Ruedi Häusermanns «Eidgenössisch Moos» spielen in der Kaserne. Ein sanfter, lüpfiger Abend mit viel Unerhörtem.
Wenn Ruedi Häusermann mit der Kapelle «Eidgenössisch Moos» zum Konzert in die Kaserne lädt, geschieht Eigenartiges: Urbane Kunstsammler geraten in Verzückung über urchige Ländler. Städtische Mülltrenner lauschen dem Klang einer Bass-Klarinette ebenso gebannt wie dem Rutschen eines Stuhls. Wenn Häusermann hinter seinen dicken Brillengläsern der Welt ins Ohr schaut, ist es, als könnte er eine gemeinsame Zeiterfahrung von Stadt und Land im Klang einer Klarinette zusammenfassen: Seine Figuren chrampfen auf verlorenen Posten. Wenn sie ihren Senf dazugeben, dann wortwörtlich: Auf dem Hellraumprojektor verwandelt sich sogar der Senfrest in ein kleines Bergidyll.
«Eidgenössisch Moos» rackert sich ab an der Sprachfindung. Die Kapellenmitglieder erheitern sich an der Mühsal des Daseins. Hinter jede ihrer Weltanschauung steckt eine kompromisslose Weltanhörung. Ein Blick auf eine sich immer schneller entfernende Erfahrung von Gegenwart. Wenn «Eidgenössisch Moos» nach Worten sucht, findet sie immer einen Klang, der irgendwo tief in der Schweiz wohnt. Trotz aus Freude. Ihre Melodien sehnen sich nach Freude! Freude! Und wenn die Dreier-Kapelle ihren Weggefährten Robert Walser weiterdichtet, dann ist es, als wolle sie uns das Herz zerreissen, über den Verlust der vielen Genüsse, die so eine Emmentalwanderung bieten würde, wenn wir dazu Zeit fänden.
Wenn Häusermann sich zu Misstönen, die er auf dem Land im Land ortet, äussert, dann sanft und lüpfig. Er benutzt jenen anarchistischen Sprengstoff, den Machthaber nicht entschärfen können: Freude. Seine Figuren holen bloss Luft, um etwas Unerhörtes zu sagen. Sagen tun sie es nicht. Sie lassen uns trotzdem hören: In der Musik, die uns da zu Ohren kommt, ist viel Unerhörtes: Der Berg aus Senf könnte auch ein Endlager sein. Aber zum Trotz gibt es dann zum Schluss doch noch die Freinacht. Auch eine Art Freiheit. Noch heute in der Kaserne zu erleben.