Roman Roth aus Möhlin ist der neue Schlagzeuger von Simply Red

Simply Red haben 50 Millionen Alben verkauft und lancieren diesen Herbst ihre Welttournee. An Bord: ihr Schweizer Schlagzeuger Roman Roth. Der 40-Jährige gibt bei der britischen Soulpop-Band den Takt an. Wie hat er das geschafft?

Lebt seit einigen Jahren in London – und das mit Erfolg: Schlagzeuger Roman Roth. 

(Bild: Nils Fisch)

Simply Red haben 50 Millionen Alben verkauft und lancieren diesen Herbst ihre Welttournee. An Bord: ihr Schweizer Schlagzeuger Roman Roth. Der 40-Jährige gibt bei der britischen Soulpop-Band den Takt an. Wie hat er das geschafft?

Roman Roth hat das erreicht, wovon viele junge Menschen träumen, wenn sie beim Musikmachen die Augen schliessen: Er spielt in grossen Hallen auf, gefeiert vom Publikum, das zu den Songs mitsingt und mittanzt. Dieser Tage probt er für seine erste Europatournee als Schlagzeuger von Simply Red. Jener britischen Band, die in den letzten 30 Jahren 50 Millionen Tonträger verkauft hat. Zahlreiche Hits, zahlreiche Fans – rund um die Welt. Bei dieser Gruppe also gibt seit neustem ein Schweizer den Takt an? Wie ging denn das?!

Das wollen wir vom 40-Jährigen bei seinem Abstecher in die alte Heimat wissen. Bereitwillig und bescheiden gibt er Auskunft – nachdem er seiner frischgebackenen britischen Gattin Claire erklärt hat, wo sich die Basler Shoppingmeile befindet.

Die Schweizer Jahre: Sessions und der Aufbau einer Schlagzeugschule

Wir setzen uns in den Innenhof des Bistros «1777». Weil es hier lauschig ist. Und vor allem aber, weil sich Roman Roth einen Ort wünschte, wo Ueli Bier ausgeschenkt wird. Dieses wird zwar über den Rhein, nicht aber über den Ärmelkanal exportiert. Sein altes Lieblingsbier.

Ehe wir uns hier in Hopfen und Malz verlieren, zurück zur Frage: Wie kommt einer aus dem Fricktal zu einem solch grossartigen Engagement?

Roth hat sich seine Sporen in der Schweiz abverdient. Sein Ausbildungsweg führte ihn von der Musikschule im Heimatdorf Möhlin über die Musikwerkstatt in Basel, wo er bei Markus Fürst Schlagzeugunterricht genoss, jenem Mann, der bei Stiller Has auf die Pauke haut.

Früh träumte er davon, Profi zu werden, auf den Spuren seiner grossen Idole zu wandeln – von John Bonham etwa, dem grossartigen Drummer von Led Zeppelin. Nach seinem Studium an der ACM, der Academy of Contemporary Music in Zürich, baute Roth eine Schlagzeugschule auf und sein Netzwerk aus. Er wurde von Schweizer Künstlern für Sessions und Tourneen verpflichtet: von Myron bis Natacha. Nicht alles widerspiegelt seinen persönlichen Musikgeschmack – manches würde er in seinem CV lieber ausblenden, wie er durchblicken lässt. Aber in der Schweizer Szene wählerisch sein, ist kein Luxus, den man sich leisten kann. Wer einen Weg in den kleinen Kreis findet, wo anständige Gigs auch anständig bezahlt werden, kann froh sein.

Kirsty Bertarelli öffnet ihm die Türen in die Londoner Studiowelt

Roth wurde auch von Kirsty Bertarelli verpflichtet. Jener bemerkenswerten Frau, die als Sängerin wahrgenommen werden möchte, aber als ehemalige Miss United Kingdom und reichste Britin oft im Schatten ihres Mannes steht: Ernesto Bertarelli, Alinghi-Sponsor und Milliardär.

Sie heuerte nicht nur Roman Roth am Schlagzeug an, sondern für die Produktion ihres Albums auch den britischen Produzenten Andy Wright. Dieser ist unter anderem für seine Kooperationen mit Simply Reds Mick Hucknall bekannt und betreibt im Südwesten Londons ein Studio. «So lernten wir uns kennen», sagt Roth. «Der Groove untereinander war von Anfang an bestens.» Die Session mit Wright war fruchtbar, der britische Produzent beeindruckt von der ruhigen Art des Schweizers – und dessen Timings.

Ein in jeglichem Sinn taktvoller Mann

Die beiden hielten den Kontakt aufrecht, Roth wurde hin und wieder für Studioaufnahmen angefragt, jettete gelegentlich nach London. Wie erklärt er sich, dass er in der Musikermetropole, in der so viele nach Aufträgen lechzen, zum Zug kam? «Durch Zuverlässigkeit. Wenn man eine Session hat, pünktlich erscheint und dabei auch noch gut vorbereitet ist – dann fällt man auf. Ich glaube, meine gutschweizerischen Eigenschaften haben mir da geholfen», sagt er. Und vermeidet, ganz bescheiden, zu erwähnen, dass er auch noch in jeglichem Sinne höchst taktvoll ist.

Ist der Konkurrenzkampf in London nicht brutal viel grösser, wäre es nicht einfacher in der Schweiz? «Man kann es nicht vergleichen. In der Schweiz gibt es kaum noch eine professionelle Industrie. Und das Niveau in London ist ja nicht höher, weil die Briten bessere Musiker sind als wir, sondern weil es so viele qualifizierte Leute aus ganz Europa dahinzieht», sagt Roth.

Das leuchtet ein. Sein Mut zum Risiko wurde belohnt, fragte ihn Andy Wright doch unverhofft: «Hättest du Zeit für einen Gig mit Mick Hucknall?» Dessen langjähriger Schlagzeuger bei Simply Red war gerade auf Tour mit Sade. «Ich wurde für ein Privatkonzert angefragt, ausgerechnet in der Schweiz – natürlich liess ich mir diese Chance nicht entgehen!»

Der Zufall wollte es, dass just an jenem Abend der FC Basel in der Champions League gegen Manchester United antrat. Dazu muss man wissen: Hucknall ist grosser ManU-Fan, so gross, dass manche sagen, der Name Simply Red beziehe sich gar nicht auf seine Haarfarbe, sondern auf die Fussballmannschaft («Red Devils»).

Als der FC Basel ManU aus der Champions League kickte

Natürlich gehörte es vor dem besagten Schweizer Gig zu Hucknalls Sonderwünschen, dass man ihm Backstage einen Fernseher bereitstelle. Die ganze Band schaute sich in der Garderobe das Spiel an. Still und leise drückte der Aushilfeschlagzeuger dem FCB die Daumen. Als dieser durch Marco Streller früh in Führung ging, machten sich die ersten Begleiter von Hucknall aus dem Staub. «Die Situation wurde unangenehm für mich, wussten doch alle, dass ich Schweizer bin.»

Wer hätte auch geahnt, dass der FC Basel an diesem 7. Dezember 2011 Fussballgeschichte schreiben würde, mit einem Sieg über das grosse Manchester United? «Beim Schlusspfiff waren wir nur noch zu zweit in der Garderobe, ich versuchte meine Freude zu verbergen. Da schaute er mich an und sagte: ‹Hattest du nicht gesagt, dass du aus Basel kommst?› – «Es war eine rhetorische Frage, dennoch dachte ich in dem Moment: Scheisse. Wenn mich das bloss nicht den Job kostet, von wegen schlechtes Karma oder so. Ich stotterte also: ‹Naja, nicht direkt aus der Stadt selber, sondern vom Land, also aus der weiteren Region.›»

«Als der FC Basel ManU schlug, fragte mich Bandleader Mick Hucknall:  Ich stotterte: »

Mit trockenem Humor erzählt Roth diese Anekdote. Hucknall, der für seine zarten Balladen und seinen perlenden Soul, aber auch für seine Dominanz innerhalb der Band bekannt ist, entpuppte sich am Ende als fairer Verlierer. «Zum Glück hat er die Fussballniederlage nicht überinterpretiert.» Im Gegenteil: Er war sehr zufrieden mit Roths Leistung und verpflichtete ihn für die Konzerttour zu seinem «American Soul»-Soloalbum, das ihn in altehrwürdige Konzertsäle wie die Royal Albert Hall führte. «Ein magischer Moment», sagt Roth. «Da flatterten schon kurz meine Nerven, als ich da sass und realisierte, wo ich jetzt gerade grooven konnte.»

Im Zuge dessen entschied er sich, ganz nach England zu ziehen. «Ich sagte mir: Wenn ich es jetzt nicht wage, wann dann?» Er landete in einer WG – mehr konnte er sich als Musiker nicht leisten in der Stadt mit den exorbitanten Mieten. «Money’s too tight too mention», um es mit dem Simply-Red-Hit (Video oben) zu sagen. Das sollte sich ändern.

Die besten Hotels, traumhafte Gagen – wie konnte er dazu nein sagen?

Denn vor einem Jahr kam wieder der Anruf. Mick sei sehr zufrieden gewesen mit den Solo-Gigs. Ob er bereit wäre mit Simply Red auf Tour zu gehen. Hallenstadien, von Aberdeen bis Wien, von Belfast bis Mailand. Die besten Hotels. Und traumhafte Gagen. Wie konnte er dazu nein sagen?

Mit ersten TV-Auftritten, etwa beim legendären BBC-Host Jools Holland, hat sich Roman Roth schon warmgespielt, nun haben die Tourproben begonnen, die Pläne Kreise um den Globus gezogen: Nach Europa folgen 2016 Stadionauftritte in Südamerika und Australien.

«Manchmal muss ich mich tatsächlich kneifen», sagt Roth. Dass er diesen Traumjob gekriegt hat, dass er vor Tausenden Fans Songs spielen kann, die er selber am Radio mitsang – irgendwie surreal.

«Es gab zuvor Momente, da war ich nah dran, diesen grossen Traum aufzugeben. So wie die meisten Musiker, die sich aufs Unterrichten beschränken zugunsten eines regelmässigen Einkommens», gesteht er. Der Sprung nach England war der letzte Versuch, es im grossen Stil zu packen. Mit seinem Timing und seinem Flair für perfekte Grooves hat er es geschafft.

Im November darf sich Roman Roth auf ein Heimspiel freuen

Ob sein Timing auch im privaten Bereich perfekt sein wird? Gleich nach Tourbeginn erwartet Gattin Claire ihr erstes Baby. Im Idealfall an einem konzertfreien Tag. «Ich werde so oft wie möglich nach London zurückfliegen zwischen den Gigs», sagt Roth. Was aber, wenn das Baby an einem Konzerttag zur Welt kommt? «Dann ist es Pech für mich. Denn bei aller Liebe fürs Familiäre, die auch Mick Hucknall auszeichnet: Die Band geht vor.» Da gebe es kein Wenn und Aber.

Die Tour führt die Band auch nach Basel – was den singenden Fussballfan Hucknall an den ersten Gig mit seinem Drummer erinnern dürfte. Findet das Konzert doch vis-à-vis des Fussballstadions, in der Joggelihalle, statt. Für Roman Roth ein Heimspiel mit zusätzlich besonderem Touch: Im Vorprogramm steht Nicole Bernegger, jene Sängerin, die er noch aus den gemeinsamen Jugendjahren in Möhliner Schülerbands kennt. Und bei deren aktuellem Album er im Studio Schlagzeug spielte.

_
Simply Red live mit Roman Roth: 11. November 2015, St. Jakobshalle, Basel.
www.romanroth.com

Nächster Artikel