In der Ausstellung «Schwebend – Von der Leichtigkeit des Steins» wagt das Museum der Kulturen das Experiment, künstlerische Installationen mit ethnografischen Objekten zu vermischen. Eine sinnliche Erfahrung.
Mit Spannung war die neue Ausstellung im Museum der Kulturen erwartet worden. Nach der Debatte, die nach der Neueröffnung im Herbst 2011 um die neue Ausrichtung des Museums entbrannt war, will manch einer sehen, ob Direktorin Anna Schmid und ihr Team nun Konzessionen eingehen. Nehmen wirs vorneweg: Sie tun es nicht. Im Gegenteil – während im dritten Stockwerk «Schimmernde Alltagskleider» der Miao-Frauen zwar auf klassische Art und Weise präsentiert werden, fordert eine Treppe weiter die Ausstellung «Schwebend» die Zuschauer geradezu heraus.
Das oberste Stockwerk, das die Architekten Herzog & DeMeuron mit einer auffälligen Zickzackdecke versehen haben, wirkt auf den ersten Blick beinahe leer. Hell und licht zeigt sich die Architektur, die nun, in dieser erst zweiten Inszenierung, so richtig zur Geltung kommt. Unzählige Fäden spannen sich durch den Raum – der Decke entlang, von oben nach unten, von links nach rechts, schräg oder gerade. An ihrem einen Ende hängen kleine Steine, das andere Ende ist an merkwürdige anmutende Apparaturen geknüpft. Dazwischen stehen, fast verschwindend, einige ethnografische Objekte. Das hier hat wenig gemein mit dem, was man in einem Museum der Kulturen erwartet – keine Fülle von Objekten, keine ausschweifenden Beschreibungen. Das hier, das ist auf den ersten Blick unkommentierte Kunst.
Offengelegte Prozesse
Dass dem so ist, kommt nicht von ungefähr. Denn der, der verantwortlich zeichnet für diese filigranen Installationen, der ist Künstler. Er heisst Justin Fiske, hat einen flammend roten Bart und grosse Ausdauer. Acht Wochen hat der Südafrikaner ununterbrochen Steine am Rheinufer gesammelt, sie ins Museum gebracht, mit Faden umwickelt und schliesslich am genau richtigen Ort aufgehängt. Dann baute er mechanische Apparate, mittels deren sich die Steine bewegen lassen. Man würde kaum glauben, dass Fiske in seinen Arbeiten von Computern und virtuellen Welten ausgeht.
Doch als «Digital Native» müsse er automatisch eine kritisch distanzierte Haltung gegenüber virtuellen Realitäten einnehmen, sagt der Künstler. Also versucht er, angeregt von sich bewegenden Gittermustern, die als Bildschirmschoner entwickelt wurden, Computergeneriertes ins reale Leben zurück zu überführen. Die Steine fungieren als «Steinzeit-Pixel», wie er sie selber nennt, scheinbar simple, sichtbare Mechanik bringt sie in Bewegung. Die Frage, wie etwas funktioniert, und die Offenlegung dieses Prozesses sind dabei für Fiske von zentraler Bedeutung – Anliegen, die auch für Ethnologen wesentlich sind.
Die Objekte, die Fiskes Installationen begleiten, sind denn auch nicht bloss schmückendes Beiwerk, und auch umgekehrt sind Fiskes Arbeiten nicht nur als Bühne für die Objekte zu verstehen. Hier hängt alles zusammen, hier ist alles Konzept. So ist die Ausstellung vom Künstler mit Kuratorin Franziska Jenni gemeinsam entwickelt worden. Stundenlang habe man im Depot die richtigen Objekte gesucht, um Themenkreise zu bestücken, die durch Fiskes Installationen untermalt werden sollen.
Referenzrahmen
Exemplarisch lässt sich dies am Themenkreis «Modell» aufzeigen. Treffender eigentlich ist die englische Bezeichung «Frame of Reference» – Referenzrahmen. Alles, was uns Menschen umfasst, was wir Menschen begreifen, fusst auf einer Referenz. Auf einer persönlichen, auf einer allgemeingültigen. Ein Atlas (eines von wenigen Objekten, das nicht aus der Sammlung des Museum stammt übrigens, sondern aus der Universitätsbibliothek) präsentiert uns eine Karte, die noch vom geozentrischen Weltbild ausgeht. Was die Menschen damals glaubten, ist heute längst überholt. Vieles, was wir heute glauben, mag übermorgen ebenfalls überholt sein. Daran sollen wir erinnert werden. Fiskes Installation unterstützt diese These insofern, als wir die Steine in einer horizontalen Fläche parallel zum Boden hängen sehen. Bewegen wir einen Hebel, so heben die Fäden einige Steine in die Höhe, bis die soeben noch ebene Fläche sich an die Zickzackform der Decke angeglichen hat. Nicht mehr der Boden, sondern die Decke ist nun die Referenz.
Die lichte, so spartanisch bestückt wirkende Ausstellung ist eine sinnliche Angelegenheit. Wer etwas über die Objekte wissen will, wird durch ein informatives Begleitbüchlein ausreichend informiert. Man kann aber auch einfach mit offenen Augen durch den Saal gehen und ihn auf sich wirken lassen. Und ab und an einen Hebel in Bewegung setzen, um die Perspektive etwas zu verändern. Das Museumsteam hat den Anfang gemacht. Nun ist es an den Besuchern, sich darauf einzulassen. Ein lohnenswertes Unterfangen.
- Museum der Kulturen, Basel, 26. April bis 15. Juli. Vernissage Mittwoch, 25. April, 18.30 Uhr. www.mkb.ch