Schillernder Schmetterling vorm Sternenhimmel

Vor perfekter Kulisse zeigte sich der US-kanadische Chamber-Pop-Komponist Rufus Wainwright im Riehener Wenkenpark in all seinen regenbogenbunten Facetten – und brachte die Zuschauer des Stimmen-Festivals damit zum Schwelgen und Schweben.

Stimmen 2013 Rufus Wainwright + im Wenkenpark Riehen. Fotos/Copyright by Juri Junkov Publikation nur mit Namensnennung Tel.: +49 (0)7621 140962 Mobil: +49 (0) 171 7410128 e-mail: fotodesign@junkov.com www.junkov.com (Bild: Juri Junkov)

Vor perfekter Kulisse zeigte sich der US-kanadische Chamber-Pop-Komponist Rufus Wainwright im Riehener Wenkenpark in all seinen regenbogenbunten Facetten – und brachte die Zuschauer des Stimmen-Festivals damit zum Schwelgen und Schweben.

Rufus Wainwright mag ein begnadeter Sänger und Komponist, Performer und Allround-Künstler sein, doch egal wie sehr er sich auch anstrengen mag: Zuallererst wird der US-kanadische Spross einer Musikerdynastie der Welt aufgrund seiner in allen Facetten des Regenbogens schillernden Persona im Gedächtnis bleiben.

Denn dass Wainwright eine, wie man in den Staaten sagt, «big personality» hat, wäre mehr als untertrieben. Wie kaum ein Zweiter schafft es das auch kurz vor seinem 40. Geburtstag noch ewig jungenhaft wirkende Enfant Terrible des US-Entertainment-Business die Gegensätze Kitsch und Tiefgang, Pop und Klassik, Lebenslust und Weltschmerz, Naivität und Abgeklärtheit, kindliche Freude und Routiniertheit zu verschmelzen. Kurz: Rufus scheint tatsächlich eine Art Reinkarnation seines grossen Idols Oscar Wilde sein, der perfekte Dandy.

Dass es ihm auch aus nächster Nähe gelingt, trotz aller Zugänglichkeit diese entrückte Aura des Bohèmien aufrechtzuerhalten, bewies Wainwright gestern Samstagabend bei seiner Stippvisite am «Stimmen»-Festival: Nach dem solid-souveränen Support vom feinsinnigen Basler Songwriter Victor Hofstetter, der als Warm-Up für den erkrankten Charles Pasi einsprang, geht bereits bei den ersten Klängen von «Grey Gardens» ein Raunen durch die Zuschauerreihen, das weitherum wahrnehmbar durch den Riehener Wenkenpark echot – so perfekt passt die elegante, klassische Kulisse dieser lauen Sommernacht im lauschig-Grünen zur Erscheinung des Künstlers selbst, der das Kunststück vollbringt, sogar in seinen quietschbunt-palmenverzierten Hawaii-Shorts vom ersten Moment an totale künstlerische Authentizität auszustrahlen.

Ausladend üppig, sengend selbstironisch

Bekanntlich spielt Wainwright (der in der Vergangenheit gerne auch mal kokett kostümiert als Verdi oder Judy Garland auftrat) bevorzugt mit den Erwartungen des Publikums. So auch heute: Denn während das von Erfolgsproduzent Mark Ronson massgeschneiderte (oder zurechtgestutzte) Pop-Gewand seines letzten Albums «Out of the Game» mit seiner üppigen Orchestrierung und (allzu?) betonten Massentauglichkeit dem Künstler sicherlich neue Käuferschichten und -segmente erschloss, setzt Wainwright nun hierzu wiederum einen bewussten Kontrapunkt, der von all seinen treuen Fans wohl mehr als goutiert wurde:

Statt mit Band oder gar Orchester begleitet er seine Songs vorwiegend selber abwechselnd auf Flügel und Gitarre, und bittet nur während eines frankophonen Chanson-Intermezzos einen Begleitpianisten auf die Bühne. Der Fokus liegt somit passend zum Festival-Titel voll und ganz auf seiner so warmen wie wandelbaren Stimme. 

Ausladend ist der Abend dennoch in vielerlei Hinsicht: Von der opulenten Setlist, die 22 Songs aus allen Schaffensphasen des Künstlers beinhaltet (alleine vier davon Zugaben) über das Setting vor zunehmend überromantischem, nächtlichen Sternenhimmel bis hin zum operettenhaft hingeschmetterten Vibrato in den Falsett-Passagen des Tenors, die teilweise allerdings nur knapp an der Schmerzgrenze vorbeischwappen.

Doch Wainwright wäre nicht Wainwright, wenn er solch exaltierte Passagen nicht genauso wie bei seinen früheren Travestie-Performances sogleich wieder mit sengender Selbstironie und entwaffnendem Witz entkräften und aufbrechen würde: Als begnadeter Conférencier entwickelt er in seinen Ansagen nämlich einen Charme und eine Suggestivkraft, die tatsächlich seinesgleichen sucht.

Souveräne Leichtigkeit, grosse Gefühle

Ob es nun um seine Tourpläne oder die politische Weltlage, um seine verstorbene Mutter, die kanadische Folk-Ikone Kate McGarrigle, seine unerwartete Heirat mit Lebenspartner Jörn Weisbrandt oder seine dreijährige Tochter geht, der er die berührend ehrliche Ballade «Montauk» schrieb: Die Rat-Pack-artige Leichtigkeit, mit welcher er potentiell heikle oder persönliche Themen genauso wie seinen Hang zum Melodramatischen im Anschluss jeweils gleich smart, souverän und scheinbar völlig spontan in komische Anekdoten flicht, ist schlicht erstaunlich. 

Gemeinsam mit der geballten Ladung an Emotionalität, die er sowohl bei Covers wie Leonard Cohens «Hallelujah» (deren Interpretation allerdings näher bei derjenigen seines verstorbenen Bekannten Jeff Buckley liegt) wie auch während Eigenkompositionen wie dem im Refrain «I’m So Tired Of You, America» gipfelnden «Going To A Town» transportiert, sorgt dieses Wechselbad der Gefühle im Cinemascope-Format dafür, dass die Zuschauer zum Ende seiner epischen Performance nach stürmischem Applaus ergriffen und ermattet, schwelgerisch und bezaubert, vorwiegend aber völlig verstummt von dannen schweben wie Schmetterling Wainwright zuvor selber. 

Und hoffen, dass er sein Versprechen wahrmacht, und bei der nächsten Stimmen-Ausgabe zurückkehrt, um dereinst deutsche Lieder zum Besten zu geben. 

Wainwright’s aktuelles Album «Out of the Game»

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