einstimmung ein Porträt von Frontmann Jari Antti.

Jari Antti in seinem Keller in der Hammervilla: «Als Schweizer Musiker bist du automatisch weniger wert als eine Gruppe aus Amerika oder England.» (Bild: Nils Fisch)

Jari Antti ist der unbestrittene Frontmann von Navel. Teamwork fällt ihm nicht leicht. Doch er arbeitet daran. Am kommenden Samstag stellt er mit seiner Band in der Kaserne Basel das neue Album «Songs of Woe» vor.

Jari Antti sitzt im Souterrain der Hammervilla beim Wettstein-Platz. Hier hat er das neue Navel-Album «Songs of Woe» gemischt, nun gibt er Interviews. Am Nachmittag waren zwei Journalisten aus dem Welschland da. Als die Delegation der TagesWoche eintrifft, verabschiedet sich gerade David Burger, der die Band künftig managen wird. Nach unserem Besuch wird der Navel-Frontmann per Skype mit dem deutschen Magazin «Visions» sprechen.

Wenn Antti redet, klingt er entschlossen, Körperhaltung und Sprechtempo aber wirken gelassen, fast lethargisch. Vielleicht rührt die Ruhe ja daher, dass seine Band tatsächlich zwei Alben hintereinander in fast unveränderter Besetzung eingespielt hat. Früher wechselte diese fast im Jahrestakt. Jetzt ist nur der Schlagzeuger neu. Was ist denn da passiert?

Gemeinsam eine Mauer bauen

«Keine Ahnung», sagt der Bandleader und zieht an der selbstgedrehten Zigarette. Dann spricht er von der Stabilität im Umfeld der Band, ihrem deutschen Label Noisolution, bei dem sie seit 2011 veröffentlichen. Zudem übernehme jeder in der Band Aufgaben, die über die Musik hinausgehen: «Jeder hat seinen Stein zu tragen, damit wir zusammen eine stabile Mauer aufbauen können. Mal schauen, wie lang sie hält.»

Musikalisch fällt ihm die Arbeitsteilung bis heute nicht leicht: «Ich bin immer noch am Lernen, wie man abgibt. Meistens habe ich wohl zu genaue Vorstellungen, wie es klingen soll. Mit der Zeit wird der Einfluss der anderen grösser werden. Hoffe ich.»

Als Navel vor zehn Jahren die Bühne betraten, wurde um die Newcomer ein Hype entfacht, wie man ihn in der Schweiz kaum einmal erlebt hat. Ihr damaliger Labelboss Patrick Wagner von Louisville Records jubelte die Band in den Rock-Olymp. Es gab Tourneen im Vorprogramm der Queens of the Stone Age, Auftritte in England und beim legendären SXSW-Festival in Austin.

«Navel ist Leidenschaft und ein Job.»

Unterdessen ist Louisville Records bankrott und Navel spielen noch immer in überschaubaren Klubs. Aus der grossen Schweizer Rockhoffnung ist eine Band geworden, die in den letzten vier Jahren drei Alben veröffentlicht hat und sich wie viele andere in kleinen Klubs abrackert. Antti stört das nicht. Ihm sei der Hype damals nicht zu Kopf gestiegen. Das sei zwar «spannend» gewesen, «aber jetzt sind wir auf einem bewussteren Weg.»

Dieser Weg ist kein leichter. «Ich habe meinen letzten Rappen in die Produktion der neuen Platte gesteckt», sagt Antti. Einnahmen generiert die Band nur über Gagen sowie Beiträge von Stiftungen. Für den Bandleader, der auch als Produzent und Toningenieur arbeitet, gibt es trotzdem nur die Musik: «Navel ist kein Hobby. Das war es für mich nie und das soll es auch für die anderen Musiker auf keinen Fall sein. Navel ist Leidenschaft und ein Job.»

Versteckt hinter der Verzerrung

«Songs of Woe» (zur ausführlichen Besprechung bitte hier entlang) klingt unverwechselbar nach Navel. Es gibt Blues, Folk und schwer verzerrten Rock, psychedelischen Lärm und Herzblut-Balladen. Und Geigen. «Ich bin gerade ein grosser Fan von Mellotron-Streichern», grinst Antti. Schon auf den Vorgängeralben erkundete die Band allerlei Spielarten der Rockmusik und ihrer Wurzeln, doch so stilsicher gebündelt fand man die unbestrittenen Qualitäten dieser Band auf Albumlänge bislang nicht.

Eine Art Markenzeichen ist der verzerrte Gesang, der dadurch entsteht, dass Antti durch die Membran eines Telefonhörers singt. «Als ich das fertige Album gehört habe, bin ich erschrocken», sagt der Sänger. «Gleich bei den ersten vier Songs ist die Verzerrung der Stimme am extremsten. Da habe ich mich selber gefragt: Scheisse, warum hab ich das gemacht? Vielleicht steckt dahinter eine Art Schüchternheit.»

«100 Leute sind keine kleine Gruppe. Für mich ist das ein Wahnsinnspublikum.»

Im Nachhinein findet Antti, er habe es mit der Verzerrung übertrieben. Aber er geht halt noch immer gern in die Extreme. Er kann nichts damit anfangen, wenn ein Tontechniker die Regler in Zehnteldezibel-Schrittchen dreht. «Ich finde es kreativer, richtig zu wüten.»

Die nächsten Wochen und Monate werden Navel in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland Konzerte geben. Die Band hat eine solide Fanbasis, in Deutschland kommen zwischen 100 und 300 Leute zu den Konzerten. Antti findet das nicht wenig: «100 Leute sind keine kleine Gruppe. Für mich ist das ein Wahnsinnspublikum. Ich will mit diesen Leuten eine gute Party haben, ihnen geben, was sie mir geben.»

Der Traum von der Never Ending Tour

Er hat keine Ambitionen, vor Tausenden von Leuten zu spielen, sondern will weiter Platten machen, die er auch daheim hören möchte. Mehr Auftritte wünschte er sich aber schon. «Am liebsten würde ich auf eine Never Ending Tour gehen, so wie Bob Dylan. Aber es ist ein Unterschied, ob du im Nightliner reist oder ob du morgens um acht im Mini-Van losfährst, um rechtzeitig in der nächsten Stadt anzukommen. Da bewundere ich Leute wie Tony (Anthony Thomas), der das mit den Lombego Surfers seit Jahrzehnten auf diese Art durchzieht.»

Nächstes Jahr wollen Navel ihren Aktionsradius ausdehnen, namentlich nach Frankreich und in die Benelux-Staaten. Schritt für Schritt und mit viel Eigeninitiative. Klar haben sie ein Label, ein Management und Booking-Agenturen. «Aber du musst auch selber den Arsch hochkriegen. Nicht, dass ich selber direkt bei englischen Klubs anfrage. Aber man kann Agenten kontaktieren, Leute finden, die für unsere Art Musik schwitzen.»

Der mangelnde Respekt

Seine Herkunft sieht er dabei als Problem. «Das Traurige ist ja, wie die Leute auf eine Schweizer Band schauen. Du bist automatisch weniger wert als eine Gruppe aus Amerika oder England.» Auf den Einwand, das sei doch früher viel schlimmer gewesen, nickt er zögernd: «Es hat sich gebessert, aber es mangelt noch immer an Respekt.»

Es ist heiss geworden im Keller der Hammervilla. Der Radiator lässt sich kaum regulieren. Als der Journalist geht, lässt Antti die Tür auf die Treppe zum Garten offen. Er braucht ein bisschen frische Luft. Bald folgt das nächste Interview. Jari Antti macht seinen Job. Damit er seine Leidenschaft leben kann.

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Plattentaufe: Samstag, 31. Januar, 21 Uhr, Kaserne Basel. Frühes Erscheinen empfohlen, denn zum Auftakt spielt Fai Baba aus Zürich psychedelischen Blues vom Feinsten.

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