Science-Fiction statt Bibelmythen: Anna Aaron tauft ihre neue Platte «Neuro»

Anna Aaron hat für ihr neues Album «Neuro» Science-Fiction statt die Bibel gelesen. Und erneut wunderbar durchdringende Songs dazu geschrieben. Am Freitagabend ist Plattentaufe in der Kaserne Basel.

Im Weltall gelandet: Anna Aaron.

Anna Aaron hat für ihr neues Album «Neuro» Science-Fiction statt die Bibel gelesen. Und erneut wunderbar durchdringende Songs dazu geschrieben. Am Freitagabend ist Plattentaufe in der Kaserne Basel.

«Local Heroes» heisst die Konzertreihe, unter deren Label in der Kaserne Basel die regionalen Musikerinnen und Musiker auftreten. Die, die am Freitagabend dort ihr neues Album tauft, hat die lokalen Grenzen indes längst gesprengt: Anna Aaron hat «Neuro» in London aufgenommen, beteiligt waren unter anderem Jason Cooper, der Schlagzeuger von The Cure.

Immerhin ihr Label sitzt noch in der Schweiz: Two Gentlemen aus Lausanne. Dort erschien 2011 auch «Dogs In Spirit», das erste Album von Cécile Meyer, dem bürgerlichen Namen hinter Anna Aaron. Ansonsten ist wenig übrig geblieben von den Hundstagen: Anstelle des Düsterrocks mit sperrigen Gitarren und übereinandergeschichteten Stimmen stechen auf «Neuro» satte elektronische Beats und hymnische Synthesizer hervor.

Und statt der Bibelfiguren Elija, Samson und David reflektiert «Neuro» einen Mythos des 21. Jahrhunderts: den Cyberspace. Genauer gesagt «Neuromancer» von William Gibson. Gibson verdankt die Welt nicht nur diese Wortschöpfung für den immateriellen Datenraum, sondern auch die Idee einer neuronalen Schnittstelle zwischen Mensch und Computer, in der sich die Imaginationswelt der Matrix öffnet, seit dem gleichnamigen Filmen der Wachowski-Geschwister ein kanonisierter Begriff der Popkultur.

Neonlichter und Weltall

Neues Land für Anna Aaron, und entsprechend hat sich die Ästhetik verändert. «Bei der Suche nach dem neuen Sound liess ich mich vom Bild eines beleuchteten Objektes in der Dunkelheit leiten, also entweder einer nächtlichen Grossstadt mit Neonlichtern oder aber einem Raumschiff und seinen Scheinwerfern im dunklen Weltall», sagt Aaron. Aus diesem Objekt der Dunkelheit strahlt allerdings ihre Musik, je länger man sich ihr ergibt, umso heller und wird auch der Draht von «Neuro» zum Vorgänger «Dogs In Spirit» zusehends enger geknüpft.

Auch auf ihrem neuen Album findet sich, zumindest auf dem watteweichen Einstieg «Case», noch das transparente wie feierliche Pianospiel, das etwa ihre frühere Glanzstunde «Sea Monsters» geprägt hat. Und in den aggressiven Sequenzen von «Girl» oder «Labyrinth» ringen die versumpften Dröhngitarren kreativ mit der anderen, lichteren, halldurchfluteten Seite von «Neuro». Besonders ausbalanciert sind diese Gegensätze auf «Stellarling», auch dank der machtvollen Produktion der durchdringendste Song des Albums.

Die tiefste Berührung schafft indes der sanfteste Klang: «Off», kaum mehr als eine im Hall verschwindende Trommel, eine echoverspielte Zupfgitarre – und die Stimme, die strahlend aufsteigt wie eine neue Sonne. Jenseits der Mythen, der alten aus der Bibel wie der neuen aus dem Techniklabor der Moderne, kündet dieses zarte Lied von der Sprachlosigkeit von Verlusterfahrungen. «I just don’t know how to say goodbye», singt Anna Aaron darin. Möge sie es noch lange nicht erlernen.

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Anna Aaron: «Neuro», Two Gentlemen/Irascible.
Plattentaufe: Kaserne, Basel. Freitag, 7. März, 21 Uhr.

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