Nazis, Wagner und Touristen – sie alle liegen falsch, wenn es ums «Rheingold» geht

Einmal musikalisch den Rhein hinab, von Basel nach Rotterdam – nichts anderes will uns Rüdiger Oppermann bieten.

Der Schatz des Rheins, das Rheingold, das uns vor allem an Richard Wagners Oper denken lässt – von Rüdiger Oppermann neu umgesetzt.

Einmal musikalisch den Rhein hinab, von Basel nach Rotterdam – nichts anderes will uns Rüdiger Oppermann bieten.

Er ist ohne Zweifel einer der Pioniere, wenn es um die Begegnungen der Kulturen der Welt geht. Mit seinem Klangwelten-Festival schweift Rüdiger Oppermann seit Jahrzehnten über den Globus, bringt Musiker aus allen Kontinenten zusammen. Jetzt allerdings scheint das Suchen in der Ferne erst einmal vorbei zu sein. 


«Wie kann es sein», fragt sich der 61-Jährige, «dass ich mich bis in tiefste Verästelungen der altirischen Tradition vergrabe, in afrikanische Polyrhythmik, asiatische Feinabstimmung, keltische Anderswelt, jedoch die Musik unserer eigenen Region im Nebel bleibt?» Daher widmet er sich jetzt mit seinem neuesten Projekt der Heimat und zugleich dem mythischsten Fluss Europas.

«Rheingold» ist Heimkehr und Herausforderung: Eine neue Deutungshoheit des Stoffes, der von Wagner, Nazis und Touristenromantik gleichermassen verzerrt wurde, sei sein Ziel, sagt Oppermann. 



Von den Trommeln des Morgestraichs bis zur Loreley

«Es herrschte über 50 Jahre ziemlich Ruhe bei diesem Thema, niemand wollte sich die Finger dreckig machen. Ich gehe das Ganze neu an, frage nach der wirklichen Geschichte des Rheingolds, schaue, was am Fluss vor 1000, sogar vor 30’000 Jahren passiert ist. Um wissenschaftlich auf den aktuellen Stand zu kommen, habe ich mich mit Mediävisten, Philologen, Musikologen getroffen. Mit dem Germanenkult der Nazis hat das gar nichts mehr zu tun.» Oppermann schlägt einen gewaltigen Bogen von der Eiszeit bis zum Industriezeitalter, bindet seine musikalischen Erkenntnisse und Freundschaften aus allen Weltgegenden ein, knüpft eine Menge musikhistorischer Querverweise mit dem geografischen Verlauf des Stroms als Zeitachse.

Die CD gab bereits eine Vororientierung auf die Bühnenversion, die nach der Uraufführung 2015 in Worms nun im Rahmen einer Schiffsreise zwischen Basel und Xanten präsentiert wird: Ein Jodel durchtönt das Quellgebiet in der Ouvertüre, Eiszeitflöten, Hörner und Schwirrhölzer besiedeln die archaische Sphäre, in der der Hörner-Fachmann Franz Schüssele zum Einsatz kommen wird.

Lautmalerisch ist der Durchgang durch den Bodensee und den tosenden Rheinfall, schliesslich hört man die Trommeln des Basler Morgestraichs (Claudia Beck, Regula Winzeler). 

Mit Gambenmusik des Barockmeisters Johannes Schenck und mit Volksmelodien aus dem Elsass geht es an den Oberrhein.

Bis dann das Kerngebiet des Rheingolds erreicht wird, zugleich Initialzündung für das Projekt: Der Goldhut von Schifferstadt, ein 3500 Jahre alter Magierhut dient Oppermann als Exkursion ins Schamanische mit dem alten mongolischen Weggefährten, dem Sänger Enkh Jargal. Der verkörpert schliesslich auch in der Oppermannschen Version des Nibelungenliedes den Attila.

Weitere weltmusikalische Ausflüge werden mit den römischen Legionären aus orientalischen und balkanischen Provinzen unternommen, Thomas Busch von den Wormser Dombläsern bedient hier das antike Blaswerk. Und die «Lore Lay» mit wallendem Haar (Jenny Thiele) darf in einer szenischen Einlage natürlich nicht fehlen.

Sehr physisch dagegen der rhythmisierte Industrieklang, der das Ruhrgebiet widerspiegelt. Im kurzen und bündigen Finale schliesslich weitet sich der Rhein ins kosmopolitische Rotterdam – mit einer Samba-Band, in der der Sohnemann des Harfenisten Oppermann mittrommelt.



Ein Ausflugsschiff als Bühne 



Ein gewaltiger logistischer Aufwand, der da für die vierzehn Stationen zwischen Basel und des sagenhaften Siegfrieds Heimatstadt Xanten am Niederrhein betrieben werden muss. Nicht zuletzt, da die Bühne auf einem eigens gemieteten Ausflugsschiff platziert ist – die Zuhörer sitzen den achtzehn Musikern am Ufer gegenüber.

«Geeignete Anlegestellen am Fluss ausfindig zu machen, war ziemlich schwierig. Wir müssen mit den Umgebungsgeräuschen, den vorbeifahrenden Schiffen leben. Dann kommt dazu, dass es wenige Veranstalter gibt, die das direkt am Fluss buchen wollten – am Rhein findet sonst eher massentaugliche Musik statt. Und die Gesetzeslage für die Genehmigungen ist so unglaublich kompliziert! Mittlerweile habe ich drei Aktenordner voll mit Schriftverkehr.»

Hubert von Goisern, der vor ein paar Jahren auch eine Rhein- und Donaureise unternommen hat, so verrät Oppermann, habe mit ähnlicher Bürokratie zu kämpfen gehabt. 

Bereits letztes Jahr sollte im Museum der Kulturen Basel ein Testlauf stattfinden, doch Anwohner nahmen Oppermanns «Rheingold» zum Anlass, dort ein generelles Konzertverbot durchzusetzen.

Für dieses Jahr konnte Oppermann nach Monaten der Verhandlung an der Basler Schifflände eine Genehmigung für rund 100 Zuschauer erreichen. Der Stoff macht es dem Spiritus Rector nicht leicht, so scheint es. Doch irgendwie passt das auch: Denn auch das Rheingold, jener sagenhafte Nibelungenschatz, entzieht sich ja bis heute einer genauen Ortung.   

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«Rheingold», 
8. Juli, Basel, Schifflände, 19 Uhr; 
9. Juli, Weil am Rhein, Anleger beim Rheinpark Friedlingen, 19.30 Uhr.


Infos und Karten auf der Website von Klangwelten.



CD
: Rüdiger Oppermann & The Global Players
, «Rheingold» (2 CDs, Klangwelten Records).

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