Das Kunstmuseum Basel leidet unter Geldnot. Die TagesWoche hat dies bereits im Februar aufgegriffen. Damals stellte das Haus eine «finanzielle Schieflage» noch in Abrede. Ganz anders in der letzten Woche. In einem Interview mit der «Basler Zeitung» und einem Bericht in der «bz Basel» rapportierte Kunstmuseumsdirektor Josef Helfenstein, dass das erweiterte Museum arg «unterfinanziert» sei: «Wir haben ein strukturelles Problem und es geht nicht nur um dieses und das nächste Jahr, sondern um die Zukunft dieses Museums», sagte er im Interview mit der «Basler Zeitung».
Es stellt sich heraus, dass im Vorfeld der Eröffnung des Erweiterungsbaus und damit auch vor Helfensteins Amtsantritt massiv falsch kalkuliert wurde. Waren im Modellbudget 2015 bei den Eintritten und Führungen 4,4 Millionen Franken Einnahmen anvisiert, musste sich das Museum 2016 mit weniger als der Hälfte dieser Summe begnügen. Und auch die Umsätze der Buchhandlung lagen markant unter dem budgetierten Betrag von 2 Millionen Franken.
Konfusionen und Missverständnisse
Das ist aber nur ein Teil der Gründe, die zur aktuellen Misere geführt haben. So mussten die Museumsleute zur Kenntnis nehmen, dass sie nur über knapp die Hälfte des Betrags verfügen können, der ihnen als «zusätzliche Betriebskosten» versprochen war. Und hier öffnet sich ein kleiner Katalog an Konfusionen und Missverständnissen.
Im Ratschlag der Regierung und auch im Mitbericht der Bildungs- und Kulturkommission ist davon die Rede, dass eine Berechnung einer Zürcher Ingenieur- und Planungsfirma ergeben habe, dass der ursprünglich angesetzte Zusatzbetrag von 2,3 Millionen Franken massiv zu tief angesetzt war. Die Folgekosten wurden daraufhin auf 4,8 Millionen Franken mehr als verdoppelt – ein Betrag, der im Vergleich zu den 12 Millionen, die beim Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses eingesetzt werden, immer noch sehr bescheiden wirkt.
4,8 Millionen Franken Folgekosten waren dem Kanton aber zu viel. Also suchte man nach einer Lösung im Sinne einer vielgelobten Public-private-Partnership, die ja bereits die ganze Baugeschichte der Museumserweiterung geprägt hatte.
Tatsächlich fand sich mit der Stiftung für das Kunstmuseum Basel ein Partner. Dummerweise hatten die beiden Partner aber offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Folgekosten sie zu tragen bereit sind. Das zeigt sich im Ratschlag darin, dass die Begriffe «betriebliche Folgekosten» und «Ausstellungskosten» miteinander vermischt werden. Wörtlich heisst es:
«Die Stiftung für das Kunstmuseum Basel hat deshalb zwischenzeitlich ein Donatorenkonzept entwickelt, um ab Eröffnungsjahr des Erweiterungsbaus des Kunstmuseums jährlich einen Beitrag an die Ausstellungskosten von CHF 2.5 Mio. leisten zu können. Dieser Beitrag soll die zusätzlichen Betriebskosten des Kantons Basel-Stadt für das Kunstmuseum entsprechend entlasten.»
Diese Formulierung bringt auch die Basler Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann ins Stutzen: «In heutiger Lektüre fällt auf, dass die in der Studie und im Ratschlag gewählten Formulierungen nicht ganz klar sind», sagt sie.
Damals schien aber niemand Probleme mit dem Widerspruch zu haben: weder die Regierung beziehungsweise das Präsidialdepartement, die diese Sätze verfasst haben, noch die zuständige Grossratskommission, die sich über den funktionierenden «Mechanismus zwischen öffentlicher Kultur und privater Unterstützung» freute, und auch der Rat selber nicht, der das Geschäft schliesslich ohne grosse Diskussionen durchwinkte.
Viele Augen wurden zugedrückt
Selbst die besagte Stiftung äussert jetzt erst öffentlich Bedenken. «Für uns war immer klar, dass wir das Geld für zusätzliche Sonderausstellungen zur Verfügung stellen wollen; das war ja schliesslich auch der Hauptgrund, warum der Erweiterungsbau erstellt wurde», sagt Stiftungsratspräsident Markus Altwegg.
Die Stiftung hat denn auch einiges mehr als die im Ratschlag erwähnten 2,5 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Allerdings eben nicht für die Betriebskosten. «Ich kann doch nicht zu Donatoren gehen und um Beiträge an die Stromkosten oder den Reinigungsdienst bitten – wenn wir das beginnen, begehen wir einen Sündenfall.»
Altwegg sagt, dass er den missverständlichen Satz im Ratschlag nicht so hätte durchgehen lassen, wenn er ihn vor der Veröffentlichung hätte lesen können. Hier würden ihm heute wohl einige zustimmen. Wie die TagesWoche aber aus mehreren verlässlichen Quellen weiss, sind damals viele Augen ziemlich fest zugedrückt worden. Regierung und Museum hätten sich alle Mühe gegeben, dass die zusätzlichen Betriebsbeiträge nicht zum öffentlichen Diskussionsthema wurden. Dies aus Angst, dass die Folgekosten den neuen Basler Museumstraum trüben oder gar infrage stellen könnten.
Und auch die Stiftung habe die Grenze zwischen Betriebs- und Ausstellungskosten damals nicht so klar gezogen, wie der TagesWoche zugetragen wurde. Die Stiftung nimmt es damit übrigens auch heute nicht immer so genau. So hat sie kürzlich erst einen Beitrag an die Digitalisierung der Bestände des Kupferstichkabinetts zur Verfügung gestellt – «allerdings nicht nur mit gutem Gewissen», wie Altwegg sagt.
Morin verweist auf ausgeglichenes Modellbudget
Die TagesWoche wollte auch den damals federführenden Regierungspräsidenten Guy Morin befragen. Er hatte das ambitiöse Projekt an vorderster Front mit Verve durchgeboxt oder «durchgeschummelt», wie sich einer der Informanten der TagesWoche äussert. Auf Bedenken aus dem Umfeld seines Departements, dass die Folgekosten ungenügend abgesichert und zu tief angesetzt worden seien, habe er mit dem Argument des grossen Zeitdrucks nicht eingehen wollen.
Die Projektverantwortlichen standen tatsächlich unter immensem Zeitdruck. Die Mäzenin Maja Oeri, die das Projekt mit der Schenkung des Baulands lanciert und einem namhaften Beitrag an die Baukosten massgeblich vorangetrieben hatte, hatte ihre Unterstützung nämlich mit einer Ablauffrist versehen.
Morin möchte sich heute nicht mehr zu Details von damals äussern. «Ich habe zu den Aussagen des Regierungsrats im Ratschlag zum Erweiterungsbau, im Mitbericht der BKK und in der Beratung im Grossen Rat nichts beizufügen. Entscheidend war das ausgeglichene Modellbudget 2015 des Kunstmuseums inklusive Erweiterungsbau», schreibt er in einer E-Mail.
Ausgeglichen präsentierte sich das Budget von damals sehr wohl. Aber die angegebenen Mehreinnahmen in der Gesamtsumme von fast 8 Millionen Franken deuten darauf hin, dass diese Zahlen in erster Linie dazu da waren, allfällige Bedenken wegen möglicherweise nicht gedeckter Folgekosten wegzuwischen. Heute zeigt sich, dass dieses Modellbudget Zahlen enthielt, die jenseits von Gut und Böse waren.
Das scheint heute auch Ackermann so zu sehen: Für sie liegt das Hauptproblem nicht in der unklaren Formulierung in Sachen Betriebskosten. «Problematisch ist, dass die damals berechneten Einnahmen gemessen an den heute realistischen Zahlen viel zu hoch angesetzt waren», wie sie auf Anfrage der TagesWoche schriftlich zu Protokoll gibt.
Wie weiter?
Ackermann ist sich im Klaren darüber, dass das Kunstmuseum den Fehlbetrag bei den Betriebskosten mittel- bis langfristig nicht kompensieren kann. «Das Kunstmuseum kann keine Kompensation leisten, da es keine freien Mittel zur Verfügung hat. Zwar gibt es einen Bonus, aber dieser dient als Planungsreserve und bietet keine langfristige Perspektive.»
Also muss der Staat einspringen und das Betriebsbudget erhöhen, wie dies beispielsweise BKK-Präsident und CVP-Grossrat Oswald Inglin gegenüber dem «Regionaljournal Basel Baselland» von SRF gesagt hat?
Auch Stiftungsratspräsident Altwegg sieht den Kanton in der Bringschuld. «Mir ist bewusst, dass Frau Ackermann vor einer schwierigen Aufgabe steht, aber für sie ist es auch eine Chance, sich zu profilieren», sagt er.
Ackermann selber will sich noch nicht äussern. Das Präsidialdepartement stehe mit dem Museum und der Stiftung «selbstverständlich» im Austausch. «Wir klären intensiv ab, wie hoch das Defizit genau ausfallen wird, bis dahin kann ich mich nicht dazu äussern», sagt sie.