Riehen als Festivallabor

Wäre das schweizerische Musikleben heute ein anderes, wenn der berühmte Geiger Adolf Busch und der Pianist Rudolf Serkin in Riehen geblieben wären? Eine Ausstellung und ein kleines Musikfestival in Riehen gehen dieser Frage nach.

(Bild: zVg)

Wäre das schweizerische Musikleben heute ein anderes, wenn der berühmte Geiger Adolf Busch und der Pianist Rudolf Serkin in Riehen geblieben wären? Eine Ausstellung und ein kleines Musikfestival in Riehen gehen dieser Frage nach.

«Ja, den Adolf Busch kannte ich noch», sagt eine ältere Riehenerin an der Vernissage zur Ausstellung «Busch und Serkin in Riehen». Gerührt hält sie die 78er-Schellackplatte von 1941 in der Hand, auf der Adolf Busch und Rudolf Serkin die Kreutzer-Sonate von Ludwig van Beethoven spielen. Eine Referenzaufnahme – denn der grosse deutsche Geiger und sein berühmter Klavierbegleiter machten just in jenen Jahren Karriere, als das Geschäft mit Musikeinspielungen zu blühen begann.

Infos:

Konzerte: 14. – 18. August.
Ausstellung
: bis 8.09., jeweils Mi–Fr 13–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr.
Kunst Raum Riehen
.

Es knackt und knistert, als die Schallplatte im Kunst Raum Riehen zu laufen beginnt – doch wohnt diesem historischen Tondokument ein besonderer Zauber inne. Egidius Streiff, Kurator der Ausstellung, hat sich bewusst für die alten Schellackplatten und gegen die remasterten CDs entschieden: «Die Sensation der ersten Stunde ist hier ganz anders spürbar», sagt er. Doch wer war Adolf Busch überhaupt?

«Adolf Busch war der berühmteste Geiger der Zwischenkriegsjahre», sagt Egidius Streiff. «Und der eleganteste. Er konnte mit unglaublicher Leichtigkeit spielen. Jeder Ton hat bei ihm eine ganz bestimmte Richtung, steckt voller Spannung. Das hört man auch auf diesen alten Aufnahmen.»

Umtriebiger Geiger

Busch zog 1927 in die Schweiz, zunächst nach Basel, dann – gemeinsam mit seinem Freund und späteren Schwiegersohn, dem Pianisten Rudolf Serkin – nach Riehen, an den Schnitterweg. Einer seiner Basler Geigenschüler: Yehudi Menuhin. Eine seiner folgenreichsten Taten: Die Mitgründung des Lucerne Festivals, das in diesem Jahr stolz seinen 75. Geburtstag feiert.

Trotzdem kennt man Busch und Serkin hierzulande nur wenig. «Weil beide 1939 in die USA emigrierten», erklärt Streiff, selbst Geiger. «Und damals waren das noch zwei völlig getrennte Welten.» Busch war erklärter Gegner der Nazi-Herrschaft und fühlte sich in Grenznähe zu Deutschland nicht mehr sicher. Also verliess er Riehen, ebenso Serkin.

In den USA gewann das Wirken der beiden Musiker noch einmal richtig an Profil: Sie gründeten das legendäre Marlboro Music Festival im US-Bundesstaat Vermont und prägten es über Jahrzehnte. Hier können junge Musiker Kammermusikwerke einstudieren und gemeinsam mit ihren Lehrern aufführen. Durch dieses Festival wurde Kammermusik in den USA erst eigentlich bekannt. Heute zählt Marlboro zu den grossen Talentschmieden in den USA.

Ein bisschen Festival in Riehen

Wären Busch und Serkin nicht emigriert, gäbe es heute vielleicht ein legendäres Riehen Music Festival? Zumindest im Kleinen möchte Egidius Streiff die Was-Wäre-Wenn-Frage stellen – in der Ausstellung im Kunst Raum Riehen mit seinen zahlreichen Tondokumenten und in sieben Konzerten des Festivals «Klangraum Riehen Marlboro». Dabei gibt die Cellistin Judith Serkin, Enkelin von Adolf Busch, wie in Marlboro einen Meisterkurs für junge Kammermusikensembles, bei dem das Publikum zuhören kann.

Und in den Konzerten wird nicht nur dem Klangideal der Busch- und Serkin-Ära nachgegangen – Johann Sebastian Bachs 5. Brandenburgisches Konzert wird mit modernen Instrumenten und einem Flügel aufgeführt –, sondern die beiden Protagonisten werden auch als Komponisten vorgestellt. Judith Serkin führt mit Mitgliedern des Pellegrini Quartetts die einzige erhaltene Komposition ihres Vaters Rudolf Serkin auf – der einst bei keinem geringeren als Arnold Schönberg Komposition studierte. Und bei Adolf Buschs Divertimento für 13 Soloinstrumente op. 30 kann man selbst nachprüfen, ob der grosse Geiger auch ein grosser, zu Unrecht vergessener Komponist war.

Nächster Artikel