Für die Treibstoff-Theatertage inszeniert der frisch diplomierte Regisseur Philippe Heule eine «grosse Schlacht», bevor er als Hausautor ans Theater Basel wechselt und gleichzeitig darauf wartet, dass sein erstes professionell verlegtes Theaterstück eine interessierte Bühne findet.
Nur noch wenige Tage dauert es bis zur Uraufführung des Projekts «Die grosse Schlacht», aber der 29-jährige Projektverantwortliche Philippe Heule zeigt zumindest äusserlich keinerlei Spur von Nervosität. Nur ein kleines bisschen ausser Atem ist er, was aber kein Wunder ist angesichts der 113 Treppenstufen, die zur gleichnamigen «Kulturbeiz» führen, die er als Treffpunkt vorgeschlagen hat.
Heule ist Kopf von einer der sieben Theaterformationen, die es in den hoch begehrten Reigen der Nachwuchsproduktionen der Treibstoff-Theatertage geschafft hat. Ein exklusives Umfeld, denn die Verantwortlichen der renommierten Basler «Produktions- und Präsentationsplattform für junge Performance- und Theaterschaffende» mussten dieses Jahr aus über 200 Bewerbungsdossiers auswählen.
Zwischen Sportevent, Theaterprobe und Ritterspektakel
Philippe Heule ist der Begründer des neuen Theaterkollektivs «helium x», das im Rahmen von Treibstoff eine «site-specific»-Performance produziert. Mit dem Fussballstadion Rankhof haben die Theaterleute einen nicht gerade einfach zu bespielenden Aufführungsort gewählt für ihre «Mischung aus Schlachten-Reenactment, Sport-Event, Theaterprobe und Ritterspektakel», wie es im Projektbeschrieb heisst.
«Wir haben uns etwas ausgesucht, das deutlich zu gross ist für uns», sagt Heule. Klingen da also doch nervöse Selbstzweifel durch? Nicht, wenn man Heule weiter zuhört, denn das «zu gross» ist ein bewusster Ansatz für das Projekt, das mit vier Personen auf dem riesigen Feld beginnt.
«Die grosse Schacht» im Stadion Rankhof (Bild: Treibstoff)
St. Jakob an der Birs
Ausgangspunkt für das Projekt war die legendäre Schlacht bei St. Jakob an der Birs, wo im Jahr 1444 rund 1500 Eidgenossen einer riesigen französischen Übermacht unterlagen. Bis 2002 wurde der Schlacht in regelmässigen Abständen mit grossen und mit der Zeit auch weniger grossen Feierlichkeiten gedacht. «Wie andere Schlachten wurde sie stark von der Politik instrumentalisiert, während sie heute in den Augen seriöser Historiker als vollkommen sinnloses Ereignis gilt», sagt Heule.
«Wir wollen mit unserem Projekt herauskristallisieren, wie Geschichte geschrieben wird, wie Welten abgebildet werden», sagt Heule. Und mit diesen «Welten» meint er unter anderem auch die mittelalterlichen Schlachten, wie sie in vielen Computerspielen weiterbestehen. Und natürlich geht es um den Gegenwartsort St. Jakob, wo heute noch Schlachtgesänge zu hören sind «und Körper aneinanderprallen».
Heule erzählt noch einiges mehr über den Rahmen und den Inhalt des Projekts, das tatsächlich etwas «zu gross» zu sein scheint, er spricht von der Ironie, die einem solchen Projekt zwangsläufig anhaftet. Und von der «grossen, aber lustvollen Herausforderung», sich selber in diese grosse Schlacht zu stürzen.
Schauspieler, Regisseur, Autor
Geboren wurde Philippe Heule 1989 in der Ostschweizer Gemeinde Widnau, fernab der grossen Theaterwelt. Die kleine Bühnenwelt aber gab es auch in Widnau, und die sprach den kleinen Jungen sehr an, wie sich Heule erinnert. Zum Beispiel in Form einer Wandertruppe, die «Hänsel und Gretel» spielte. Er habe damals zufällig einen Blick hinter die Kulissen erhaschen können, was ihm den ersten Eindruck der faszinierenden Magie des Theaters vermittelt habe.
Diese Begegnung ist ein erster bleibender Eindruck, den er aber nicht unbeding als Schlüsselerlebnis darstellen möchte. «Ich hatte früh Spass am Spielen und Schreiben», sagt er. Später kamen Ausflüge ans Stadttheater St. Gallen hinzu, die Einbindung in den dortigen Jugendtheater-Club und schliesslich erste Einsätze als Hospitant. Dies alles verdichtete sich so, dass er mit 19 Jahren nach der Kantonsschule «aus jugendlicher Lust, die Heimat zu verlassen», an eine Schauspielschule in Hamburg ging.
Nur beim Spielen wollte Heule aber nicht bleiben: «Texte wiederzugeben, die andere geschrieben haben, reichte mir nicht», sagt er. Also hängte er ein Regiestudium an der Zürcher Hochschule der Künste an, das er kürzlich erst mit dem Master abschloss. Ein wichtiger Teil seines Regiestudiums war auch das szenische Schreiben, also das Verfassen von Schauspielszenen oder ganzen Stücken.
Hausautor am Theater Basel
Inzwischen hat Philippe Heule vier Stücke geschrieben. Drei davon hat er im Rahmen seines Studiums in Zürich selber inszeniert, darunter sein Diplomstück, eine Gesellschaftsgroteske mit dem vieldeutig hintersinnigen Titel «Fritz, wo ist dein Zorn geblieben». Die Diplomaufführung beeindruckte eine Lektorin aus dem Berliner Theaterverlag Henschel Schauspiel derart, dass sie Heules viertes Stück ins Verlagsprogramm aufnahm.
In den kommenden Monaten wird er nun ein fünftes Stück verfassen. Heule wurde von der neuen künstlerischen Leitung des Theaters Basel unter Andreas Beck im Rahmen des Förderprogramms «Stück Labor Basel» als Hausautor verpflichtet. «Es ist eine höchst komfortable Situation für mich in meiner Tätigkeit als Autor», freut er sich: «Ich habe eine ganze Theatersaison Zeit, ein Stück zu schreiben und einen aufregenden Theater-Neustart mitzuerleben.»
Das Theater Basel fühlte sich wohl zu einem wichtigen Teil von der Theateraffinität und Bühnenverbundenheit Heules angesprochen: «Man merkt den Theaterstücken des Autors im besten Sinn den Schauspieler und Regisseur an», heisst es im Spielzeitheft. Und: «Seine dramatischen Texte sind für das Spiel auf der Bühne bestimmt.»
Prozesshafte Arbeit
Beim aktuellen Treibstoff-Projekt «Die grosse Schlacht» gibt es aber kein fertig geschriebenes Stück. «Ich habe ein erstes Konzept verfasst, wir entwickeln das Projekt aber gemeinsam und prozesshaft», sagt Heule. Auch das ist eine Herausforderung, weiss man doch lange nicht genau, wo genau das Ganze hinführen wird. «Es ist ein Kraftakt», sagt Heule. «Aber wir sind zuversichtlich dass wir im guten Sinne scheitern werden», fügt er mit einem breiten Lächeln hinzu.
Und ja, etwas nervös sei er schon. Also doch! «Die letzten Meter vor der Premiere bedeuten immer Stress, man hat das Gefühl, noch tausend Sachen abklären zu müssen», sagt er. «Aber das gehört dazu, es spornt einen an, das Beste zu geben.»
Marcel Schwald, Boris Nikitin, Patrick Gusset, Phil Hayes, Thom Luz, Fabian Chiquet und Elia Rediger – die Liste der ehemaligen Teilnehmenden liest sich wie ein Ausschnitt aus dem Who is Who der Schweizer Theaterszene. Die Treibstoff-Theatertage haben sich als Plattform für den Theaternachwuchs etabliert.
Ins Leben gerufen wurde das Produktionsfestival für den Theaternachwuchs 2004 aus einer Notlage heraus. Die Initianten, die Kaserne Basel und das Theater Roxy in Birsfelden, taten sich zusammen, um die damals etwas darbende freie Szene zu beleben. Inzwischen ist mit dem Jungen Theater Basel ein dritter Mitorganisator mit dabei.
Treibstoff findet alle zwei Jahre statt. Und wird auch in der Szene als Plattform und Schaufenster immer beliebter. Vor zwei Jahren mussten sich die programmverantwortlichen noch durch 120 Bewerbungsdossier durcharbeiten, dieses Mal waren es bereits 200. Sieben Projekte wurden ausgewählt. Sie sind vom 2. bis 12. September im Theater Roxy, im Jungen Theater Basel, im Stadion Rankhof, in der Messe Basel und im Vereinslokal von Carambolage zu sehen.