Scheppernde Ritter und klappernde Burgen

In der Barfüsserkirche geht eine Ausstellung dem Bild des Ritters nach und lädt auf eine Entdeckungstour durch Baselbieter Burgen. Eine spannende, aber etwas kurze Lektion in Geschichte.

(Bild: Livio Marc Stöckli)

In der Barfüsserkirche geht eine Ausstellung dem Bild des Ritters nach und lädt auf eine Entdeckungstour durch Baselbieter Burgen. Eine spannende, aber etwas kurze Lektion in Geschichte.

In blitzender Rüstung rettet der Ritter das Burgfräulein vor dem bösen Drachen. Abgekämpft auf dem Pferd sitzend, das Schwert bluttriefend, steht der Ritter vor den Pforten Jerusalems. Stolz und in voller Rüstung wartet der Ritter auf seinen Einsatz beim Turnier. So stellen wir sie uns vor, die Ritter im Mittelalter, jene stolze Truppe, so werden sie uns in Bilderbüchern und Filmen gezeigt.

Oder doch eher: Ächzend unter dem Gewicht seiner Rüstung hofft der Ritter, nicht vom Pferd zu fallen, weil er dann ohne Hilfe nicht wieder aufstehen kann? Und zu alledem nachher auch noch die Rüstung putzen muss. Vielleicht kommt diese Vorstellung der Wirklichkeit näher.

Eine kleine Umfrage auf der Redaktion zeigt: Zum Thema Ritter kommen den Menschen die unterschiedlichsten Dinge in den Sinn. Der eine denkt an eine Exfreundin mit diesem Nachnamen, die andere an ein klapperndes Geräusch, der nächste an die Tafelrunde, an Hellebarden, Kreuzzüge, an Schokolade. Und natürlich an Monty Pythons klappernde Kokosnüsse. Immerhin einer kann mit der Basler Geschichte der Bösen Fasnacht auftrumpfen.

Doch was war ein Ritter wirklich, wie falsch ist unser Bild? Dieser Frage geht eine Ausstellung im Historischen Museum Basel nach. «Echte Burgen – Falsche Ritter» heisst sie, und sie konfrontiert uns schon beim Empfang mit falschen Erwartungen. Oder, genauer gesagt, mit falschen Burgen. Im Schiff der Barfüsserkirche sind diese aufgebaut, mehrstöckige Baugerüste, mit grauen Planen bezogen, zinnenbewehrt. Man spiele bewusst mit den Kategorien echt – unecht, um darauf hinzuweisen, wie klischiert unsere Vorstellungen sind, sagt Museumsdirektorin Marie-Paule Jungblut.

Weg mit den Klischees

Auf dem Rundgang durch die Ausstellung, die sich über zwei Stockwerke erstreckt, wird dann mittels historischer Fakten auch wirklich aufgeräumt mit Klischees. Die Region Basel bietet den richtigen Boden hierfür. Schliesslich gehört das Baselbiet zu den burgenreichsten Landschaften Europas. Und der Glanz des Basler Rittertums mit seinen Turnieren strahlte weit ins Umland aus.

Das Historische Museum hat für die Ausstellung mit der Archäologie Baselland zusammengespannt. So wirklich zusammengebracht hat man die beiden Themenbereiche aber trotzdem nicht. Während die Ritter ins Untergeschoss verbannt wurden, dreht sich im Kirchenschiff fast alles um Burgen. 3-D-Modelle und archäologische Funde bilden hier die Kernstücke. Interessant ist zu sehen, wie sich nicht nur das landläufige, sondern auch das wissenschaftliche Bild verändert hat. Und sich weiter verändern wird. Denn was wir heute zu wissen glauben, kann in ein paar Jahren bereits überholt sein – genauso wie heute jene idealisierten Bilder überholt sind, die man im 19. Jahrhundert vom Leben auf der Burg hatte. Vieles beruhte damals auf Klischees, etwa die Rollenverteilung der Geschlechter in schutzbedürftige Burgfräuleins und heldenhafte Ritter.

Der scheinbare Aufstieg endete abrupt

Dabei war das Leben auf der Burg nicht immer ein Honigschlecken. Die altertümlichen Bauwerke waren extrem teuer im Unterhalt. Dächer waren undicht, es war kalt, Treppen waren morsch, Mauern zerfielen. Entstanden waren diese Burgen im Mittelalter, eindrückliche Bauten, meist hoch oben auf einen Felsen gebaut. Kein Wunder, zeigte sich das aufstrebende Basler Bürgertum schon um 1200 beeindruckt und begann, das Rittertum zu idealisieren.

Die Ritter, einst einfache Krieger, wurden zu Kriegern des Guten emporstilisiert. Mit dem Rittertum wurde bald gesellschaftlicher Aufstieg verbunden. Und just damit begann dessen Niedergang, wie die Ausstellung aufzeigt.

Städter auf Landburgen

In die Fussstapfen der Ritter traten reiche Basler Bürger. Neben dem Landadel baute auch der Stadtadel nun seine repräsentativen Burgen in die Landschaft. Bau und Besitz einer Burg wurden zum Statussymbol. Schon ab dem 13. Jahrhundert aber begann sich die höfisch-ritterliche Kultur in die Stadt zu verlagern – man versuchte sich gegenseitig zu übertrumpfen, ein teurer Lebensstil, der dazu führte, dass viele Adlige bald mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Bald überflügelte die Stadt mit Handel und Gewerbe die Adelsfamilien und kaufte von diesen Rechte und Herrschaften. Das Erdbeben 1356 gab vielen ländlichen Adelsfamilien den Rest: Sie gaben ihre Burgen auf.

Um 1400 war der Grossteil der Burgen in städtischem Besitz. Einige davon wurden zu Landvogteisitzen umfunktioniert. Ein paar Jahrhunderte lang verwaltete die Stadt von diesen Sitzen aus die Baselbieter Täler. Erst 1798, im Jahr der französischen Revolution, gab die Stadt die kostspieligen Bauwerke auf und überliess sie dem Volk. Kurz darauf wurden einige leere Burgen von Aufrührern angezündet. Was stehen blieb, zerfiel.

Die Ausstellung liefert zur Geschichte der «Echten Burgen» die Eckdaten. Allerdings bleibt der Eindruck etwas fragmentarisch – und trotz vieler Exponate sehr theoretisch.

Von Ritter Georg bis König Artus

Im Untergeschoss geht es etwas spielerischer zu und her. Schon vor der Tür kann man sich einen Helm überstülpen und mittels kleinen Bildschirmen vor den Augen in die Ritterwelt eintauchen. Vor unseren Augen galoppieren die unvermeidlichen «Ritter der Kokosnuss». An der Wand daneben erhaschen wir einen Blick auf berühmte Ritterfiguren: König Artus, Jeanne d’Arc, El Cid. Und wenn wir die Tür aufstossen zum eigentlichen Ausstellungsraum, fällt unser Blick gleich auf den ersten und Schutzpatron aller Ritter: Ritter Georg und der Drache, aus Stein, wie wir ihn vom Münster kennen.

Hier unten lernen wir einiges übers Rittertum. Über Luxusgesetze, die die Stadt Basel erliess, um den Ritterstand zu erhöhen. Darüber, wie die militärische Funktion der Ritter mehr und mehr verloren ging. Dass es einem Ritter wegen des Gewichts seiner Rüstung unmöglich war, wieder aufzustehen, wenn er mal vom Pferd fiel. Und dass der Feind dann mittels eines «Ritterknackers» die Rüstung öffnen und den wehrlosen Ritter töten konnte. Kinder werden sich daran freuen, dass in einer Truhe einige Rüstungsteile zum Anprobieren bereit liegen. Und Spiele kann man zuguterletzt hier auch noch spielen, vom Mittelalter-Backgammon bis hin zum modernen Computerspiel.

Schwieriges Nebeneinander

So zerfällt die Ausstellung leider ein wenig in einen theoretischeren und einen sinnlicheren Teil. Was möglicherweise aber auch daran liegt, dass die Feldstecher beim Pressetermin noch nicht angeliefert waren. Damit nämlich könnte man eines der Baugerüste im Kirchenschiff besteigen und nach Details Ausschau halten, die einem sonst verborgen bleiben – so versprachen zumindest die Ausstellungsverantwortlichen. Wir haben aber auch so schon einiges entdeckt – und gelernt. Über die Region, über die Geschichte. Und über Ritter sowieso.

  • Wer noch mehr lernen will, dem sei das HMB-Magazin empfohlen, das zur Ausstellung erschienen ist. Für Kinder gibt es ausserdem ein Junior-Magazin mit vielen Rätseln, die sich vor Ort, aber auch zuhause lösen lassen. Die Ausstellung läuft vom 15. November bis zum 29. Juni 2014.

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