Am Samstagabend unterhielt die Mundartband Stiller Has das Basler Publikum nicht nur mit Wortwitz und Blues in Stimme und Seele, sondern auch mit einer neu gewonnenen und ernsthafteren Schwere.
Mit dem Lied «Fäderliecht» schliesst Sänger Endo Anaconda von Stiller Has das gut zweistündige Set in der Reithalle der Kaserne: Es mag sein, dass es nur eine der viel besungenen Sehnsüchte des Sängers ist, das Leben wieder etwas leichter anzugehen und weniger ernst zu nehmen. Doch diese Sehnsucht ziept an diesem Abend besonders stark. Kein Wunder: Letztes Jahr hatte Anaconda hart mit seiner Gesundheit zu kämpfen. Er musste wegen einer Nierenkolik intensivmedizinisch betreut werden und versucht seitdem, etwas weniger Raubbau mit seiner Gesundheit zu treiben.
Ein bisschen lebensnahe Schwere, ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit als früher merkte man dem Hasen an diesem Samstagabend dann auch an: Trotz «Zumba»-Animation, die der beleibte Sänger mit zwei Augenzwinkern mehrmals in seine Tanzeinlagen einbaut, trotz humoristischen Kurzgeschichten, die der grosse Geschichtenerzähler zwischen den Songs zum Besten gibt.
Stille Worte der Demut
Kleine Geschmacksprobe gefällig? So nennt Anaconda etwa die Schweissflecken unter seinen Achseln und auf seinem Hemd liebevoll Jahresringe, oder – so wie seine Tochter diese nennen würde – kurz und abstrakt «Kurt». Dieser besagte «Kurt» sei dann wohl auch, wie man sieht, von seinem Deo verlassen worden. Das ist amüsant. Doch man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Sänger «chrampft» – und dies mehr denn je.
Er bearbeitet seine Lieder zwar in gewohnter Manier, sprich mit Blues in der Seele und gewitzten Lebensweisheiten auf der Zunge. Aber eben auch mit einer an ernsthafterer Schwere gewonnenen Innerlichkeit. Für einen ersten Gänsehautmoment sorgt die Band, als sie die Ballade «Chlyne Tod» vom letzten veröffentlichten Album «So verdorbe» (2009) anstimmt. Darin singt Anaconda: «Viellech gits o d’Liebi nid und es bliebt numme d’Sehnsucht zrügg und die geit länger viel, viel länger als jedes läbeslange Glück.» Da ist sie wieder – diese Sehnsucht. Und man schwelgt gerne mit.
Wie die Band den Klangteppich auslegt, lässt aufhorchen, ebenso, wie sich Anaconda nach getaner Arbeit bedankt: er unterhält immer noch mit Ironie und Witz, teilt kleine Seitenhiebe gegen die katholische Kirche oder gegen die Mundartkollegen Züri West aus. Er lässt aber auch vereinzelte, stille Worte der Demut zwischen den Zeilen durchtönen.
Wache Töne der Spielfreude
Die neu gewonnene Schwere tut dem Konzertabend musikalisch im grossen Ganzen keinen Abbruch: Die Spielfreude von Stiller Has ist ungebrochen. Der Gitarrist Schifer Schafer geniesst sein Heimspiel und überzeugt mit rhythmisch und melodisch versierten und ausgeklügelten Gitarrenlicks und ebensolchen Begleitungen.
Anders der Schlagzeuger Markus Fürst: Er setzt das Schlagzeug minimalistisch ein und füllt die Beats immer nur dann mit den nötigen Schlägen, wenn sich gleich ein improvisatorischer Ausbruch von Endo Anaconda oder ein Call-and-Response-Spiel mit der Gitarre Schifer Schafers anbahnt. Die Bassistin Salome Buser – an diesem Abend nach den Aussagen Anacondas «verkatert» – besticht mit ihrem wachen Spiel, tollen Backings und ihrem mit dem Bass abwechselnden Retro-Orgelspiel.
Grossartige Mundartsongs wie «Moudi», «Gruusig» oder «Tschäggeti Chüe» gehören in der gut besuchten Reithalle zum Repertoire, aber die Lieder, nachdem vereinzelte Zuhörer lautstark verlangen wie «Znüni näh», «Walliselle» und «Aare», werden auch in der Zugabe nicht gespielt. Das Publikum bedankt sich trotzdem mit grossem Applaus.
Katzen haben sieben Leben, Hasen für gewöhnlich nicht: Endo Anaconda singt und erzählt trotzdem aus seinen vielen, und man kann ihm und seinen Mitstreitern hoffentlich noch lange zuhören. Bald soll es eine neue Platte geben. Denn eines ist sicher: die Sehnsucht nach seinen musikalischen Weisheiten ist noch lange nicht gestillt.