«Offshore»: Wie das Bankgeheimnis baden ging

Rudolf Elmer hat als Whistleblower das Schweizer Bankgeheimnis mitversenkt – und steht wegen Verletzung eben dieses Bankgeheimnisses schon zum zweiten Mal vor Gericht. Der Dokumentarfilm «Offshore»: Elmer und das Bankgeheimnis» zeigt, wie es dazu kam.

(Bild: Xenix Filmdistribution GmbH)

Rudolf Elmer hat als Whistleblower das Schweizer Bankgeheimnis mitversenkt – und steht wegen Verletzung eben dieses Bankgeheimnisses schon zum zweiten Mal vor Gericht. Der Dokumentarfilm «Offshore»: Elmer und das Bankgeheimnis» zeigt, wie es dazu kam.

Es fehle die Anmut beim Stehlen, hatte der Bankier Hans J. Bär einst den Wertezerfall in der Branche beklagt. Wenige Jahre später flog seinem eigenen Unternehmen die ganze Unverschämtheit des Schweizer Finanzsystems um die Konti.

Im Jahr 2011 trat Rudolf Elmer, ehemaliger Geschäftsführer der Bank Julius Bär auf den Cayman Islands, vor die klick-klackernden Kameras der Reporter und überreichte Wikileaks-Sprecher Julian Assange zwei Discs mit vertraulichen Informationen. Der Schweizer Whistleblower konnte seine 15 Minuten Ruhm allerdings nicht lange geniessen: Nach einer ersten, bedingten Verurteilung wegen Verletzung des Bankgeheimnisses wurde er gleich ein zweites Mal kassiert. Der Fall ist noch hängig.

Vom Insider zum Kritiker

Bevor der Prozess in diesem Sommer wieder aufgenommen wird, kommt jetzt kurz nach der Veröffentlichung des Sachbuches «Elmer schert aus» von WOZ-Journalist Carlos Hanimann der Dokumentarfilm «Offshore: Elmer und das Bankgeheimnis» von Regisseur Werner Schweizer in die Kinos. Darin wird der Gesinnungswandel des linientreuen Kadermannes vom Insider zum Rächer an seiner ehemaligen Arbeitgeberin nachgezeichnet – und gezeigt, welchen Preis Rudolf Elmer für seine Indiskretion und seinen Mut zahlen musste.

Der Film wirft ein ungnädiges Licht auf den Paradeplatz Schweiz. Aber was sagt der Experte dazu? Wir haben den Wirtschaftsjournalisten Gerd Löhrer befragt.      

Herr Löhrer, Sie haben sich eingehend mit dem Bankenplatz Schweiz beschäftigt. Hat Sie der Dokumentarfilm mit neuen Erkenntnissen überrascht?

Wirtschaftsjournalist Gerd Löhrer hat u.a. für die «Nationalzeitung», «Die Zeit» und den «Blick» gearbeitet. Fast dreissig Jahre lang war er beim Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz»

Nicht wirklich. Dass die Banken immer wieder einen Weg fanden, ihre Geschäfte wie gewohnt weiterzuführen, notfalls auf den Cayman Islands oder anderswo, war allgemein bekannt. Richtig empört hat mich die letzte Filmsequenz, in der Rudolf Elmer unmittelbar nach seiner ersten Verurteilung gleich wieder verhaftet wird. Wegen desselben Tatbestandes! Die Banken haben die Politik, die Medien und offenbar auch die Justiz über Jahrzehnte beherrscht, und nach all den schlechten Erfahrungen, die wir mit diesen Banken gemacht haben, läuft es immer noch gleich. Da fragt man sich doch, in was für einem komischen Land wir leben.

Wie gerät jemand wie Rudolf Elmer überhaupt in so einen Wirtschaftskrimi?

Ich denke, dass es viele Leute in den Banken gibt, die das System als Ganzes nicht durchschauen. Das sind sicher keine bösen Menschen: Ein kleiner Angestellter hat nie das ganze Bild. Viele machen auch einfach mit, wie Elmer selbst, der seinen Rachefeldzug erst dann startete, als die Bank Julius Bär ihn rausgeworfen hatte. Was mich aber wirklich stört: Die oberste Führung der Banken findet bei jedem aufbrechenden Skandal jeweils einen Sündenbock und will von nichts gewusst haben. Da muss man sich fragen, wozu eine solche Führung überhaupt taugt. Entweder hat sie von den schmutzigen Geschäften nichts geahnt oder sie war daran beteiligt. Beides ist schlimm. Noch schlimmer wäre nur, wenn sie derlei Geschäfte gar nicht für schmutzig halten würde.

Rudolf Elmer gilt in Finanzkreisen als Nestbeschmutzer. Der Soziologe Jean Ziegler erklärt ihn im Film dagegen zum typischen Schweizer: rechtschaffen, gesetzestreu und hartnäckig. Wie sehen Sie das?

Elmer ist jemand, der aus seiner Not eine Tugend gemacht hat. Er war sicher nicht von Anfang an auf der Seite der «Guten». Er hatte das Spiel der Banken mitgespielt, sich mit vertraulichen Informationen rückversichert und so weiter. Ich würde mich davor hüten, Rudolf Elmer zu sehr zu überhöhen, auch wenn ich der Meinung bin, dass jeder Whistleblower zum Ehrenbürger ernannt werden müsste: Sie tragen mehr zur Gesundung des Finanzplatzes bei als alle Gesetze, die wir intern erlassen. Verändern lässt sich das Bankensystem nur mit Druck von aussen. Herrenlose Vermögen, Geldwäschereigesetz, Datentransfer an die US-Justiz, automatischer Informationsaustausch – sobald der Druck gross genug wird, geht etwas. Das Schweizer Bankgeheimnis ist unter diesem Druck faktisch begraben worden. Rudolf Elmer war also ein halbes Jahr in Untersuchungshaft, weil er etwas verletzt hat, das es so gar nicht mehr gibt.


Regisseur Werner Schweizer bezieht klar Stellung für den Whistleblower und thematisiert auch seine eigene kapitalismuskritische Haltung als Alt-68er. Braucht es das in einem Film über die Schweizer Finanzszene?

Ich kann es nachvollziehen und fühle mich dieser Haltung seelenverwandt, allerdings hätte ich das so nicht gemacht. Das Thema des Filmes ist ja ein anderes. Natürlich gab es 1984 die Bankeninitiative der Linken, wogegen unter anderem ein junger Christoph Blocher wütete – das sieht man auch im Film. Und als Wirtschaftsjournalist galt man in den 80er-Jahren schnell einmal als Wirtschaftsfeind, wenn man mit dieser Initiative sympathisierte. Damit hatte auch ich meine Probleme.

Im Dokumentarfilm wird gesagt, dass Banken rund um die Welt mit den gleichen Tricks arbeiten – und trotzdem steht immer wieder die Schweiz am Pranger. Warum ist das so?

Die Schweiz ist eben eine der grössten Drehscheiben für internationales Kapital. Darauf konnte man noch nie stolz sein, wir waren schon immer eine ziemlich doppelzüngige Gesellschaft: Wir nehmen zwar in Anspruch, keine Kolonien besessen zu haben, bewegen aber internationales Kapital in einem Ausmass, dass wir an der Ausbeutung der Dritten Welt mindestens so stark beteiligt sind wie die ehemaligen Kolonialmächte selbst. Wir waren also stets Teil dieses Systems, und der ganze institutionelle Rahmen, zu dem längst nicht nur das Bankgeheimnis zählt, hat das in der Schweiz erst ermöglicht: von der Politik über die Justiz und die Zivilgesellschaft bis hin zu einigen Gewerkschaften. Alle haben das mitgetragen, weil es eben «unsere» Banken waren. Aber juristische Schlaumeiereien, wie etwa die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, kann man eben nicht auf Dauer durchhalten, wenn eine Mehrheit der Nationen, mit denen man Beziehungen unterhält, dagegen ist.

«Die Schweizer haben vielleicht die Nase voll davon, mit den ‹Zürcher Gnomen› verwechselt zu werden.»

Was bedeutet das künftig für den Schweizer Bankenplatz?

Das eigentliche Bankgeschäft ist notwendig: Spargelder müssen gebündelt und als Kredit wieder herausgegeben werden, damit Arbeitsplätze entstehen. Heute schöpfen die Banken insgesamt mehr Geld als die Nationalbanken. Und das ist ein Problem, gerade für die kleine Schweiz. Das Finanzsystem der Schweiz ist so überdimensioniert, dass es unsere reale Wirtschaft dominiert, statt ihr zu dienen. Unser Land müsste wohl etwa zwanzigmal grösser sein, um ein solches System überhaupt zu rechtfertigen. Der Heimmarkt spielt da kaum noch eine Rolle. Oder nur noch durch den institutionellen Rahmen, aus dem heraus vor allem die Grossbanken global agieren können. Das hat bislang ganz leidlich funktioniert, hört jetzt aber auf: Womöglich braucht es die Schweizer Banken in absehbarer Zukunft gar nicht mehr, um Vermögenswerte in Sicherheit zu bringen. Und womöglich dämmert den Schweizern irgendwann die moralische Fragwürdigkeit von «Steueroptimierungs-Geschäften»: Vielleicht haben sie ja jetzt schon die Nase voll davon, mit den «Zürcher Gnomen» verwechselt zu werden.
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«Offshore: Elmer und das Bankgeheimnis» läuft ab Donnerstag im Kultkino Atelier. Vorpremiere: Sonntag, 20. März, 11.15 Uhr, in Anwesenheit von Regisseur Werner Schweizer.

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