Mit dem Peter Merian Haus hat der Architekt Hans Zwimpfer eine Vision umgesetzt: Kunst wird in den Bau miteinbezogen, statt nachträglich hinzugefügt. Etwa die von Roni Horn geschaffene Fussgängerpassage.
Der Architekt Hans Zwimpfer hat mit dem Peter Merian Haus und dem daran anschliessenden Jacob Burckhardt Haus in einem Jahrzehnte dauernden Prozess seine Vision von Bauten realisiert, bei denen Kunstschaffende und Architekten auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Damit setzte er ein Zeichen gegen die gemeinhin übliche Nachträglichkeit, welche der Kunst in den «Kunst am Bau»-Projekten zukommt.
Für die Fassadengestaltung des Merian Hauses, das als markanter grüner Baukörper nahe des rostfarbenen Postgebäudes am Bahnhof SBB zwischen Nauenstrasse und den Bahn- und Tramgeleisen liegt, konnte Zwimpfer den amerikanischen Künstler Donald Judd gewinnen. Judd gehört zu den wichtigsten Exponenten der Minimal Art, seine Chinati Foundation in Marfa, Texas, ist längst zum Pilgerort für Kunst- und Architekturinteressierte geworden.
Für Judd war das Merian Haus das erste Bauprojekt, das er nicht selbst initiierte, und es sollte auch das letzte bleiben. Judd starb noch während der Planungsphase 1994, nur zwei Jahre nach der Auftragserteilung, und die Architekten bemühten sich, in seinem Sinn die Feinplanung zu realisieren.
Entstanden ist ein skulpturaler Baukörper, der aus einer Sequenz aus sechs gleichen Elementen besteht. Als Ausgangsform hatten der Künstler und die Architekten ein Containerschiff vor Augen. Mit einer milchig-grünen Glashaut überzogen, wirkt der Baukörper von aussen homogen und kompakt, von innen leicht und transparent. Mit seinen logischen Abschlüssen an den Enden ist es gelungen, das horizontal angelegte Gebilde nicht als Ausschnitt einer fortlaufenden Wiederholung zu präsentieren.
Der Nauenstrasse abgewandt verläuft eine Fussgängerpassage, die öffentlich zugänglich und gleichzeitig in die Architektur des Baus integriert ist. Von hier aus gelangt man in die sechs unabhängigen Gebäude. Eines wird von der Hochschule für Wirtschaft der FHNW genutzt, die andern sind von grossen Firmen angemietet und nicht zugänglich.
Verschwundener Naturweg
Den Fussweg hatte die amerikanische Künstlerin Roni Horn entwickelt. Ihr Anspruch war nicht, dem Belag ein Kunstwerk hinzuzufügen, sondern ihn selbst als Kunstwerk zu gestalten. Roni Horn lebt und arbeitet in New York und Reykjavik. Viele ihrer skulpturalen, fotografischen und zeichnerischen Werke sind von der Landschaft und Natur Islands inspiriert. Für den Peter Merian Weg formte sie Teile einer ganz besonderen Bodenformation aus Island ab: Kirkjugólf – auf Deutsch: Kirchenboden. Der natürliche Boden wurde lange für einen Teil eines alten Klosters gehalten, ist aber eine kleine, nur 300 Quadratmeter grosse Fläche aus Säulenbasalt, der durch die Gletscher so abgeschliffen wurde, dass er tatsächlich wie eine alte Steinpflästerung aussieht.
Von dieser Struktur nahm Roni Horn zwei sechseckige Abgüsse ab, die als Plattenformen für den Merian-Boden verwendet wurden. Sie entschied sich, die Platten in drei verschiedenen Materialien herstellen zu lassen: in Beton, Hartgummi und in weichem Gummi. Der Gummi wurde rot eingefärbt und die Gummiplatten formten in einer Abfolge von hart und weich den eigentlichen Gehweg durch die Passage.
Auch die Brüstungen und die sechseckigen Sitzgelegenheiten wurden mit dem reliefartigen Gummimaterial bedeckt. So wurde die Passage in einen Ort transformiert, an dem man automatisch inne hielt und in Verbindung mit dem Boden eine ganz individuelle Erfahrung machte: federnd, stolpernd und sinnlich. «Yous in You» ist der Titel von Roni Horns Werk – als Konfrontation mit den eigenen «Selbsten» zu lesen.
Das Original «Yous in You» gibt es nicht mehr
Warum dies hier alles in der Vergangenheitsform geschrieben ist, liegt ganz einfach daran, dass es den Gummibelag heute nicht mehr gibt. Nach der Eröffnung des Hauses konnte er einige Jahre bestehen, wurde aber bald sehr schmutzig und nicht nur bei Nässe und Kälte zu einem Hindernis für Eilige, High Heels-Trägerinnen und Rollkoffer-Ziehende. Er musste weichen.
Man war konsequent und entfernte ihn auch von Brüstung und Sitzen. Ersetzt wurde er durch quadratische und glatte Natursteinplatten, die immerhin auch rot sind. Was geblieben ist, sind Teile der hellen Betonreliefplatten, dort, wo kein Gehverkehr ist und man sich zum Verweilen hinsetzen kann.
Das Eintreten in das Gebäude der Hochschule für Wirtschaft lohnt sich ebenfalls. Im inneren Lichthof schwebt «Bogen, Sehne, Licht» des französischen Künstlers François Morellet. Drei Seile mit orangem Neonlicht sind in das freie Volumen eingezogen, zwei Bögen und eine Gerade, die als losgelöste Lichtzeichen funktionieren und sich in den grünen Glasverkleidungen des Lichthofs spiegeln. Je nach Standpunkt entstehen andere visuelle Schnitte, wird der Bogen zur Geraden oder vergrössert sich das Raumvolumen.
Eine zweite Arbeit «Bogen, Sehne, Linie» von Morellet ist über die ganze Höhe der Innentreppe leuchtend blau angelegt. Nimmt man das Ganze in den Blick, so erscheinen zwei breite Pinselstriche, einer als Bogen, der andere als Linie.