Rocky verlässt den Ring hoch erhobenen Hauptes

Mit «Creed» findet Sylvester Stallone endlich einen würdevollen Ausstieg aus dem «Rocky»-Universum. Der Film läuft ab Donnerstag in den Basler Kinos.

(Bild: © 2015 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

Mit «Creed» findet Sylvester Stallone endlich einen würdevollen Ausstieg aus dem «Rocky»-Universum. Der Film läuft ab Donnerstag in den Basler Kinos.

Wenn erwachsene Männer im Kino ein paar Tränen verdrücken, wenn gestandene Schwergewichtsboxer mit belegter Stimme feststellen, der Film sei «sehr berührend» gewesen, dann ist Rocky wieder einmal über die Leinwand getänzelt.

Wobei «getänzelt» das falsche Wort ist.

In «Creed – Rocky’s Legacy» bewegt sich Sylvester Stallone altersgerecht etwas langsamer, gemächlicher als in «Rocky Balboa», dem letzten Teil der Rocky-Saga. Das ist eine gute Nachricht. Rocky hat seinen Platz und seine Würde gefunden. Tieftraurig zwar und etwas abgelöscht, doch voller Weisheit und Witz begegnen wir ihm in diesem Film. «Creed», der keine Fortsetzung, sondern eine Neubelebung, eine Übersetzung des epischen Stoffes in die heutige Zeit sein will. Und diesen Anspruch auch einlöst.

Donnies Trainer heisst YouTube

Adonis «Donnie» Johnson ist der uneheliche Sohn von Rockys einstigem Erzrivalen und späteren Freund und Trainer Apollo Creed. Seine Kindheit verbringt er hauptsächlich im Jugendknast bis er von Creeds Witwe Mary Anne aufgenommen wird. Sie hofft, den Jungen dank guter Ausbildung und wohlbehüteter Jugend vom Kämpfen fernhalten zu können.

Tatsächlich beginnt Donnie eine Karriere in der Finanzbranche, nebenbei nimmt er jedoch erfolgreich an illegalen Boxkämpfen in mexikanischen Bars teil. Ohne Trainer, dafür mit YouTube, hat er es zu einem passablen Boxer gebracht.

Eines Tages reibt sich der frisch beförderte Donnie in Hemd und Krawatte hinter seinem Schreibtisch nachdenklich die vom Boxen malträtierten Hände, steht auf, verlässt das Büro und legt seinem Chef wortlos die Kündigung auf den Tisch. Er will sich als Profiboxer versuchen.

Gegen den Willen seiner Ziehmutter Mary Anne fährt Donnie nach Philadelphia, um sich von Rocky trainieren zu lassen. Der hat jedoch mit dem Boxen – und seit dem Tod von Frau Adrian und Freund Paulie auch mit dem Leben – abgeschlossen. Es braucht einiges an Überzeugungsarbeit seitens von Donnie, um Rocky zurück ins Gym zu bewegen.

Rocky trägt fernab des Rings einen eigenen Kampf aus.

Einige ikonische Trainingssequenzen später (ohne Rinderhälften, dafür mit flatternden Hühnern) steht «Hollywood Donnie» auch schon Stirn an Stirn mit seinem ersten Gegner. Zuerst kämpft er noch unter dem Namen Johnson, später steigt er in rot-weiss-blauen Shorts und als echter Creed in den Ring. Rocky trägt derweil einen ganz anderen Kampf aus.

Die Geschichte wurde von Regisseur und Drehbuchautor Ryan Coogler («Fruitvale Station») gekonnt modernisiert. Creed wurde von Rocky trainiert, hat als Kämpfer jedoch einen eigenen Stil. Das gleiche trifft auf die beiden Filme zu. «Creed» ist voller Referenzen, seien es Szenen, Kameraführung, Sprüche oder Kleidungsstücke. Gleichzeitig sind Plot, Charaktere und deren Beziehungsgeflecht belastbar genug, dass «Creed» sich auch als eigenständiger Film behaupten kann.

Besonders gelungen ist neben der Besetzung (Michael B. Jordan als Donnie, Tessa Thompson als dessen Freundin Bianca) der Soundtrack. «Creed» klingt nach Rap, Classic (Nas, The Roots) wie Present (Joey Bada$$, Eearz, Meek Mill). «Creed» klingt aber auch elektronisch-trippy (doppelt grossartig: Tessa Thompson).

Rockys Zukunft liegt in den Händen der nächsten Generation.

Stallones Rolle in «Creed», seine Bedeutung für die Weiterentwicklung des Stoffes, wird vielleicht am besten durch seine Ehrung an den diesjährigen Golden Globe Awards ausgedrückt. Vor genau vierzig Jahren wurde die Figur Rocky geboren und damit der Hollywoodstar «Sly» Stallone.

«Rocky I» wurde mit Preisen überschüttet (unter anderem drei Oscars für den besten Film, Regie und Schnitt). 2016 gewinnt Stallone nun einen Golden Globe in der Kategorie «Bester Nebendarsteller – Drama», dazu kommt eine Oscar-Nominierung in der gleichen Kategorie. Der Stab ist übergeben, die Zukunft des «Rocky»-Universums in die Hände der nächsten Generation gelegt.

Dass es eine Zukunft geben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar erst Spekulation. Doch die letzte Kameraeinstellung ist so unzweideutig an die Schlusssequenz von «Rocky I» angelehnt, dass alles andere eine grosse Enttäuschung wäre.




Blick in die Zukunft, vor vierzig Jahren und heute. (Bild: oben: © Studio / Produzent; unten: © 2015 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

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Bei der Basler Pressevisionierung von «Creed» waren auch der Prattler Schwergewichtsboxer und Europameister Arnold «The Cobra» Gjergjai und sein Trainer und Manager Angelo Gallina anwesend. Beide waren vom Film hellauf begeistert. Gjergjai: «Ich würde am liebsten gleich ins Gym rennen und richtig hart trainieren gehen. Die Rocky-Filme haben mich immer sehr motiviert.»

Gallina veröffentlichte später auf Facebook seine eigene Filmkritik (nicht öffentlich). Ein Auszug:

«Nun ist der alte Boxzampano [Rocky, die Red.] also nicht im Höschen, sondern als Trainer mit Pratzen und Brustpanzer unterwegs. Gebeten darum hat ihn der bis heute allen noch unbekannte Sohn vom verstorbenen ‹Rocky 1›-Gegner Apollo Creed, Adonis. Eine geschickt eingefädelte Geschichte eines erfolgreichen Bankmanagers (Creed), der sich das Boxen selber beigebracht hat und ganz ohne Trainer in Mexico an den Wochenenden Profikämpfe bestreitet. […] Eine zarte, mehrfach gut eingefädelte Beziehungsgeschichte mit einem alternden Rocky als Trainer, einer wundervollen Musikerin (Tessa Thompson) und einer Ersatzmutter. […] Als Trainer hab ich tatsächlich auch noch was gelernt… und ja… ich hab als oldstyle Rocky-Fan ein paar Tränen verdrückt.»

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