Revolutionär

Der dänische Film «A Royal Affair» ist vor allem eins: grossartiges Schauspiel.

Intimes Spiel: Die Königin und der Hausarzt. (Bild: zVg/©Ascot Elite)

Der dänische Film «A Royal Affair» ist vor allem eins: grossartiges Schauspiel.

Eben noch haben wir den «Besuch des Leibarztes» ins Büchergestell zurückgestellt – mit einem Seufzer –, wie man es tut, wenn man ein Buch liebt, schon steht der Leibarzt wieder vor uns: auf der Leinwand. Der Film bietet einige Gründe, dem Buch nachzuweinen. Aber noch mehr, einen Kinoabend zu erleben.

Wo P. O. Enquist uns im Buch tiefe Feinblicke in die Figuren am dänischen Hof gewährte, tut Nikaloj Arcel dies im Film handlungsbewusster, oberflächlicher. Er verzichtet auf historischen Ballast. Er sucht die Menschen in der Geschichte. Er führt grossartige Schauspieler und Schauspielerinnen. Was Mads Mikkelsen als Arzt und vor allem Alicia Vikander als junge Königin bieten, ist zum Hinschauen.
Der Dänenprinz ist toll. Seine Gattin 15. Der Vater stirbt. Die Mutter verwaltet die Macht. Was wie Shakespeare scheint, ist historischer Fakt. Sein oder nicht sein ist echt: Es sind viele faul im Staate Dänemark, in diesem Kapitel der Revolution am dänischen Königshaus. Ja, das gab es tatsächlich: den Versuch einer Revolution von oben.

In Europa herrschen Wollust über Hurerei über Prasserei über Willkür über Frömmelei. Kein Wunder stehen Revolutionen bevor. Aber die Revolten sind vereinzelt. Der Widerstand wird blutig niedergeschlagen. Rousseau ist im Exil. Voltaires Bücher werden verbrannt. Ihre Schriften wirken – bis in den Norden hinauf. Ist der Norden bereit?

Ein zu junger König heiratet eine zu junge Königin. Ein Hausarzt, der sich beider annimmt, wird als Geliebter der Königin von ihrem Gatten mit fast königlicher Machtbefugnis ausgestattet. Er nutzt sie – sic! – zum Wohl des Volkes. Der Hausarzt bringt die Aufklärung in den Staat Dänemark. Er, der die Welt von unten gesehen hat, verändert sie von oben. Bis zur bitteren Wende.
«A Royal Affair» ist ein prächtiges Stück Geschichtsbuch geworden. Was immer man gegen den Film einwenden mag. Seine Oberflächlichkeit wird durch eine grosse schauspielerische Leistung wettgemacht: Mikkelsen darf zwar seiner Figur kaum eine Entwicklung erlauben, aber trotzdem leiden wir mit dem Arzt mit, der die Impfung gegen den Niedergang kennt: die Abschaffung der Monarchie. Die junge Königin, die eigentliche Heldin der Freiheit, wird ebenso grossartig von Alicia Vikander gespielt, wie Mikkel Boe Følsgaard den jungen, fahrigen König gibt.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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