Das installative Theaterstück «Militär/Kultur/Spionage» erzählt die Geschichte der Kaserne neu – als rätselhafte Vermischung von Vergangenheit und Zukunft.
Theater mal umgekehrt: Sitzen die Zuschauer ansonsten meist gemütlich im Zuschauerraum, während die Schauspieler auf der Bühne auf und ab hetzen, läuft es an diesem Abend genau andersrum. Das Publikum jagt eineinhalb Stunden kreuz und quer übers Kasernenareal, um rechtzeitig bei den Schauspielern anzukommen, die gemütlich noch das Mikrofon an Kopf oder Kragen richten können, bevor sie ihren Part beginnen.
Komplex verkabelt, unorthodox erzählt
Das ist erstmal reizvoll und aufregend, bisweilen aber auch etwas verwirrlich, zumal die Stimmen der Schauspieler meist nicht direkt, sondern durch ein komplex verkabeltes Lautsprechersystem zu hören sind, und die Stationen wirklich von Kräutergarten bis Malsaal, von Spielestrich bis Kopfbau-Dachboden verteilt werden, sprich: über die gesamte Kaserne. Etwas ausser Atem und stets auf der Suche nach dem nächsten Schauplatz verfolgt man daher Tim Zulaufs experimentelle Theaterinstallation, welche die vielen Erzählebenen der Arealgeschichte verwischt, dabei katholische Nonnen auf Rekruten im Färberstreik, erregte Alt-Marxisten auf Projektentwickler, Soldaten auf Stararchitekten treffen lässt.
«Militär/Kultur/Spionage» ist nach der letztjährigen Premiere von «Kultur/Industrie/Spionage» in der Roten Fabrik bereits Zulaufs zweite Variation einer neuartigen Raumerzählung der drei grossen, autonomen Alternativkulturzentren der Schweiz (im September folgte mit «Kultur/Kapital/Spionage» schon die Berner Reitschule). Die Idee, die Geschichte der jeweiligen Häuser mit einer etwas abwegigen Rahmenhandlung um ein verrücktes Künstler-, Spionage- und Wissenschaftler-Kollektiv aufzuarbeiten, ist clever, unterhaltsam und – wie die ausverkaufte Basler Premiere am Mittwochabend zeigte – dank intensiver Recherche auch mit vielen lokalen Spitzen und Kolorit gefärbt.
«Whodunnit?» im Kulturdiskurs
Dennoch gibt es eine Durststrecke zu überwinden, bevor sich die einzelnen Handlungs- und Erzählstränge gen Ende im eigenen Kopf wieder zu einem Ganzen zusammenfügen lassen – und man zum Schluss zumindest eine Teilauflösung der rätselhaften Schnitzeljagd erfährt. Wer auf unkonventionelle Art mehr über die Geschichte der Kaserne erfahren möchte, der kommt bei «Militär/Kultur/Spionage» und dessen überaus spielfreudigem Schauspielteam voll auf seine Kosten. Wer von A bis Z ausformulierte Feierabendunterhaltung sucht, oder gar ernsthafte Antworten auf die städtebaulichen Fragen der Gegenwart, ist dagegen auf dem Holzweg – hier stösst das Projekt naturgemäss an seine Grenzen.
Zum Glück schienen zumindest bei der Premiere die meisten Anwesenden, darunter viel Volk aus der hiesigen Kultur- und Politszene, zur ersten Gruppe zu gehören – man spendete dem «Whodunnit?» mit aktuellen kulturpolitischen Diskurs-Sprenkeln viel herzlichen Applaus, und verliess das Areal selber eifrig debattierend.
- Weitere Aufführungen: 04. und 05.10., jeweils 20 Uhr, Treffpunkt: Rossstall, Kaserne.