Schreibversuche

Schülerinnen
 und
 Schüler regionaler 
Gymnasien
 nahmen im Vorfeld der BuchBasel an einem Schreibwettbewerb zum Thema «Geht’s auch anders?» teil. Clara A’Campo (18) vom Gymnasium Oberwil wurde für ihren Text «Schreibversuche» mit dem ersten Preis ausgezeichnet.

Verehrter Herr Cortês,
Ich möchte mich noch ein Mal bei Ihnen bedanken für die Einladung zu Ihrem Einweihungsfest, welche anzunehmen für meine Frau und mich zu einem besonderen Vergnügen wurde. Wir verlebten einen reizenden Abend und bewunderten ausgiebig das prächtige Panorama, das sich Ihrem neuen Wohnsitz bietet. Allerdings drängte sich mir im Laufe dieses Abends eine Bitte auf, die an Sie gerichtet ist. Ich erblickte nämlich, auf zufällige und unfreiwillige Weise, in Ihrer Bibliothek einen Gegenstand, der mich in eine sich stets steigernde Aufregung versetzte. Anfäglichem Staunen und Unglauben mischte sich bald eine unbezwingbare Neugierde bei. Ich möchte Sie bitten – 

Verehrter Herr Cortês, 
Ich möchte mich noch ein Mal für den reizenden Abend bedanken, den ich in Ihrem Hause verbringen konnte. Es war mir eine ungemeine Freude, mit alten Bekannten zu plaudern und den prachtvollen Ausblick zu geniessen. Jedoch keimte in mir an diesem Abend eine Bitte auf, mit der ich mich an Sie wenden möchte.
Ich hatte mich einer Gruppe von Arbeitskollegen angeschlossen, die in einer Ecke des Saales versammelt war, nahe der Tür zur Bibliothek, und lauschte der umfassenden Erzählung eines Kollegen übser seine Kakteenzucht, die mit zahlreichen aufschlussreichen Details versehen war, als mein Blick durch den Raum zu schweifen begann, über das geschmackvolle Inventar strich, und schliesslich in die Bibliothek fiel, deren Tür leicht offen stand. Durch den Spalt war nur der schmale Längsschnitt eines Regals zu sehen, und ohne es eigentlich zu wollen, da mein Kollege gerade bei einer spannenden Beschreibung seines alljährlichen Kampfes mit einer speziellen Sorte von Läusen angelangt war, las ich die Beschriftung eines einzigen Buchrückens – dies reichte aus, meine Aufmerksamkeit während der folgenden Stunden immer wieder in Richtung des Türspaltes zu ziehen. Sie müssen wissen, dass ich ein ehrfürchtiger Anhänger des Flávio Afonso Ferreira bin, der bisher geglaubt hatte, sämtliche Werke dieses erstrangigen Schriftstellers zu kennen. Als ich nun in Ihrer Bibliothek seinen Namen unter einem Titel stehen sah, der mir noch nie begegnet war …

Verehrter Herr Cortês, 
Ich möchte lediglich eine kleine Bitte an Sie äussern: Könnten Sie mir eines Ihrer Bücher, ein ganz bestimmtes Ihrer Bücher, für ein paar Tage, der nächsten Zeit, überlassen?

Verehrter Herr Cortês,
Könnte ich Sie in der Mittagspause kurz sprechen? Es ist mir leider nicht möglich, Ihnen mein Anliegen schriftlich mitzuteilen.