Nach über zehn Jahren am Kunstmuseum Basel verlässt Vizedirektorin Nina Zimmer die gute Stube und zieht nach Bern. Mit der Ausstellung «Der figurative Pollock» zieht sie den Vorhang. Wir haben sie zwischen Stuhl und Bank noch einmal getroffen.
Es ist im Moment nicht ganz einfach, Nina Zimmer, die scheidende Vizedirektorin des Kunstmuseums Basel und neue Direktorin des Kunstmuseums Bern zu treffen. Sie hat mit ihrem letzten Auftritt in Basel alle Hände voll zu tun: «Der figurative Pollock», die soeben eröffnete Ausstellung, ist quasi ihr Abschiedsgeschenk – ein wunderbares Abschiedsgeschenk, spannend und mit einem Blick fürs Spezielle, so wie man es von ihren Ausstellungen gewohnt war.
Gleichzeitig hat sie in Bern ihre Zelte schon aufgeschlagen, und hier muss sie noch packen.
Nina Zimmer, was nehmen Sie mit nach Bern?
«Die Aufgabe ist neu, die Erfahrungen der zehn Jahre hier nehme ich aber mit.»
Für Zimmer ist der Wechsel von der Kuratorin zur Direktorin von gleich zwei Häusern nicht so einschneidend anders, wie es nach aussen scheinen mag:
«Natürlich ist es eine andere Rolle, aber es ist von Jahr zu Jahr immer ein bisschen mehr Management dazugekommen und ich kann nahtlos an meine Erfahrungen hier anschliessen. Es ist eine logische Entwicklung, und es macht mir viel Freude.»
Neben all der Vorfreude, alles kann sie jedoch nicht mitnehmen.
Und was lassen Sie hier in Basel?
«Ich lasse natürlich die Sammlung hier. Das war ein unglaubliches Privileg, mit dieser arbeiten zu dürfen. Eine weltweit einmalige Sammlung, sie ist und bleibt der Massstab.»
Doch auch Bern hat ein Pendant, sogar zwei hochkarätige Sammlungen warten dort auf sie, die ebenfalls den Anspruch historischer Signifikanz erheben: Jene des Kunstmuseums Bern und jene des Zentrums Paul Klee, die unter einer Dachstiftung zusammengefasst wurden.
Ausstellungen zu kuratieren ist in der Regel damit verbunden, sich auf ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte künstlerische Position zu konzentrieren. Doch mit zwei Sammlungen, zwei Institutionen und einer leitenden Funktion im Gepäck wird das für Nina Zimmer anders:
«Ich muss jetzt meine Energien mehr verteilen, nicht alles in ein Projekt stecken, sondern das Programm insgesamt betrachten, das ist wichtig. Ich muss den Fokus ein wenig verändern, da ich nicht mehr eine Ausstellung, sondern gewissermassen zwei ganze Häuser kuratiere.»
Ist es nicht schade, Basel just in dem Moment zu verlassen, wo durch den Neubau gerade eine neue Ära beginnen soll?
«Es ist ein Moment in Bern, in dem es auch viel zu gestalten gibt, wo viel im Fluss ist – auf seine Art auch ein Neubeginn. Zwei Häuser, die man jetzt zusammen denken kann. Für mich ist das ein Wendepunkt.»
Und auch in der Hauptstadt gibt es viel Raum, der hinzukommt: Das im Kunstmuseum ansässige Kino ist bereits ausgezogen, das Kunsthistorische Seminar folgt bald. Da entsteht viel Platz für Neues. Was das sein wird, stehe aber noch nicht fest, so Zimmer.
Alles ändert sich nun für sie auch nicht, in vieler Hinsicht ist es auch ein Wiedersehen. Fakt ist, die grosse Kunstwelt ist gleichzeitig erstaunlich klein: Der neue Direktor des Kunstmuseums Basel, Josef Helfenstein, war selbst von 1988 bis 2000 am Kunstmuseum Bern, zuletzt als Vizedirektor, bevor er über Houston, Texas, nach Basel kam. Die Rochade ist nun komplett.
Zimmer freut sich auch, in Bern ihren früheren Chef wiederzusehen: Michael Baumgartner, der Ende der Neunziger in Bern ihr Vorgesetzter war, ist, wenn auch kurz vor dem verdienten Ruhestand, noch immer dort als Direktor Sammlung und Kunst im Zentrum Paul Klee. Und nun ist sie sein Chef.
Durch Ihre momentane Präsenz in Basel mit der Pollock-Ausstellung vergisst man schnell: Sie sind ja eigentlich schon seit einem Monat in Bern.
«Ich hatte einen tollen Start. Intensiv, aber sehr toll. In Übergangszeiten bleibt immer mal was liegen und man hat gespürt, dass alle Freude hatten, dass es jetzt weiter geht.»
Wie es in Basel weiter geht, wird sich noch zeigen, denn Zimmers Nachfolge steht bis dato noch nicht fest.
Und Basel hinterlässt sie Pollock als Bettmimpfeli.
Es ist eine riesige Schau mit über hundert Werken, für die so ziemlich alles herangezogen wurde ausser die riesigen Drip Paintings, die man sonst immer sieht. Für diese werden «Galaxy» (1947) und «Untitled» (1949) stellvertretend gezeigt, mit ein paar anderen, die haarscharf an der reinen Abstraktion vorbeischrammen.
Es gilt, eine Entwicklung aufzuzeigen. Besonders die Druckgrafiken fallen auf, welche wohl nur sehr wenige in dieser Form kennen werden.
>> Mehr zur Pollock-Ausstellung: «Der unbekannte Jackson Pollock im Kunstmuseum Basel»
Für die Ausstellung hat Nina Zimmer gleich den gesamten Bestand an Pollock-Werken aus dem Kupferstichkabinett antanzen lassen. Das Kuratieren wird in Zukunft deutlich weniger zum Zuge kommen. Das ist das, was sie nicht mitnimmt:
«Ich habe dort eine neue Aufgabe.»
Und sie freut sich auf die Herausforderungen, von denen es nicht wenige gibt:
«Das ist kulturpolitisch ein ganz wichtiger Schritt gewesen, den Bern gemacht hat. Ursprünglich ist das Zentrum Paul Klee aus der Klee-Stiftung hervorgegangen im Kunstmuseum Bern, war aber unabhängig.»
Und nun sollen sie wieder zusammenkommen. Mit Nina Zimmers Hilfe.
«Stenographic Figure» (1942) von Jackson Pollock. (Bild: ©The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence)
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«Der figurative Pollock», Kunstmuseum Basel, Neubau, 2. Oktober 2016 bis 22. Januar 2017.