Parterre verspricht nach Umbau mehr Kultur, kündigt jedoch langjähriger Bookerin

Im Parterre bleibt kein Stein auf dem anderen: Der Veranstaltungsraum wird komplett umgebaut und vergrössert. Der Vertrag mit der bisherigen Bookerin Andrea Samborski wurde aufgelöst. Ob da nicht am falschen Ort gespart wird? «Wir können und werden mehr Kultur denn je anbieten», heisst es aus der Parterre-Geschäftsführung.

Robert Vilim und Peter Sterli blicken hoch auf die neue Ballustrade mit Bar und Platz für 50 Leute.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Im Parterre bleibt kein Stein auf dem anderen: Der Veranstaltungsraum wird komplett umgebaut und vergrössert. Der Vertrag mit der bisherigen Bookerin Andrea Samborski wurde aufgelöst. Ob da nicht am falschen Ort gespart wird? «Wir können und werden mehr Kultur denn je anbieten», heisst es aus der Parterre-Geschäftsführung.

Als Andrea Samborski am 16. April ihr eigenes Minialbum taufte, ahnte sie nicht, dass es ihr Abschiedsabend im Parterre sein würde. Die gebürtige Kanadierin nahm vor fast acht Jahren ihre Arbeit im Kleinbasler Kulturbetrieb auf und trat schliesslich in die Fussstapfen des langjährigen Bookers Thomas Luterbacher. Während des Umbaus in der Sommerpause hatte sie vor, ihre Überstunden abzubauen und ihre Familie ennet des Atlantiks zu besuchen. 

Vor dem Abflug wurde ihr ein neuer Vertrag vorgelegt mit diversen Punkten, die für Samborski nicht akzeptabel waren. Als sie Geschäftsführer Peter Sterli damit konfrontierte, zeigte er Verständnis und versprach ihr eine verbesserte Version nach ihrer Rückkehr. Stattdessen kam Ende Juli die Kündigung. «Über die Gründe meines Weggangs vom Parterre will ich mich nicht weiter äussern, da ich keine Vertragsangelegenheiten öffentlich diskutieren will», sagt sie dazu.



Als Andrea Samborski nach den Sommerferien zurückkam, bekam die langjährige Parterre-Bookerin die Kündigung statt eines neuen Vertragsentwurfs.

Als Andrea Samborski nach den Sommerferien zurückkam, bekam die langjährige Parterre-Bookerin die Kündigung statt eines neuen Vertragsentwurfs. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Es braucht wenig Einfühlungsvermögen, um sich auszumalen, dass hinter den Kulissen einiges ging. Was das Lokal für Samborski bedeutete, kann man auf ihrem Album nachhören. Nicht nur widmete sie dem alten Parterre mit «Before the Walls Fell» den Titel, im Booklet schreibt sie auch eine mehrzeilige Widmung an «den Raum, den wir geliebt, wo wir gearbeitet und gespielt haben.»

Die Club-Witwen von Basel

Was Samborski an Liebe in den Club steckte, kommt von der Szene zurück. In ihren Jahren als Kulturverantwortliche gewann das Parterre nicht nur den Ruf als herausragende Bühne mit klarem Profil, sie selbst gilt in der Szene als Veranstalterin mit grossem Herz und Engagement für die Musiker und «ihren» Club.

Nun also die Trennung. Man zieht unweigerlich Parallelen zu Steffi Klär, die Herz und Seele der Kuppel verkörperte. Auch sie steht derzeit ohne fixen Club da, bringt ihre Bands als bestens vernetzte Bookerin auf verschiedenen Bühnen unter.

Das hat auch Samborski vor: Sie wird ihre internationalen Kontakte künftig nicht mehr Parterre-exklusiv einsetzen. Die Parallelen ihrer Wege in die Unabhängigkeit hat Samborski bereits mit Klär besprochen. Sie würden sich scherzhaft «Venue Widows» nennen, also Club-Witwen.



Ihr internationales Beziehungsnetz nutzt Andrea Samborski nun für ihre eigene Konzertagentur.

Ihr internationales Beziehungsnetz nutzt Andrea Samborski nun für ihre eigene Konzertagentur. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Man spürt die Verletzung, wenn man mit ihr spricht. Aber sie bleibt dem Parterre gegenüber loyal in ihrer Verschwiegenheit: keine bösen Worte. Und trotz der Enttäuschung hat sie sich den Elan nicht nehmen lassen. Zwei Monate nach der Kündigung hat sie ihre eigene Konzertagentur gegründet: eclipse concerts.

Und wie geht es im Parterre weiter? Mitte November sollen Clubbesucher die Bauarbeiter ablösen. Das neue Programm wurde gerade per Mail verschickt. Als Absender fungiert Robert Vilim. Seit zwei Jahren ist der ehemalige Schauspieler neben Samborski für Kleinkunst, Lesungen und Poetry Slams auf der Bühne zuständig. Nun ist er alleiniger Absender des Programms. Musikalisch sind etwa der israelische Dream Folk von Lola Marsh, Färöer Folktronica von Eivør und die Plattentaufe der lokalen Americana-Truppe The Silver Starlings angekündigt.

Könnten von Samborski gebucht sein. «Sind sie auch», gibt Vilim offen zu. Bands würden normalerweise ein halbes Jahr im voraus engagiert. Er hat erst seit August die alleinige Leitung inne. Das kam auch für ihn überraschend. «Ich vermisse Andrea schon jetzt.» Doch Vilim fühlt sich der Herausforderung gewachsen und freut sich auf seine neue Aufgabe: «Ich konnte Andrea letztes Jahr assistieren und habe viel gelernt.» Im Fussball nennt man das eine Interimslösung.

«Inhaltlich gibt es keine grossen Änderungen, nur die Hülle ist neu. So können und werden wir mehr Kultur anbieten denn je.» 
Peter Sterli, Geschäftsführer Parterre

Auch Geschäftsführer und Inhaber Peter Sterli bedauert den Abgang von Samborski: «Die Person Andrea kann man nicht ersetzen. Wir haben ihr ein gutes Angebot gemacht», meint er, «leider hat sie sich anders entschieden.» Doch ist er zuversichtlich: «Wir werden weiterhin zusammenarbeiten.» Sterli versichert zudem: «Inhaltlich gibt es keine grossen Änderungen, nur die Hülle ist neu und die Infrastruktur deutlich bediener- und kundenfreundlicher. So können und werden wir mehr Kultur anbieten denn je.» So soll der Raum sieben Tage die Woche bespielt werden.

Mehr Platz, mehr Umsatz

Frisch aus den Ferien ist seine Euphorie über das neue Lokal bei der Baustellenbesichtigung spürbar. «Der Raum wird variabler. Tagsüber können wir ihn für Seminare vermieten, abends dann Veranstaltungen auf der Bühne machen, und im Anschluss spielt ein DJ zum Tanz auf – dank der neuen Soundanlage gehen die Wechsel ganz einfach, per Knopfdruck.» Darum brauche es auch nicht immer Techniker, manchmal kann das Barpersonal übernehmen, das entsprechend geschult wird.

Sterli mag praktische Lösungen mit dem Ziel, die vielen Sparten der Parterre AG besser miteinander zu vernetzen. Dank dem neuen Tunnel von Clubraum und Innenhof zum Restaurant sollen die Leute vom Essen zur Bar und direkt in den Club. Ein ganzer Abend Ausgang im Parterre-Dreieck. So soll mehr Geld im Betrieb bleiben.

Und weiteres Geld dazukommen: Das neue Parterre ist zugelassen für 250 Gäste, plus 50 im grosszügigen Fumoir, das anstelle der EG-Lounge gebaut wird. Das sind gut doppelt so viel wie im alten Raum. «Das Konzertpublikum ist ja schon da», ist sich Sterli vom alten Parterre her sicher. «Bisher war aber schade, dass nach Konzertschluss das Licht angeht und der Abend vorbei ist. Nun kann man bei einer Party weiterfeiern.»

Stilbruch mitten am Abend

Fraglich ist nur, ob die auch bleiben, wenn der Sound mitten am Abend komplett wechselt. Nach der Opening-Show der englischen Rockabilly-Lady Holly Golightly legen zwei Zürcher Black-Music-DJs auf, die unter R’n’B definitiv nicht den Rhythm and Blues verstehen, der Petticoat-Girls und Pomade-Tollen in Schwung hält. Und nach dem kauzigen Totengräber-Bluegrass der Dead Brothers gibt es Breakbeats und Ghetto Funk.



Robert Vilim ist im Parterre neu auch für das musikalische Bühnenprogramm verantwortlich.

Robert Vilim ist im Parterre neu auch für das musikalische Bühnenprogramm verantwortlich. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Vilim vertraut auf das breit gefächerte Musikarsenal der DJs: «Wir hoffen, sie zeigen genug Feingespür und fahren nicht gleich quer ein, sondern lotsen das Publikum über einen musikalischen Bogen in ihre Gefilde.» Die beiden Bands waren seine ersten Band-Bookings diese Saison. Viel mehr hat er in der kurzen Zeit noch nicht in der Pipeline.: «Ich bin am Kontakte knüpfen.»

Und wer kümmert sich um das Partybooking? Per 1. Oktober wurde Steven Hack als Eventorganisator angestellt. Der Zürcher DJ war mit seiner Agentur Supremus Sounds bislang nicht in Basel tätig. Die Connection kam über Diane Hürlimann zustande. Seit ihre Grossmutter, die langjährige Mäzenin Yvonne Hürlimann-Hockenjos, letztes Jahr 50 Prozent der Parterre AG kaufte, ist die Enkelin zuständig für das Marketing und sitzt im Verwaltungsrat. Sterli ist voll des Lobes für Mäzenin und Verwaltungsrätin. «Ohne die Familie Hürlimann wären weder der defizitäre Kulturbetrieb noch der Umbau in diesem Umfang möglich gewesen.

Ob die Rechnung der Geschäftsführung aufgeht, ob beim Inhalt nicht gespart wird und das Publikum die Neuausrichtung begrüsst: Das wird sich erst in ein paar Monaten zeigen.

Auf der Website ist die Kultur jedenfalls noch arg versteckt, zwischen acht anderen Bereichen wie «Tangram Beratung & Bildung», «Mensen» oder «Catering». Trotz aller Lippenbekenntnisse zur Kultur fragt man sich: Wo liegen die Prioritäten des Parterre nach diesem teuren Umbau? Und klickt man sich zum Kulturteam durch, was eine Übung für sich ist, dann strahlt einem noch immer Andrea Samborski entgegen. Aktiv ist allerdings nur noch ihre E-Mail-Adresse.

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Wiedereröffnung: Samstag, 12. November, 20.30 Uhr. Holly Golightly & Band, www.parterre.net

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