Orgelorgien und schreiende Gitarren

Das Jazzfunk-Quartett Medeski, Scofield, Martin und Wood begeisterte im Volkshaus mit einer Latin-gefärbten Tour de Force – und mit überraschenden Ausflügen zu den Doors und Dylan

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Starkes Quartett, im Studio wie auch live: John Scofield (Gitarre), Billy Martin (Drums), Chris Wood (Bass) und John Medeski (Piano).

Das Jazzfunk-Quartett Medeski, Scofield, Martin und Wood begeisterte im Volkshaus mit einer Latin-gefärbten Tour de Force – und mit überraschenden Ausflügen zu den Doors und Dylan

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«Wir spielen definitiv keinen Swing. Wir grooven.» Mit dieser knappen Aussage hat Keyboarder John Medeski schon vor zehn Jahren auf den Punkt gebracht, was denn der Unterschied sei zwischen einem herkömmlichen Jazztrio und seiner Liaison mit dem Drummer Billy Martin und dem Bassisten Chris Wood.

Die drei New Yorker galten seit ihrer Gründung Anfang der Neunzigerjahre stets als das querköpfige Triumvirat des Jazz: Sie fusionierten verschrobene, fast freie Passagen mit tanzbarem Unterbau, gaben einer glühenden Hammondorgel den Vorzug vorm Piano und wurden in die fragwürdige Spagatbezeichnung Avant-Jazz-Funk gezwängt.

Schon 1997 liessen sie sich mit dem Gitarristen John Scofield ein, der aufgrund seines widerborstigen Spiels gut zu den drei Käuzen passte. Nach 17 Jahren geht das Gipfeltreffen auf dem aktuellen Album «Juice» nun in eine dritte Runde.

Mit der Bühnenumsetzung des aktuellen Programms präsentierte sich das Quartett im Volkshaus (veranstaltet von Offbeat) äussert spielfreudig. 

Die Avantgarde grüsste schon in den einleitenden Minuten heftig: Kakophone Ausbrüche prasselten hernieder, aus den tönenden Gewitterwolken liess die Orgel Eiskristalle purzeln. Bald schält sich der vielzitierte Groove heraus, den Billy Martin mit Schellentrommel markiert, während John Scofield meckernde Kurzphrasen einwirft. Ein Ray-Charles-artiges Riff am Flügel bündelt das alles. Medeski ist an diesem Abend der unbestrittene Zeremonienmeister, vielbeschäftigt zwischen Piano und seinem quietschroten Orgelkasten rotierend.

Als fiele ein Haufen Geschirr auf den Boden

Die Orgel ist sein unorthodoxer Altar: Selten köchelt sie gediegen vor sich hin, es glitzern, lodern und brüllen seine Impros, und manchmal scheppert es, als fiele ein Haufen Geschirr aus grosser Höhe auf harten Boden.



Scofield ist für ihn der herausfordernde Gegenpart. Man sieht im Jazz selten einen Gitarristen, der so verwachsen scheint mit seinem Instrument. Er schnitzt förmlich Ton für Ton aus dem Griffbrett. Nach erdiger, ja, mühevoller Arbeit sieht das aus, seine Phrasen sind immer fragend, immer zweifelnd, voller geschredderter Glissandi, jaulendem Wah-Wah und gezogener Töne.

«Es ist, als schreie die Gitarre aus seinem Mund.»

In jedem Bending stecken ein Dutzend Stimmungsnuancen. Und dann haut er unvermittelt zwischen diesen verstoplerten Synkopen, diesen fragmentartigen Melodien ein virtuoses Solo raus, das nicht mehr aufhören möchte, garniert durch eine Menge skalenfremder Töne. Scofield kaut und brüllt jeden Ton mit, es ist, als schreie die Gitarre aus seinem Mund.


Medeski und Scofield können sich in diesen oft länger als 15 Minuten dauernden Stücken nur so grandios entfalten, da Wood und Martin so feinziselierte Rhythmusarbeit liefern. Martin ist der an diesem Abend eher Unauffälligere, erweist sich aber als souveräne Schnittstelle zwischen Rock, Funk, Latin, sogar Disco-Anflügen, beherrscht vor allem die Detailarbeit bis hin zum Besenkitzeln. Wood dagegen bricht öfter aus seiner Groove-Rolle aus, sein Bass wird auch mal zur Heavy-Metal-Gitarre oder zum krächzenden Artefakt, wenn sich beide Hände über dem Tonabnehmer duellieren. Sein aufgeheizter Dialog mit Scofield gehört zu den Highlights des Abends. 



Neues Latin-Mosaik



Vieles spielt sich im Dunstkreis von Latin-Rhythmik ab, die immer wieder unmerklich einfliesst: Mal eher im Stile kubanischer Bigbands, wenn Medeski am Flügel in die Montuno-Begleitmuster einschwenkt, mal eher nach Chicano-Rock à la Santana. Doch es ist ein Latin-Universum durch den zerbrochenen Spiegel, dessen Scherben sich zu neuen, eigenwilligen Mosaiken ordnen. 



Gegen Ende stapeln sich die Überraschungen: Im einzig wirklich stillen Moment des Konzerts baut Medeski ein schweres Spiritual-Ostinato auf, dazu serviert Scofield tatsächlich einmal ein zärtliches Thema. Eine gewaltige dramaturgische Steigerung führt zu einer wälzenden Orgelorgie und dem umso wuchtigeren Keifen der E-Gitarre.

Zum Ende die Doors und Dylan

Ein sphärischer Reggae schliesst sich an, während dem Wood mit seinen Offbeat-Grundierungen gar erdschwer in die Knie geht. Und schliesslich ein kochendes Cover von «Light My Fire»: Scofields Wah-Wah-Geschütze lassen Jim Morrison hier sehr alt aussehen.

Als zartes Zauberwölkchen schliesslich die Zugabe «The Times They-Are A Changin’», von Scofield mit raffinierter Bruchstückmelodik ausgestaltet: So andächtig hat man Dylan wohl noch nie gehört. 



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