«Schniid dä Schnouz nid ab, Mani!»

Im zweiten Teil unseres Gesprächs erklären die Gründungsmitglieder Kuno Lauener und Küse Fehlmann, warum sie auf den Schweizer Bundesrat sauer sind, wie ihnen Gratis-Downloads zu schaffen machen – und wofür sie Mani Matter bewundern.

Back on track: Züri West. Küse Fehlmann, Gert Stäuble, Kuno Lauener, Jürg Schmidhauser und Tom Etter (von links). (Bild: Annette Boutellier)

Im zweiten Teil unseres Gesprächs erklären die Gründungsmitglieder Kuno Lauener und Küse Fehlmann, warum sie auf den Schweizer Bundesrat sauer sind, wie ihnen Gratis-Downloads zu schaffen machen – und wofür sie Mani Matter bewundern.

Euer neues Album endet mit «Rain Dogs Learning To Crawl» – ein Lied, das zwei Liebeserklärungen enthält: an eine Plattenverkäuferin und an den Plattenladen an sich. Wehmütig?
Kuno Lauener: Ja, schon ein bisschen. Früher ging ich an freien Nachmittagen in die Plattenläden, steckte den Kopf zwischen Kopfhörer, hörte Musik und beobachtete die anderen Leute – zum Beispiel eine schöne Verkäuferin. Die Zeiten haben sich geändert. Es gibt sie kaum noch, die guten, alten, schönen Verkäuferinnen.

Immerhin wuchsen auch Ihre Fans mit dem Verständnis auf, dass Musik etwas kosten darf.
Kuno Lauener: Und doch bereitet auch uns die Gratis-Mentalität Sorgen. Wir waren gerade damit beschäftigt, die neue Platte abzumischen, als der Bundesrat im Herbst mitteilte, er wolle das Urheberrecht nicht anpassen. Mit der Begründung: Die Gratis-Downloads würden dem Kulturschaffen nicht schaden, die Menschen würden eben mehr Geld für Merchandising und Konzerte ausgeben. Ein Hohn, denn für mich hört sich das an wie eine Bankrotterklärung. 50 Prozent meines Lohnes machen noch immer die Plattenverkäufe aus.
Küse Fehlmann: Der Bundesrat segnet damit eine Bedienermentalität ab, die ich gesellschaftspolitisch ein falsches Signal finde. Es geht dabei ja auch nicht nur um die künstlerischen Leistungen von Musikern, sondern auch um das Urheberrecht in anderen Sparten, von der Fotografie über Texte bis zur Kunst. Solche Leistungen sollten geschützt sein.

Wie einst Metallica bei Napster machen jetzt auch Züri West mobil?
Kuno Lauener: Ich weiss, es ist als Rockmusiker sehr uncool zu sagen: Wir finden das Scheisse. Aber wenn wir 50’000 Scheiben verkaufen und dabei wissen, dass es 80’000 Exemplare wären, wenn tatsächlich alle dafür zahlen würden, dann kann einem das doch nicht egal sein. Dann will ich auch nicht vom Bundesrat hören: Immerhin verkauft ihr noch 50’000 Stück. Und die Suisa tröstet mich auch nicht, wenn sie mir sagt, dass mit Streaming-Plattformen immerhin noch Kleinbeträge reintröpfeln.
Küse Fehlmann: Es wird einfach nicht weitsichtig gedacht. Denn wo führt das hin, gesellschaftlich? Ich finde es nicht befriedigend, dass wir mittlerweile froh sein sollten, für Musik überhaupt noch etwas erhalten zu können.  
Kuno Lauener: Oft wenn ich eingeladen bin und im Hintergrund Musik auf einem iPod läuft, frage ich die Leute: Hören wir jetzt Gratis-Musik oder bezahlte Musik?

Das machen Sie?
Kuno Lauener: Ja, klar, das mache ich gerne. Die Gastgeber werden dann oft unsicher und sagen: Also weisst Du, für eure Musik zahle ich natürlich. Aber die Platte hier vom internationalen Künstler XY, die gerade läuft, die hätte ich mir gar nicht angeschafft, zumindest nicht, wenn ich dafür zahlen müsste. Diese Argumentation geht für mich einfach nicht auf.

Aber genau diese bekommt man tatsächlich sehr oft zu hören: Dass eine Lady Gaga eher um Verkaufseinnahmen betrogen wird als eine Band, die regional und emotional stärker verankert ist wie etwa Züri West. Seid ihr im Grunde nicht noch gut bedient?
Kuno Lauener: Im globalen Vergleich vermutlich schon. Im Gegenzug ist unser Markt begrenzt. Und ganz prinzipiell glaube ich, dass diese Wasserhahnen-Mentalität bezüglich Musik niemandem hilft. Klar kann man sagen: Die neue Währung ist der Moment, das Konzert. Aber wir hatten auch früher schon ausverkaufte Tourneen. Soll ein Konzert jetzt plötzlich 180 Franken wert sein? Ich finde: nein. Ich sah Nick Cave kürzlich für einen so hohen Betrag – es war aber nicht besser als einige Jahre zuvor, als ich ihn noch für 50 Franken erleben konnte. Auch die Cüpli-Veranstaltungen und all der Kategorien-Scheissdreck, der jetzt Einzug gehalten hat, geht mir gegen den Strich.

Ihr könnt euch dagegen verwehren, dass bei Züri-West-Konzerten ein «Golden Circle» eingerichtet wird?
Kuno Lauener: Es gibt Veranstalter, die uns mitteilen, dass sie einige Sitze auf der Empore für Sponsoren reserviert haben. Da können wir einfach einen John-Lennon-mässigen Spruch machen: Die oben können mit den Juwelen klimpern, die unten können klatschen.

Wo ziehen Sie die Grenze? Würden Sie auch bei «Art On Ice» auftreten?
Küse Fehlmann: Das würde jetzt gar nicht zu uns passen.

Kuno Lauener: Wir haben schon auch vergleichbare Anfragen erhalten – und ich bin froh, dass wir bis jetzt um solche Sachen herumgekommen sind. Aber auch wir arbeiten mit Sponsoren, um zum Beispiel auf Tournee unsere Technikkosten tief zu halten.

Im Stil von «Züri West presented by Weltwoche»?
Kuno Lauener (lacht): Genau. Mit Roger Köppel als Gasttänzer, in einem Käfig, an der Stange. Eigentlich ein reizvoller Gedanke.

Wenn wirs gerade von neoliberalen Menschen haben: Diesem Typus widmet ihr eines eurer neuen Lieder. In «När bring I wieder öpper um» wird ein Golf spielender Angeber beschrieben, der seine Gäste gerne mal mit einem Mani-Matter-Lied unterhält …
Kuno Lauener: Ich bin grosser Fan von Mani Matter – beneide ihn aber nicht darum, dass er für vieles herhalten muss und von allen vereinnahmt wird.

Im November ist sein 40. Todestag. Mögt ihr euch an seinen Tod erinnern?
Küse Fehlmann:
Ja. Ich habe mit seiner Tochter Meret Flöte gespielt als Giel. Als er starb war das ein trauriges Thema am Familientisch. Mani Matter war in Bern eine Figur, die Troubadours waren politisch, relevant und bekannt.
Kuno Lauener: Ja, das war schon ein Thema. Wie die anderen zwei Todesfälle: John Lennon und Elvis Presley.

Was würden Sie Mani Matter sagen, wenn Sie ihm heute begegnen würden?
Kuno Lauener: «Schniid dä Schnouz nid ab!»
Küse Fehlmann: Es wäre spannend zu wissen, wo er heute stehen würde. Ob er noch politischer wäre.
Kuno Lauener:
Ja, die Entwicklung seines Schaffens zu verfolgen, wäre sehr spannend gewesen. Es ist halt schon genial, wie er scheinbar nebenbei Songs geschrieben hat, die jetzt in Stein gemeisselt sind – er hatte ja noch seine Arbeit und seine Familie. Unverschämt talentiert, wenn man sich vorstellt, wie er vielleicht ein Lied geschrieben hat, dieses seinen Kindern vorspielte und sich danach die Tagesschau anguckte.

Wünschten Sie sich ab und zu eine solche Leichtigkeit beim Entwerfen?
Kuno Lauener: Ja. Auch was den Lebensentwurf betrifft. Wir fingen als junge Leute an Musik zu machen, hatten nebendran nichts anderes. Inzwischen, beim Älterwerden, denke ich manchmal, dass es beruhigend wäre, wenn ich daneben noch etwas hätte, das ebenso bedeutend ist wie die Musik.

Das ist Ihnen ja jetzt gelungen. Mit dem neuen Familienglück.
Kuno Lauener: Das stimmt.

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