Robert Frank, die fotografierende Ikone der Amerikaner

Die neue Dokumentation über den grossen Fotografen Robert Frank ist eine chaotische Collage und entlässt den Zuschauer mit vielen Bildern, aber wenig Geschichten im Kopf.

Robert Frank wurde in Amerika zum grossen Fotografen. Er ist aber in Zürich geboren. Und spricht noch immer ein wenig Schweizerdeutsch.

(Bild: MICHAEL VON GRAFFENRIED, Swiss Press Photo)

Die neue Dokumentation über den grossen Fotografen Robert Frank ist eine chaotische Collage und entlässt den Zuschauer mit vielen Bildern, aber wenig Geschichten im Kopf. Es gäbe aber so einiges zu erzählen. Schliesslich hat Robert Frank sogar die Rolling Stones in Verlegenheit gebracht.

Das weiss man nicht wirklich: Robert Frank, der grosse Fotograf, ist 1924 in Zürich geboren. Als Jungspund ist er in die USA emigriert, seine Fotokamera emigrierte mit. Sie machte ihn drüben als Fotografen eines ikonischen Bildbandes berühmt. Nun kommt er zurück in die Schweiz, im Kinofilm «Robert Frank – Don’t blink».

Eine chaotische Collage ist diese Dokumentation, zusammengeschnitten aus den 20 Filmen von Robert Frank, aus unzähligen, schnell aufeinanderfolgenden Fotos, aus Texten von Frank, von alten persönlichen Filmaufnahmen seines Hauses, Schnipsel hier und da und ein immer wiederkehrendes Interview von 1984, auf das er mässig Lust hatte («I hate these fucking interviews»).

Laura Israel, Regisseurin des Filmes, ist seit 25 Jahren die Editorin von Frank. Da kennen sich zwei und umso intimer sind die Einblicke, die Israels Film immer wieder gibt. Es gibt zwar keine formtreuen Interviewsituationen, die eine Lebensgeschichte nacherzählen. Es gibt dafür viele elliptische Szenen, die ein implizites Porträt zeichnen. Wer ahnungslos in den Film geht, kommt ahnungslos wieder raus. Voller ästhetischer Bilder im Kopf. Zeit vielleicht, Wichtiges aus dem Frank-Leben mit Worten zu versehen.

The Americans – das Meisterwerk

In den USA arbeitet Frank zunächst als Fotograf für verschiedene Magazine. Ein Guggenheim-Stipendium, das er als erster Europäer gewinnt, finanziert sein grosses Vorhaben: einen fotografischen Blick in die Seele der Amerikaner werfen, eine «visuelle Studie der Zivilisation» vornehmen. Dafür reist Frank Mitte der 1950er neun Monate durch dreissig US-Staaten, nimmt 10’000 amerikanische Meilen unter die Füsse, verschiesst auf 767 Rollen Film 27’000 Bilder.

Er beschränkt seine Auswahl schliesslich auf 83 davon, die zivilisatorische Abgründe, hoffnungslose Armut und Rassismus zeigen. Doch auch luftige Momente sind darunter, eine schöne Frau im Lift, ein junges Paar beim Tanz.

Der Bildband stösst zu Beginn auf wenig Anerkennung. «A sad poem for sick people» sei er, ein trauriges Gedicht für kranke Leute. Die Fotos erzählten von einem «America seen by a joyless man who hates the country of his adoption». Heute gilt der Bildband des freudlosen Mannes, der seine Wahlheimat augenscheinlich hasse, als einer der wichtigsten Bildbände der amerikanischen Fotografie.




Sein Bildband sollte die Seele der Nation abbilden – das war ein völlig neuer Zugang zur Fotografie.  (Bild: Robert Frank)

 

Wahrscheinlich hat das Vorwort des populären Beat Generation-Mannes Jack Kerouac schliesslich zum Durchbruch verholfen. Frank traf Beatnik Kerouac auf dem Trottoir vor einer Party, zeigte ihm seine Fotos und bat um eine Einführung in seine Bilder. Das Vorwort wurde geschrieben, Franks Verbindung mit der Beat Generation blieb. «The Americans» ist für Robert Frank Durchbruch und hochgelegte Messlatte zugleich: Es bleibt sein bekanntestes Werk.

Auch den Stones zu heftig

Nach dem Buch hängt Frank die Fotokamera vorläufig an die Wand. Er macht jetzt Filme, wendet sich vom Erfolgsmedium ab. 20 Filme sind bis heute entstanden. Berühmt und noch viel mehr berüchtigt ist «Cocksucker Blues», seine Dokumentation der USA-Tour der Rolling Stones von 1972. Darin sind nicht nur heftige Drogen- und Gruppensex-Szenen zu sehen, sondern auch Momente, in denen die unglaubliche Einsamkeit während einer solchen Tour spürbar wird, und erschöpft rumbrüllende Rolling Stones, wenn die Show zu Ende ist.

Mick Jagger entschied, den Film unter Verschluss zu halten. Ruf in Gefahr. «It’s a fucking good film, Robert, but if it shows in America, we’ll never be allowed in the country again.» Ein paar sachte Ausschnitte gibt es in «Robert Frank – Don’t blink» dennoch. Laura Israel hat das irgendwie hingekriegt. 

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«Robert Frank – Don’t blink» läuft u.a. in den Basler kult.kinos.

>> Laura Israel im Interview über «Robert Frank: Don’t blink»

>> Die FAZ über das Meisterwerk «The Americans»

>> Die NZZ mit einem schönen Portät

>> Beim Tages-Anzeiger hört man Robert Frank in seiner alten Muttersprache sprechen

 

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