Als punkiges Zombie-Spektakel fegt «Romeo und Julia» über die Basler Schauspielhausbühne. So laut und deftig, dass die innige Liebe der zwei Hauptfiguren erst recht zum Fremdkörper in einer abgründigen Welt wird.
Die Arenabühne im Schauspielhaus (Bühne: Stéphane Laimé) ist von Russpartikeln übersät. Schon bevor der letzte Gong-Dreiklang das Publikum zum Platznehmen auffordert, schlurfen gruselige Zombie-Gestalten durch die verbrannte Erde, während sich im Hintergrund die beiden Musiker (Christian Müller und Chrischi Weber) auf ihren elektronisch verzerrten Instrumenten einzuspielen beginnen.
Nein, laue veronesische Sommernächte bekommt man bei «Romeo und Julia» in der Inszenierung von Barbara-David Brüesch ganz bestimmt nicht vorgesetzt. Sondern Hass und Kampf. Um Leben und Tod geht es, aber das hat Shakespeare selber ja so geschrieben.
Obschon, so richtig lebendig wirkt da auf der Bühne niemand mehr. Die Amme (Katka Kurze) sticht noch am ehesten aus der Schar der vollends oder halbwegs Untoten heraus. Es ist eine garstige Amme, die die rüde raufende Bande der halbwüchsigen Post-Punker mit abgebissenen Apfelstücken bespuckt. Und wenn dann die mit schweren Zweihändern bestückten Oberhäupter der beiden verfeindeten Familien Montague und Capulet auftauchen, gerät die Schlacht vollends aus den Fugen.
Schlacht-Crescendo zum Auftakt
Mit einem kurzen, wuchtigen Crescendo fährt die Inszenierung also gleich zu Beginn zum Tutti hoch. Es sind spektakuläre Szenen, die Kampfchoreograf Klaus Figge geschaffen hat und die vom Ensemble virtuos über die Bühne geschmettert werden. Da sind die bekannten Kampfhähne Tybald (Philippe Graff), der auf Mercutio (Simon Bauer) losgeht, der etwas gehemmt von Benvolio (Julian Hackenberg) unterstützt wird.
Und mitten drin das kleine blondhaarige, mit einem pinken Röckchen bekleidete Mädchen Julia (Judith Strössenreuter), die sich vom Rausch des Getümmels mitreissen lässt, bis sie dann etwas später auf Romeo (David Berger) trifft und die «ganz vorzügliche und höchst beklagenswerte Tragödie von Romeo und Julia», wie es im Originaltitel heisst, ihren Lauf nimmt.
Die grosse Liebe im Zombieland
Natürlich passt die zum Leben erweckte ganz grosse Liebe überhaupt nicht in dieses von Untoten bevölkerte Dämonenreich. Brüesch fokussiert das Bühnengeschehen denn auch voll und ganz auf diesen Gegensatz hin. Hier das junge Paar, das trotz aller widrigen Umstände die ganz grossen Gefühle zum Leben erweckt, dort die verkorksten und versteiften Individuen, die bereits Anzeichen von geistiger und körperlicher Leichenstarre zeigen.
Es sind diese Gegensatzpaarungen, die aus dem vielleicht etwas gar trashigen Abend mit seinem aufgefreakten Personal letztlich ein erlebenswertes Ereignis werden lassen. Etwa wenn Vinzent Leittersdorf als Vater Capulet in einer schäumenden Wutrede über seine Tochter Julia herfällt, die ihrer ganzen Verzweiflung zum Trotz in ihrer grenzenlosen Liebe beständig bleibt. Oder wenn Pater Lorenzo (Dirk Glodde) zur energischen Tirade gegen den sich im Selbstmitleid suhlenden Romeo ausholt.
Am Schluss entwickelt sich das Ganze zum schönen Bild, wenn Romeo und Julia sich als Jugendstil-Statuette im Tode ewig vereinen. Und als wirklich Tote letztlich um einiges lebendiger wirken als all die Untoten um sie herum.
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«Romeo und Julia» von William Shakespear. Nächste Vorstellungen am 19. und 21. Februar sowie im März 2015 im Schauspielhaus des Theaters Basel.