Rebelliert, Frauen!

Jahrzehntelang kämpften Suffragetten Anfang des 20. Jahrhunderts in England für das Frauenstimmrecht. Mit Taten, nicht nur mit Worten. Der Film «Suffragette» erzählt ihre Geschichte.

Verhaftet werden? Wenn nichts anderes mehr hilft...

 

(Bild: © Pathé Films)

Jahrzehntelang kämpften Suffragetten Anfang des 20. Jahrhunderts in England für das Frauenstimmrecht. Mit Taten, nicht nur mit Worten. Der Film «Suffragette» erzählt ihre Geschichte.

Es ist kein stolzer Moment am Ende des Filmes «Suffragette», den man als Schweizerin im Kinosessel erlebt. Da flimmern Jahreszahlen und Ländernamen über die Leinwand, die aufzeigen, wann welches Land das Frauenstimmrecht eingeführt hat – und die Schweiz kommt mit 1971 äusserst spät. Aber immerhin noch vor Jordanien, Qatar und Saudi-Arabien.

Der Film «Suffragette» befasst sich hingegen nicht mit der Schweizer Frauenrechtsgeschichte, sondern mit der englischen. 1928 erhielten im Königreich die Frauen das Wahlrecht – uneingeschränkt. Bestimmte Frauen hatten schon seit 1918 wählen dürfen, sofern es ihr Mann zuliess und sie über 30 Jahre alt waren.

«Suffrage» bedeutet nicht anderes als Stimmrecht, und die Aktivistinnen, die dafür kämpften, wurden davon abgeleitet als Suffragetten bezeichnet.

Und ein Kampf war es: Denn wenn Männer sich nicht durch Argumente überzeugen lassen, so sagten die Suffragetten, dann agieren wir eben in einer Sprache, die Männer verstehen. Nach 1910 – und nach jahrzehntelangem erfolglosem Argumentieren mit Worten – griffen die Frauen zu den Waffen. Sie jagten Briefkästen in die Luft oder zerschmetterten Schaufenster mit Steinen. Sie demonstrierten, liessen sich inhaftieren und traten im Gefängnis in Hungerstreik.

Votes for women!

Der militante Kampf der Suffragetten geschah auf Geheiss einer einzigen Frau: Emmeline Pankhurst (1858–1918). Als Tochter politisch aktiver Eltern kam Pankhurst schon im Teenageralter in Berührung mit der Suffragettenbewegung und unterstützte diese nicht nur ihr Leben lang, sondern wurde zu ihrer Leaderfigur.

1902 gründete Pankhurst mit ihren Töchtern die Women’s Social and Political Union (WSPU), eine Organisation, die das Stimmrecht für Frauen unter dem Motto «deeds, not words» (Taten statt Worte) forderte, was schliesslich in die beschriebenen Aufstände mündete.




«Deeds, not words!» Emmeline Pankhurst (Meryl Streep) ruft zum Kampf auf. (Bild: © Pathé Films)

Emmeline Pankhurst wird in «Suffragette» von Meryl Streep verkörpert – in einer kleinen, jedoch bedeutenden Nebenrolle. Dass die US-Amerikanerin sich diesen Auftritt nicht entgehen liess, erstaunt nicht. Zwar bezeichnet sie sich nicht als Feministin, doch für Gleichberechtigung steht sie allemal ein – vor allem auch im männlich geprägten Filmbusiness.

«Suffragette» erscheint in diesem Setting auch beinahe wie ein Manifest für Frauenrechte: Geschrieben und gedreht von zwei Frauen, Abi Morgan und Sarah Gavron, mit einem exzellenten weiblichen Cast von Helena Bonham Carter bis Carey Mulligan, die sich klar dazu bekennen, Feministinnen zu sein. Abgesehen davon: Es war schon lange überfällig, dass dieses Kapitel der Geschichte filmisch aufgearbeitet wird.




Zwei militante Kämpferinnen: Emily Davison (Natalie Press) und Edith Ellyn (Helena Bonham Carter). (Bild: © Pathé Films)

Während der Film zwar auf historischen Fakten beruht, sind nicht alle Figuren historisch verbürgt. Neben Emmeline Pankhurst und einigen Politikern (die äusserst aristokratisch blass bleiben), ist es gerade noch ein Name, den man kennt: Jener von Emily Wilding Davison.

Die radikale Kämpferin brachte die Anliegen der Frauen im Jahr 1913 auf tragische Weise weiter, indem sie sich bei einem Pferdederby vor das Pferd von König George V. warf. Die internationale Presse sah dabei zu, und als Davison wenige Tage später an ihren Verletzungen starb, hatte die Suffragettenbewegung ihre Märtyrerin. Dem Trauermarsch durch London wohnten Tausende Menschen bei.

Die Anekdote, die sich um Davisons Tod rankt, kann exemplarisch für die Haltung stehen, die den Frauen dazumal entgegengebracht wurde: So soll sich der König am Tag nach dem Unfall nach dem Befinden von Jockey und Pferd erkundigt, Emily Davison aber mit keinem Wort erwähnt haben.

Fiktion und Realität

«Suffragette» findet in diesem Ereignis seinen Höhepunkt. Der Film zeichnet den Weg dahin nach, anhand der Geschichte von fünf Frauen. Vier davon – alle ausser Davison – sind fiktive Gestalten, teilweise zusammengemixt aus historischen Figuren. Die Apothekerin Edith Ellyn (Helena Bonham Carter) sei inspiriert gewesen von Edith Garrud, die die Suffragetten mit Jiu Jitsu fit für den Kampf machte, und einer weiteren Aktivistin namens Edith New.

Die eigentliche Hauptperson des Filmes jedoch ist Maud Watts (Carey Mulligan), und hier trägt der Film etwas zu dick auf: Maud Watts arbeitet seit ihrer Kindheit in einer Wäscherei unter miserablen Anstellungsbedingungen, sie ist Waise und wurde als Teenager vom Wäschereibesitzer missbraucht. Inzwischen verheiratet und Mutter eines Sohnes, kommt sie eher zufällig in Kontakt mit der Suffragettenbewegung und schliesst sich ihr nach kurzem Überlegen an.

Es kommt, wie es kommen muss: Ihr Mann erträgt die Schande, die seine Frau über ihn bringt, nicht, verstösst sie und gibt zu guter Letzt auch noch den gemeinsamen Sohn, auf den die Mutter kein Anrecht hatte, zur Adoption frei.




Ein harter Job: Maud Watts (Carey Mulligan) in der Wäscherei. (Bild: © Pathé Films)

Für die Figur von Maud Watts wurden mehrere Biografien von Frauen zu einer einzigen verwebt: Sie wird zum Modellfall in extremis, was allerdings leider an der Glaubwürdigkeit des Filmes kratzt. Ein bisschen weniger wäre vielleicht mehr gewesen.

Doch vielleicht war es auch nötig, auf drastischste Art zu zeigen, welche Zustände es zu ändern galt. Am Ende des stark gespielten Filmes fühlt man sich jedenfalls ein Stück weit wie eines der von Lauge und Händen malträtierten Hemden, die in der Wäscherei von Maud Watts wieder weiss geschrubbt werden. Die Jahreszahl am Schluss kommt zu diesem Gefühl dann wie das i-Tüpfelchen noch oben drauf.

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«Suffragette» läuft ab dem 4. Februar in den Deutschschweizer Kinos.

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