Auf Tour mit ihrem neuen Album «auch» traten Die Ärzte gestern im ausverkauften Zürcher Hallenstadion auf. Das Trio aus Berlin war bestens zu Scherzen aufgelegt – und auch ihre Musik war nicht von schlechten Eltern.
Einen Sitzplatz bei einem Ärzte-Konzert zu haben, ist in etwa so spannend wie «Terminator» ohne Schwarzenegger. Nun ja, dumm gelaufen. Vor allem, weil man beim ausverkauften Konzert mit einer Sitzplatzkarte gar nicht erst in den Schmelztiegel vor der Bühne reingelassen wird. Aus sicherheitstechnischen Gründen, wie es hiess. Die meisten Leute auf der Tribüne trösteten sich darüber hinweg, indem sie sich mit Popcorn, Bier und Eis eindeckten. Man fühlte sich wie im Pathé Küchlin. Ein Eindruck, der durch die Einblendung von Werbung auf den Bildschirmen noch verstärkt wurde. Die Ärzte live, 30 Jahre nach ihrer Gründung: Ist das ein Blockbuster, ist das seichtes Kino, und, vor allem, ist das noch Punkrock?
Die Frage stellt sich das Trio aus Berlin auch auf seiner neuen Platte. Und beantwortet sie mit einem klaren Ja.
Musikalische Leckerbissen
Knackig souverän, weil halt «die beste Band der Welt», spielten sie sich durch die ersten paar Lieder, aufgelockert durch Sketcheinlagen und Publikumsanimationen: So fragte Farin die Tribünenzuschauer, warum sie denn sitzen blieben statt aufzustehen. Mit Schamesröte im Gesicht schnellten alle aus ihren Sitzen und scholten sich insgeheim, nicht selber auf die Idee gekommen zu sein.
Das Set bestand aus einer bunten Mischung aus neuen Songs («Ist das noch Punkrock?», «Tamagotchi», «Fiasko»), alten Schinken («Ist das alles?», «Mein kleiner Liebling», «Tittenmaus») und Evergreens («Schunder-Song», «Junge», «Unrockbar»). Als erfahrene Profimusiker gab es an der musikalischen Darbietung nie etwas zu bemängeln.
Und als Farin bei «Schrei nach Liebe» die Anfangsmelodie in einer zu hohen Tonlage spielte, war man gutmütig geneigt, ihm diesen kleinen Fauxpas zu verzeihen. Zumal seine Bandkollegen ihn deswegen schon genug auslachten.
Infantil aber gut
Ein Ärzte-Konzert besteht zu zwei Teilen aus Musik und einem Teil aus Gags. Dies sorgte am Montag dafür, dass man sich zeitweilen vorkam wie bei einer Peach-Weber-Show. Nur cooler. Es wurden La-Ola-Wellen veranstaltet, Anekdoten erzählt und zum Mitsingen animiert. Der Leitfadenl eines Ärzte-Konzertes in der Schweiz ist das «sich über den Schweizer Dialekt lustig machen.» Die Berliner lieben es, unsere Mundart nachzuäffen. Was ihnen auch ziemlich gut gelang, allen voran Gitarrist Farin Urlaub. Deswegen unterstellte Schlagzeuger Bela ihm auch, er habe in seiner Freizeit heimlich geübt. Alles sehr lustig – doch lief die Haltbarkeitsdauer dieses Running Gags im Laufe des Abends ab.
Gegen Ende des Konzerts lieferten sich Bela und Farin zur Melodie von «Zu spät» ein Freestyle-Duell, welches gefühlte einzweifünftel Stunden dauerte, wobei Bela mangels Reimkraft deutlich unterlag. Im Laufe des Gesprächs bissen sie sich an der Vorstellung fest, die Konzertbesucher seien allesamt Zombies und spornten diese an, ständig «Hirn» zu rufen. Auch diese gedanklichen Spielereien wollten kein Ende nehmen. Dabei wurde einem klar, dass man schon Rockmusiker sein muss, um sich im Alter von rund 50 Jahren noch solch infantilen Humor leisten zu können. Doch die offensichtliche Spontanität der Sketche und der überraschende Witz dieses Trio liess einen wohlwollend darüber hinwegsehen, dass man sich manchmal fremdschämen musste.
Nach drei Zugaben und drei geschlagenen Stunden Konzertlänge war dann Schluss mit lustig. Und Die Ärzte bewiesen mit viel Witz und Tempo, dass sie noch lange nicht in die Geriatrie gehören.
13’000 Fans sangen mit (Bild: Cédric Russo)