Die Berner Künstlerin Julia Steiner ist vor einem halben Jahr nach Basel gezogen. In einer Ausstellung in der John Schmid Galerie zeigt sie Untypisches – nämlich kleinformatige Druckgrafiken. Eine Begegnung.
Die meisten werden denken, dass es sich bei den Arbeiten von Julia Steiner um Kohlezeichnungen handelt. Tatsächlich aber bringt die Künstlerin trockene Gouache mit dem Pinsel auf Papier oder direkt auf die Wand, eine Technik, die sie selber entwickelt hat. Immer schwarzweiss, fast immer grossformatig, bis zu mehreren Metern lang. «Idealerweise steht das Bild zum Betrachter im Verhältnis 1:1», sagt Steiner. Das Bild wird so zum veritablen Bildraum, in dem der Blick umherwandern kann.
Lichtstimmungen und Raumgefühle sind es, die Steiner umtreiben. Sie gehe von Beobachtungen aus, sagt sie. Während sie früher noch figurativ arbeitete, werden die Arbeiten stetig abstrakter. Noch vor kurzem schienen es vor allem Landschaftsräume zu sein, Blättergewirr, Zweige, Anklänge an Wellen und Wogen, Grashalme. Immer wieder aber brechen geometrische Gebilde durch die organisch gewachsenen. Inzwischen interessiere sie sich auch für Innenräume, nehme architektonische Elemente mit auf.
Konsequente Weiterentwicklung
Sie mag es, ein Bild anzufangen. Die Leere des grossen Papiers an der Atelierwand mache ihr keine Angst, «im Gegenteil, ich fühle mich davor sehr frei», sagt die 30-Jährige. Sie habe eine grobe Ahnung von der Komposition, bevor sie beginne, lasse das Bild aber aus sich heraus wachsen. Die Ideen entstehen beim Arbeiten.
In dem Masse, wie ihre Bilder sich aus sich heraus entwickeln, entwickelt sie auch die Bildform weiter. Gerade experimentiert sie mit unterschiedlichen Bildplatten, die sie voreinander gruppieren will – so, als wüchse das Bild aus der Wand heraus. Eine konsequente Weiterführung des Bildraum-Gedankens.
In ihrem Atelier, das gleichzeitig Wohnung ist, versucht sie sich gerade an einer ersten solchen Installation. Fünf unfertige Bilder hängen hier, in dieser ehemaligen Werkstatt in Kleinhüningen, an den Wänden. «Ich arbeite immer parallel an drei bis fünf Werken», sagt die Künstlerin. Rund 30 beendet sie pro Jahr.
Von Bern ins Kleinbasel
Voriges Jahr ist die Bernerin ins Kleinbasel gezogen – ein Zufall zu einem grossen Teil. «Das Atelier, das ich in Bern hatte, wird abgerissen, ich suchte in Zürich oder Basel nach etwas Neuem», erzählt sie. In Zürich sei sie zuerst fündig geworden – doch noch vor dem Einzug erhielt sie bereits wieder die Kündigung. Also kam Basel zum Zug, und damit eine Kunstszene, die Steiner immer noch etwas fremd ist. Doch das kann sich schnell ändern, ist sie sich sicher.
Für ein halbes Jahr wird sie Basel allerdings bald wieder den Rücken kehren. London ruft, wo sie den Herbst in einem Landis & Gyr-Atelier verbringen wird. Sie freut sich darauf, auf die neuen Eindrücke, die sie wird verarbeiten können.
Flüchtige Ewigkeit
Der Aufenthalt in London ist nicht die erste Auszeichnung, welche die Künstlerin in ihren wenigen Schaffensjahren erhalten hat. Zuletzt konnte sie sich 2011 über den Manor Kunstpreis des Kantons Bern freuen. Sie, die eigentlich Vermittlung von Kunst studiert hatte, konnte es sich 2007 bereits durch den Gewinn des Hauptpreises des Aeschlimann Corti Stipendiums ermöglichen, freischaffend als Künstlerin zu arbeiten. Seit einigen Jahren schafft sie es, von ihrer Kunst zu leben. Oder fast – auf die Teilnahme an den diversen Wettbewerben um Stipendien lässt sich dennoch kaum verzichten.
Das freie Arbeiten mag sie immer noch am liebsten, und es ist ihr auch egal, wenn eines ihrer Werke nicht für die Ewigkeit bestehen bleibt. So wie die Wandzeichnung im Haus der Kunst St. Josef in Solothurn, an der sie seit ein paar Tagen arbeitet. Diese wird nach Ablauf der Ausstellungsdauer wieder übermalt. «Ich sehe das als Chance», sagt Steiner. «Ich bin mutiger, wenn ich weiss, dass etwas wieder verschwindet.»
- Druckgrafiken von Julia Steiner sind noch bis 29. Juni in der John Schmid Galerie in Basel zu sehen. Vernissage der Ausstellung im Haus der Kunst St. Josef in Solothurn ist am 21. April